Eine Aussetzung der Vollziehung gem. § 69 Abs. 3 FGO ist nur zulässig, wenn gegen den zugrunde liegenden Verwaltungsakt ein Rechtsbehelf eingelegt wurde, ein entsprechender Antrag vorliegt und die Sachentscheidungsvoraussetzungen sowie die Einhaltung der besonderen Zugangsvoraussetzungen des § 69 Abs. 4 FGO.erfüllt sind.

  • Einlegung eines Rechtsbehelfs: Gegen den Verwaltungsakt muss ein Rechtsbehelf eingelegt worden sein, d.h. es muss ein Klageverfahren oder ein Einspruchsverfahren anhängig sein. § 69 Abs. 3 S. 2 FGO stellt klar, dass der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung auch schon vor Erhebung der finanzgerichtlichen Klage gestellt werden kann.
  • Antrag: Das Gericht wird nur auf Antrag tätig, § 69 Abs. 3 S. 1 FGO. In sinngemäßer Anwendung des § 64 FGO bedarf der Antrag der Schriftform, ersatzweise kann er mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder in elektronischer Form i.S.d. § 52a FGO gestellt werden
  • Antragsbefugnis: Antragsbefugt ist, wer in der Hauptsache klagebefugt ist oder wäre. Somit kann der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung grundsätzlich jeder vom Verwaltungsakt Betroffene stellen, d.h. auch ein Dritter, sofern er geltend macht, in seinen Rechten verletzt zu sein (Einzelheiten vgl. Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 69 FGO Rz. 60).
  • Rechtsschutzbedürfnis: Das Bedürfnis nach vorläufigem Rechtsschutz liegt vor, wenn auf der Grundlage des schlüssigen Vorbringens des Antragstellers die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts ernstlich bezweifelt werden kann (vgl. Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 69 FGO Rz. 61). Es fehlt bzw. entfällt, wenn dem Aussetzungsbegehren durch die Finanzbehörde entsprochen wird, wenn der zugrunde liegende Hauptsachenstreit sich erledigt hat oder wenn der angefochtene Verwaltungsakt nicht mehr aufgehoben oder geändert werden kann.
  • Ablehnung der Aussetzung durch die Finanzbehörde, § 69 Abs. 4 FGO: Die Zulässigkeit des Antrages auf Aussetzung der Vollziehung durch das FG ist nach § 69 Abs. 4 FGO von der Ablehnung eines zuvor gestellten Antrags auf Vollziehungsaussetzung durch die Finanzbehörde abhängig oder davon, dass die Finanzbehörde ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist nicht entschieden hat oder, dass Vollstreckung droht. § 69 Abs. 4 FGO ist keine "gewöhnliche" Sachentscheidungsvoraussetzung, sondern eine besondere Zugangsvoraussetzung, die im Zeitpunkt der Antragstellung bei Gericht gegeben sein muss, damit der Antrag überhaupt erfüllt sein kann – dagegen kann eine bei Antragstellung zunächst fehlende Sachentscheidungsvoraussetzung bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung noch nachgeholt werden (vgl. BFH v. 12.3.2013, BStBl. II 2013, 390; Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 69 FGO Rz. 68).

Beraterhinweis Unbeachtlich ist, ob die Ablehnung nach § 69 Abs. 2 FGO während des gerichtlichen Hauptsacheverfahrens oder noch während des Vorverfahrens nach § 361 Abs. 2 AO erfolgt ist. Sie kann grundsätzlich schriftlich oder mündlich erfolgen; jedoch trägt der Antragsteller die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Zugangsvoraussetzungen (Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 69 FGO Rz. 71). Inhaltlich muss der Antrag an das FG zumindest im Wesentlichen mit dem Antrag bei der Finanzbehörde übereinstimmen.

In den Fällen des § 69 Abs. 4 S. 2 FGO kann der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ausnahmsweise ohne vorherige behördliche Ablehnung gestellt werden.

Der erste Ausnahmetatbestand greift, wenn die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat und ist damit der Untätigkeitsklage nachgebildet. Wegen des Eilcharakters des Aussetzungsverfahrens ist die sechsmonatige Frist des § 46 Abs. 1 S. 2 FGO jedoch nicht maßgeblich; sondern muss kürzer bemessen werden. Wie kurz die Frist zu bemessen ist, ist Frage des konkreten Einzelfalls, wobei Komplexität und Aufklärungsbedürftigkeit des jeweiligen Sachverhalts zu berücksichtigen sind (FG Hamburg v. 6.5.1994 – IV 58/94 H, EFG 1994, 937; Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 69 FGO Rz. 75). Ein zureichender Grund für die vorläufige Nichtentscheidung über den Antrag liegt insb. vor, wenn es an einer angemessenen Mitwirkung des Antragstellers bei der Sachverhaltsaufklärung mangelt, z.B. bei fehlender Begründung oder Glaubhaftmachung.

Der zweite Ausnahmetatbestand setzt eine drohende Vollstreckung voraus. Das Vorliegen der allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen gem. § 254 AO (Fälligkeit, Leistungsgebot, Zeitablauf) genügt hier nicht, vielmehr muss das FA konkrete Vorbereitungshandlungen zur Durchführung der Vollstreckung getroffen haben, aus der objektivierten Sicht des Steuerpflichtigen muss die Vollziehung zeitlich unmittelbar bevorstehen (BFH v. 15.2.2002, BFH/NV 2002, 940; Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 69 FGO Rz. 78). Dieser Ausnahmetatbestand ist erst recht erfüllt, wenn die Vollstreckung bereits begonnen hat (BFH v. 26.5.2004, BFH/NV 2004, 1414).

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