1. Voraussetzungen
Gefährdung des Steueranspruchs: Die Voraussetzungen der Anordnung einer Sicherheitsleistung sind nicht gesetzlich normiert. Nach ihrem Sinn und Zweck – Vermeidung von Steuerausfällen infolge der Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung – ergibt sich gleichwohl, dass der Steueranspruch gefährdet erscheinen muss. Das ist wiederum der Fall, wenn beispielsweise
- die Begleichung der Steuerschuld nach der Entscheidung über den Einspruch fraglich ist,
- wenn die Vollstreckung gefährdet ist,
- wenn stark schwankende Einkünfte in der Vergangenheit vorliegen oder
- wenn das vorhandene Vermögen erheblich belastet ist.
Beraterhinweis Die Anordnung einer Sicherheitsleistung ist vor diesem Hintergrund von vornherein ausgeschlossen, wenn eine Realisierung der Steuerforderung bereits bei der Entscheidung über die Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung unmöglich erscheint. In diesem Fall kann der Sinn und Zweck der Regelung des § 361 Abs. 2 S. 5 AO – die Vermeidung von Steuerausfällen – gar nicht erst erreicht werden.
Sicherungsgeber ist, wer die Sicherheit aus seinem eigenen Vermögen leistet. Er kann dementsprechend auch ein Dritter sein, so dass Steuerpflichtiger und Sicherungsgeber voneinander abweichen.
Sicherungsnehmer ist die steuerberechtigte Körperschaft, i.d.R. vertreten durch das FA.
2. Ermessensausübung
Verhältnismäßigkeitsprüfung mit Interessensabwägung: Die Entscheidung über die Anordnung der Sicherheitsleistung ist im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens zu treffen (AEAO zu § 361, Zif.. 9.2.1), wobei im Rahmen der gebotenen Verhältnismäßigkeitsprüfung die Individualinteressen des Steuerpflichtigen am effektiven Rechtsschutz und das Fiskalinteresse des Staates auf Schutz vor Steuerausfällen gegeneinander abzuwägen sind. Dementsprechend muss die Entscheidung der Finanzbehörde eine Abwägung der beiden Interessensgegensätze erkennen lassen. Hierbei sind stets die Besonderheiten des konkreten Einzelfalls zu berücksichtigen. Fehlt es hieran, ist die Anforderung einer Sicherheitsleistung ermessensfehlerhaft (Brete/Thomsen, NWB 2017, 104; Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 361 AO Rz. 14 [Feb. 2021]).
Beraterhinweis Hier bietet sich für den Berater dementsprechend ein erster Angriffspunkt. Die Bescheide über die Aussetzung der Vollziehung sind in der Praxis häufig so ausgestaltet, dass zunächst der auszusetzende Steuerbetrag nach Steuerart und Höhe angegeben wird und sodann der Hinweis erfolgt, dass die Aussetzung der Vollziehung von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht wird, die der Steuerpflichtige innerhalb einer bestimmten Frist zu erbringen hat. Ermessenerwägungen fehlen oftmals gänzlich. Zwar können sie noch im Einspruchsverfahren nachgeholt werden, der Steuerpflichtige kann durch den Einspruch aber zumindest etwas Zeit gewinnen, die wiederum zur Liquiditätsbeschaffung genutzt werden kann.
3. Die Prüfung der Ermessensausübung durch die Finanzbehörde erfolgt in drei Schritten (vgl. Brete/Thomsen, NWB 2017, 104).
a) Gefährdung der Vollstreckung der Steuerschuld
Eine Sicherheitsleistung wird i.d.R. anzuordnen sein, wenn durch die Aussetzung der Vollziehung die spätere Durchsetzung des Steueranspruchs gefährdet erscheint. Das ist grundsätzlich der Fall, wenn die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen zum Zeitpunkt der Antragstellung erkennen lassen, dass eine spätere Vollstreckung des Anspruchs erheblich erschwert sein wird.
Die Gefahr des Steuerausfalles muss dabei gerade durch die Gewährung der Aussetzung der Vollziehung entstehen. Wie bereits oben erwähnt, darf eine Sicherheitsleistung nicht angeordnet werden, wenn die Steuerforderung aufgrund der wirtschaftlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen ohnehin auf absehbare Zeit nicht realisierbar ist (BFH v. 11.8.2000 – I S 5/00, BFH/NV 2001, 314; FG Köln v. 6.6.2018 – 15 V 754/18, EFG 2018, 1688).
Wann die spätere Vollstreckung gefährdet oder erschwert ist, hängt allerdings vom konkreten Einzelfall ab.
So besteht die Gefahr eines Steuerausfalles, wenn die Steuerschuld im Ausland vollstreckt werden müsste (BFH v. 15.9.2015 – I B 57/15, BFH/NV 2016, 212; Hippke, NWB 2010, 337, Brete/Thomsen, NWB 2017, 104). Das gilt auch, wenn in einem Mitgliedstaat der EU zu vollstrecken wäre, es sei denn, mit diesem Staat besteht ein Abkommen, welches eine Vollstreckung unter gleichen Bedingungen wie im Inland gewährleistet (BFH v. 3.2.1977 – V B 6/76, BStBl. II 1977, 351; AEAO zu § 361, Ziff. 9.2.2; zur zwischenstaatlichen Vollstreckungshilfe vgl. BMF-Merkblatt v. 29.2.2013, BStBl. I 2012, 244).
Eine Aussetzung der Vollziehung gegen Sicherheitsleistung kann auch bei drohender Insolvenz oder offensichtlicher Unterkapitalisierung (BFH v. 3.2.1993 – I B 90/92, BStBl. II 1993, 426) sowie bei Beiseiteschaffen von Vermögen oder Übertragung auf nahe Angehörige (BFH v. 18.8.1987 – VII B 97/87, BFH/NV 1988, 374) gerechtfertigt sein.
Dagegen besteht keine Gefahr eines Steuerausfalles, wenn ein gesichertes Einkommen und/oder ausreichend Vermögen bestehen (BFH v. 15.3.1999 – I B 95/98, BFH/NV 1999, 1205), ebenso bei zuverlässiger Zahlung vergangener Steuerschulden (BFH v. 25.7.2001 – I B 41/01, BFH/NV 2001, 1445) oder bei nur geringen steuerlichen Auswirkungen (BFH v. 16.12....