Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts liegen vor, wenn nach summarischer Prüfung neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen oder Unentschiedenheit bzw. Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen bewirken.
Beraterhinweis Die für die Unrechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes sprechenden Bedenken müssen nicht überwiegen, ein Erfolg des Steuerpflichtigen muss also nicht wahrscheinlicher sein als ein Misserfolg. Bei der Einschätzung der Erfolgsaussichten sind die höchstrichterliche Rspr. und die einschlägigen Verwaltungsanweisungen, aber auch die Entscheidungen des zuständigen FG zu beachten (AEAO zu § 361, Nr. 2.5; Rätke in Klein, AO, § 361 Rz. 16).
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes liegen i.d.R. vor, wenn:
- die Behörde bewusst/unbewusst von einer für den Steuerpflichtigen günstigen Rspr. des BFH abweicht, insb. wenn das BMF einen Nichtanwendungserlass erlassen oder die Entscheidung (noch) nicht im Bundessteuerblatt veröffentlicht hat (BFH v. 15.2.1967 – VI S 2/66, BStBl. III 1967, 256; Rätke in Klein, AO, § 361 Rz. 18,
- der BFH noch nicht zu der zugrunde liegenden Rechtsfrage Stellung genommen hat und die Finanzgerichte unterschiedliche Rechtsauffassungen hierzu vertreten (BFH v. 10.5.1968 – III B 55/67, BStBl. II 1968, 610),
- die Gesetzeslage unklar, die streitige Rechtsfrage vom BFH noch nicht entschieden ist, im Schrifttum Bedenken gegen die Rechtsauslegung des FA erhoben werden und die Finanzverwaltung die Zweifelsfrage bislang nicht einheitlich beurteilt hat (BFH v. 22.9.1967 – VI B 59/67, BStBl. II 1968, 37; v. 19.8.1987 – V B 56/85, BStBl. II 1987, 830),
- wenn eine Rechtsfrage von zwei obersten Bundesgerichten oder von zwei Senaten des BFH unterschiedlich entschieden wurde oder wenn widersprüchliche Urteile desselben Senates vorliegen (BFH v. 22.11.1968 – VI B 87/68, BStBl. II 1969, 145; v. 21.11.1974 – IV B 39/74, BStBl. II 1975, 175; Rätke in Klein, AO, § 361 Rz. 13).
Die Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes können sich auch auf die Verfassungsmäßigkeit einer dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Norm beziehen. Ebenfalls können Zweifel an der Vereinbarkeit einer deutschen Norm mit dem Recht der Europäischen Union zu einer Aussetzung der Vollziehung führen (vgl. weiterführend Jörißen in Schmider/Wagner/Loritz HdB, Fach 1714).
Demgegenüber liegen i.d.R. keine ernstlichen Zweifel vor, wenn:
- der Verwaltungsakt der höchstrichterlichen Rspr. entspricht, selbst dann, wenn einzelne FG eine von ihr abweichende Auffassung vertreten (BFH v. 24.2.1967 – VI B 15/66, BStBl. III 1967, 341; v. 11.3.1970 – I B 50/68, BStBl. II 1970, 569; AEAO zu § 361, Nr. 2.5.3),
- der Rechtsbehelf bereits unzulässig ist (BFH v. 24.11.1970 – II B 42/70, BStBl. II 1971, 110; v. 25.3.1971 – II B 47/69, BStBl. II 1971, 334) oder
- lediglich Steuerausfälle zu befürchten sind (diese können dadurch vermieden werden, dass die Aussetzung der Vollziehung von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht wird, vgl. AEAO zu § 361, Nr. 2.5.6).
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