Leitsatz
1. Ob bei Fremdwährungsverbindlichkeiten eine Veränderung des Währungskurses zum Bilanzstichtag eine voraussichtlich dauerhafte Teilwerterhöhung ist, hängt maßgeblich von der Laufzeit der Verbindlichkeit ab.
2. Bei Fremdwährungsverbindlichkeiten, die eine Restlaufzeit von ca. zehn Jahren haben, begründet ein Kursanstieg der Fremdwährung grundsätzlich keine voraussichtlich dauernde Teilwerterhöhung. In diesen Fällen ist davon auszugehen, dass sich Währungsschwankungen i.d.R. ausgleichen.
3. Eine Rücklage nach § 52 Abs. 16 S. 8 EStG darf nicht dafür gebildet werden, dass im Jahr 1999 eine nur vorübergehende Teilwerterhöhung einer Verbindlichkeit aufgrund der Neufassung des § 6 Abs. 1 EStG nicht mehr zu einer – gewinnmindernden – Höherbewertung berechtigt.
Normenkette
§ 6 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 EStG
Sachverhalt
Eine GbR hatte die Anschaffung des von ihr betriebenen Schiffs u.a. mit einem Schiffshypothekendarlehen in japanischer Währung Yen finanziert. Die Laufzeit des Darlehens betrug ca. 15 Jahre. In einem späteren Jahr bewertete die GbR die Verbindlichkeit wegen eines am Bilanzstichtag gesunkenen Kurses des Yen mit einem über den ursprünglichen Rückzahlungsbetrag des Darlehens hinausgehenden Betrag.
Das FA hielt diese Teilwertzuschreibung für unzulässig, weil die Wertveränderung nicht von Dauer sei. Die Schwankung des Devisenkurses bewege sich in der für Yen üblichen Bandbreite. Das FG (FG Bremen, Urteil vom 12.10.2006, 1 K 181/05 [6], Haufe-Index 1677567, EFG 2007, 575) teilte diese Auffassung.
Entscheidung
Auch die Revision der GbR hatte keinen Erfolg. Bei Fremdwährungsverbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von ca. 10 Jahren ist nach Meinung des BFH davon auszugehen, dass sich die Schwankungen des Wechselkurses über die Restlaufzeit ausgleichen. Zum Ende des Wirtschaftsjahrs 1999 könne auch keine Neubewertungsrücklage nach § 52 Abs. 16 S. 7 EStG 1999 gebildet werden.
Hinweis
1. Nachdem der BFH bereits zur Teilwertabschreibung wegen voraussichtlich dauernder Wertminderung von Wirtschaftsgütern des abnutzbaren Anlagevermögens (BFH, Urteil vom 14.03.2006, I R 22/05, BFH/NV 2006, 1738, BFH/PR 2006, 339) und des nicht abnutzbaren Anlagevermögens (BFH, Urteil vom 26.09.2007, I R 58/06, BFH/NV 2008, 432, BFH/PR 2008, 138) entschieden hat, ist mit dem Besprechungsurteil die erste Entscheidung zur Teilwertzuschreibung bei voraussichtlich dauernder Werterhöhung einer Verbindlichkeit ergangen. Ähnlich wie auf der Aktivseite sind Wertverschlechterungen in der Steuerbilanz seit 1999 nur dann durch Erhöhung des Passivpostens für eine Verbindlichkeit zu berücksichtigen, wenn die Wertveränderung voraussichtlich dauerhaft ist.
2. Für Wirtschaftsgüter des abnutzbaren Anlagevermögens hat der BFH für die Frage der Dauerhaftigkeit der Wertminderung auf eine Prognose für die gesamte Restnutzungsdauer des Wirtschaftsguts abgestellt (Urteil vom 14.03.2006, a.a.O.). Bei einem Gebäude ergibt sich der Prognosezeitraum also aus der gesetzlich festgelegten Nutzungsdauer des Gebäudes. Ob eine Ausnahme davon bei zum Verkauf anstehenden Gebäuden zu machen ist, wird der BFH im zweiten Rechtsgang zu dem Urteil vom 14.03.2006 demnächst zu klären haben (Az. I R 74/08).
Für Verbindlichkeiten übernimmt der BFH den zu abnutzbaren Wirtschaftsgütern entwickelten Gedanken, für die Prognose auf den Zeitraum abzustellen, in dem das Wirtschaftsgut noch dem Betriebsvermögen angehören wird. Wie die Nutzung eines abnutzbaren Wirtschaftsguts zeitlich begrenzt ist, ist auch die Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen bei Verbindlichkeiten mit einer bestimmten Laufzeit beschränkt. Die Restlaufzeit der Verbindlichkeit ist damit der Prognosezeitraum.
Für börsennotierte Aktien hat der I. Senat des BFH entschieden, dass Kursverluste in der Regel als dauerhaft anzusehen seien (Urteil vom 26.09.2007, a.a.O.). Hierdurch sieht sich der IV. Senat des BFH aber nicht gehindert, für laufzeitabhängige Verbindlichkeiten abweichend zu entscheiden. Denn für die Aktien gebe es keinen bestimmten Prognosezeitraum.
3. Da eine Verbindlichkeit mit dem Rückzahlungsbetrag zu bewerten ist und sich dieser i.d.R. während der Darlehenslaufzeit nicht erhöht, stellt sich die Frage nach einer voraussichtlich dauerhaften Werterhöhung nur selten. Ein Hauptanwendungsfall sind Fremdwährungsverbindlichkeiten, deren Rückzahlungsbetrag in Abhängigkeit vom Devisenkurs der betreffenden Währung schwankt. Hierzu vertritt der BFH nun die Auffassung, dass derartige Schwankungen sich bei einer langen Laufzeit leicht ausgleichen können, eine Wertveränderung sei voraussichtlich nicht dauerhaft.
Offen bleibt damit die Frage, ob bei kurzfristigen Verbindlichkeiten bzw. gegen Ende einer langfristigen Verbindlichkeit anders zu entscheiden sein wird. Vielleicht kann bei einer Restlaufzeit von nur noch einem Jahr hinreichend zuverlässig prognostiziert werden, ob und inwieweit sich der Kurs bis zum Fälligkeitstag wieder erholen wird.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 23.04.2009 – IV R 62/06