1.1 Zunehmende Komplexität und Nichtlinearität
Zunehmende Vernetzung erhöht Komplexität
Die Welle digitaler Basisinnovationen wie Internet, Blockchain oder künstliche Intelligenz macht uns zunehmend zu Zuschauern einer rasanten Entwicklung, die zu einer zunehmenden Vernetzung sowie zu veränderten Einstellungen und Erwartungen der Wirtschaftssubjekte führt. In der Folge verändert sich die Vorhersehbarkeit zukünftiger Ereignisse.
Die steigende Komplexität erwächst heute vor allem aus einer zunehmenden Vernetzungsdichte; immer mehr lineare Systeme werden durch nichtlineare ersetzt. Ein lineares System geht davon aus, dass wir Regeln kennen. Wenn ich X tue, wird das den Effekt Y haben. Nichtlineare Systeme sind komplex und deren Regeln oft nicht erkenn- oder steuerbar. Nach dem Motto: Wenn ich ein Loch stopfe, tun sich 2 weitere auf.
Nichtlinearität verringert betriebswirtschaftliche Planbarkeit
Dies hat Auswirkungen auf die betriebswirtschaftliche Planbarkeit und die Effektivität der bekannten Instrumente. Die nichtlineare Systemdynamik führt zu zunehmend chaotischen Situationen, einer geringeren Verlässlichkeit von Expertenaussagen sowie abnehmender Zuverlässigkeit von Planung insgesamt.
1.2 Von Push zu Pull
Umkehrung der Wertschöpfung
Aufgrund der wachsenden Komplexität stellen neuere Ansätze den Kunden in den Fokus und an den Beginn der Planung. Die Richtung der Wertschöpfungskette wird gedanklich quasi umgedreht. John Hagel spricht daher vom "Big Shift". Die grundsätzliche Richtung der Leistungserstellung in Unternehmen wird mittel- bis langfristig umgekehrt ("from push to pull").
Diese Pull-Ansätze betonen, dass sich Wertschöpfung nur gemeinsam mit dem Kunden entwickeln lässt (siehe Ansätze wie Co-Creation). Damit verwandte Konzepte wie die servicedominante Logik verwerfen sogar, dass ein Produkt einen inneren Wert haben kann, und gehen davon aus, dass der Produktwert nur vom Kunden während der Nutzung erschlossen werden kann (sog. "value in use"). Insgesamt lässt sich also ein Umdenken in der Betriebswirtschaft weg vom Planer hin zum Kunden als Ausgangspunkt konzeptioneller Erkenntnis beobachten.
1.3 Agilität und Nutzerzentriertheit in der Innovationsentwicklung notwendig
Breiterer Wissenserwerb durch Kollaboration
Kollaborative Ansätze wie Open Innovation und Open Source sind daher als Innovationsstrategien unter den Bedingungen steigender Komplexität und abnehmender Vorhersagbarkeit zu betrachten. Sie erschließen weitere Wissensquellen, als es die klassischen Innovationsmethoden der Push-Ökonomie ermöglichen.
Mehr Wendigkeit durch Agilität
Eine weitere wichtige Komponente zukünftiger Innovationsmethoden im Kontext von Komplexität und Nichtlinearität ist Agilität. Agilität meint nicht Schnelligkeit i. S. e. per se verkürzten Entwicklungsprozesses. Es geht nicht um Prozesseffizienz, sondern um Effektivität, da Sackgassen der Innovation früher erkannt werden und so Ressourcen für unsinnige Entwicklungsaufgaben gespart werden können. Agile Methoden dienen daher im übertragenen Sinne auch dem Risikomanagement.
Die bekannteste agile Methode ist Scrum, die vor allem in der Lösungsentwicklung eingesetzt wird. Dabei fokussiert Scrum eher darauf, welche Funktionen einer Gesamtlösung priorisiert werden sollen. Gegenüber dem Wasserfall-Modell, welches alle Anforderungen zu Beginn festlegt (und somit von einem höheren Grad der Planbarkeit und Vorhersagbarkeit ausgeht), arbeitet Scrum streng iterativ. Die Entwicklung ist in sog. Sprints (etwa 2- bis 4-wöchige Perioden) eingeteilt, in denen hoch priorisierte Anforderungen umgesetzt werden. Am Ende einer Iteration ist prinzipiell eine Feedbackschleife zum Kunden bzw. Nutzer vorgesehen – entweder durch Launch und Tests oder intern durch ein Sprint-Review, in dem das Scrum-Team dem Product Owner (der die Kundenperspektive vertritt) die Ergebnisse präsentiert. Scrum und andere agile Methoden haben sich als wertvoll erwiesen, weil sie früher Feedbacks und Erkenntnisse über die Adaption des Produkts bzw. Service ermöglichen. Dadurch können auch Entscheidungen über die Richtung der Weiterentwicklung bereits in früheren Abschnitten getroffen werden.
Damit ermöglichen agile Methoden wie Scrum einem Team eine höhere Wendigkeit in einer komplexen Situation. Der Herausforderung höherer Komplexität wird hier durch eine höhere Komplexitätsfähigkeit des Teams begegnet.
Frühes Kundenfeedback in agilen Methoden
Frühe und wiederkehrende Feedbacksignale vom Markt und von den Nutzern erklären die Notwendigkeit einer Nutzerzentriertheit agiler Ansätze. Eine iterative Arbeitsweise ohne Kundenkontakt, ohne einen Austausch und Dialog mit dem Kunden während der Entwicklungsphase wäre somit lediglich eine Simulation agiler Methodik.
1.4 Design Thinking: das Unbekannte kennenlernen
Scrum: Bessere Umsetzungsmöglichkeiten
Während Scrum und andere agile Methoden vor allem in der Entwicklung konkreter Lösungen eingesetzt werden, so gehen sie doch davon aus, dass das grundsätzliche Problem, die grundsätzliche Aufgabenstellung im Wesentlichen bekannt ist. Ein Beispiel ist etwa ...