1. Wirtschaftliche Lage des Steuerpflichtigen
Wie bereits oben erwähnt, ist die Frage nach einer Sicherheitsleistung bei wirtschaftlich schlechter Lage des Steuerpflichtigen durchaus komplex.
Das kann in der Praxis vor allem dann der Fall sein, wenn die alsbaldige Begleichung der Steuerschuld nach ihrer endgültigen Festsetzung fraglich erscheint, weil nach Aktenlage Zweifel daran bestehen, dass der Steuerpflichtige die ausgesetzten Steuern neben seinen sonstigen Verbindlichkeiten aus seinem Vermögen oder aus seinen frei verfügbaren Einkünften begleichen kann, entweder weil das vorhandene Vermögen des Steuerpflichtigen bereits erheblich belastet ist oder weil er in der Vergangenheit stark schwankende Einkünfte hatte.
In solchen Fällen darf dem Steuerpflichtigen nicht allein wegen fehlender Mittel für eine Sicherheitsleistung der vorläufige Rechtsschutz in Form der Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung verweigert werden (BVerfG v. 22.9.2009 – 1 BvR 1305/09, DStR 2009, 2146). Eine Sicherheitsleistung darf dementsprechend nicht gefordert werden, wenn und soweit es dem Steuerpflichtigen trotz zumutbarer Anstrengung nicht möglich ist, die Sicherheit zu leisten.
Eine Ausnahme bildet hier die Aussetzung der Vollziehung wegen unbilliger Härte, vgl. AEAO zu § 361, Ziff. 9.2.3.
Beraterhinweis Demnach darf keine Sicherheitsleistung gefordert werden, wenn zuverlässig feststeht, dass der Steuerpflichtige zur Sicherheitsleistung außerstande ist. Hierzu ist die Vorlage einer aktuellen und vollständigen Vermögensübersicht erforderlich. Die entsprechende Feststellungslast trägt der Steuerpflichtige.
2. Höhe der Steuerforderung
Die Höhe der Steuerforderung begründet für sich alleine keine Gefährdung des Steueranspruchs.
Die Anforderung einer Sicherheitsleistung kann aber in der Gesamtschau gerechtfertigt sein, wenn die Zahlungsfähigkeit des Steuerpflichtigen sich absehbar verschlechtern wird, z.B. durch Krankheit, hohes Alter – ggf. verbunden mit einer zu erwartenden vorweggenommenen Erbfolgeregelung – oder hohe Unterhaltsverpflichtungen.
Beraterhinweis Umgekehrt ist jedoch bei einer nur geringen Steuerforderung die Gefahr eines Steuerausfalles als nebensächlich einzustufen, so dass in solchen Fällen die Anordnung einer Sicherheitsleistung nicht ermessensgerecht wäre.
3. Prozessdauer
Auch eine voraussichtlich lange Prozessdauer rechtfertigt alleine keine Sicherheitsleistung. Allerdings können sich Beitreibungsmöglichkeiten, gerade hoher Steuerschulden über einen langen Zeitraum wesentlich verschlechtern, selbst ohne aktives Zutun des Steuerpflichtigen. Dementsprechend wird die Finanzbehörde das Sicherungsbedürfnis regelmäßig überprüfen und ggf. nachträglich eine Sicherheitsleistung fordern (vgl. Brete/Thomsen, NWB 2017, 104 und s. oben).
4. Auslandsverbindungen
Wenn der Steuerpflichtige Geschäftsbeziehungen zum Ausland unterhält oder Vermögen im Ausland hat, wird die Finanzbehörde in einem ersten Schritt prüfen, ob im Inland ausreichend Vermögen vorhanden ist. Sollte dies nicht der Fall sein, wird in einem zweiten Schritt geprüft, ob die Beitreibung durch zwischenstaatliche Amtshilfe zu den gleichen Bedingungen wie im Inland sichergestellt ist.
5. Steuerlich unehrliches Verhalten des Steuerpflichtigen
Resultiert die Steuerforderung aus einem steuerlich unehrlichen Verhalten des Steuerpflichtigen, besteht eine erhöhte Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Steuerpflichtige grundsätzlich zahlungsunwillig ist und dass er während des Rechtsbehelfsverfahrens Maßnahmen ergreifen könnte, die eine spätere Beitreibung erschweren.
Auch in diesen Fällen wird die Finanzbehörde die Anforderung einer Sicherheitsleistung prüfen.
6. Personengesellschaften als Steuerschuldner
In diesen Fallkonstellationen ist die wirtschaftliche Lage der Personengesellschaft selbst maßgeblich, da die Sicherheitsleistung durch die Personengesellschaft, d.h. aus ihrem Vermögen zu erbringen ist. Bürgschaften durch die Gesellschafter sind unter den Voraussetzungen des § 244 AO möglich.
7. Kosten der Sicherheitsleistung
Die Kosten für die Sicherheitsleistung sind durch den Sicherungsgeber zu tragen, da er einen kurzfristigen Liquiditätsvorteil erlangt und somit anderweitige Investitionen oder allgemein Mittelverwendungen tätigen kann.
Beachten Sie: Sie sind dem im außergerichtlichen Einspruchsverfahren obsiegenden Steuerpflichtigen zu erstatten, da er in diesen Fällen für die Sicherung eines nicht existenten Steueranspruchs herangezogen wurde (Folgenbeseitigungsanspruch des Steuerpflichtigen, vgl. Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 241 AO Rz. 21 [Jun. 2020]; § 361 AO Rz. 14; a.A. FG BW v. 30.4.2008 – 2 K 212/05, EFG 2008, 1267).