Bei einer Verprobung der vorgenannten Kriterien anhand der höchstrichterlichen Rspr. zeigt sich, dass diese mit der Rspr. in Einklang zu bringen sind.
a) Doppelbesteuerung
Der I. BFH-Senat ist der Ansicht, dass die für den Betrieb einer Pflegeheim-GmbH bestimmte Erbschaft ungeachtet ihrer erbschaftsteuerrechtlichen Belastung der Körperschaftsteuer unterliegt (BFH v. 6.12.2016 – I R 50/16, BStBl. II 2017, 324 = ErbStB 2017, 93 [Hartmann]). Die hieraus resultierende Doppelbesteuerung ist m.E. aber nicht zu verallgemeinern. Für die in diesem Beitrag zu untersuchende Beteiligung eines Mitarbeiters an einem Unternehmen kann der Vorgang nur der Einkommensteuer oder der Schenkungsteuer zu unterwerfen sein, weil der Anlass der Zuwendung entweder im Dienstverhältnis liegt oder seine Ursache außerhalb desselben hat (vgl. A. Lammers in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 19 Rz. 69).
b) Vorrang der Schenkungsteuer nach der Rechtsprechung des VIII. Senats
Im Beschluss v. 12.9.2011 kommt der VIII. Senat des BFH (BFH v. 12.9.2011 – VIII B 70/09, BFH/NV 2012, 229 = ErbStB 2012, 32 [Hartmann]) zu dem Schluss, dass die Einkommensteuer zurückzutreten habe, wenn "derselbe Lebenssachverhalt" zugleich (BFH v. 8.10.2014 – VIII B 115/13, BFH/NV 2015, 200 = EStB 2015, 18 [Günther]) auch der Schenkungsteuer unterfällt.
Der Senat hielt er es für zweifelhaft, der Gläubigerin einer zinslosen Forderung aus dem späteren Tilgungsbetrag rechnerisch einen Zinsanteil nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zuzurechnen, da sie sich als Schenkerin in nicht einkommensteuerbarer Weise verhalten habe. Eine Doppelbesteuerung kommt somit jedenfalls nach Ansicht dieses Senats nicht in Betracht.
Beraterhinweis Ob sich der Vorrang der Schenkungsteuer allerdings verallgemeinern lässt, darf m.E. bezweifelt werden. Der VIII. Senat trifft die Entscheidung über den Vorrang der Schenkungsteuer nur dann, wenn beide Gesetze dem Grunde nach einschlägig sind. Ob dies allerdings bei einer vergünstigten Beteiligung von Mitarbeitern an einem Unternehmen, gleich welcher Rechtsform, überhaupt möglich ist, unterliegt m.E. Zweifeln. Denn letztlich bleibt es Tatfrage, ob eine Vergütung für geleistete Dienste vorliegt oder nicht.
c) Vorrang der Einkommensteuer nach der Rechtsprechung des II. Senats
Der II. BFH-Senat stellt dagegen in einer Vielzahl von Entscheidungen regelmäßig den Vorrang der Einkommensteuer heraus und vermeidet so eine Doppelbelastung mit Einkommen- und Schenkungsteuer. So etwa schließt er bei einer Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG den Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG aus (BFH v. 30.1.2013 – II R 6/12, BStBl. II 2013, 930 = ErbStB 2013, 136 [Hartmann]). Ebenso betrachtet der II. Senat eine etwaige vGA als Teil eines Veräußerungsgewinns nach § 17 EStG, der wiederum die Freigebigkeit ausschließt (BFH v. 27.8.2014 – II R 44/13, BStBl. II 2015, 249 = ErbStB 2014, 326 [Halaczinsky]).
d) Keine Doppelbesteuerung nach der Rechtsprechung des VI. Senats
Erhält ein Arbeitnehmer neben seinem ihm arbeitsvertraglich zustehenden Arbeitsentgelt zusätzlich weitere Geld- und/oder Sachleistungen seines Arbeitgebers, sind sie "regelmäßig" Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit (BFH v. 19.9.2012 – VI R 54/11, BStBl. II 2013, 395 = EStB 2013, 5 [Apitz]).
Werden solche Vorteile von Dritten gewährt, ist nur "ausnahmsweise" Arbeitslohn anzunehmen (BFH v. 17.7.2014 – VI R 69/13, BStBl. II 2015, 41 = EStB 2014, 394 [Apitz]), wenn sie ein Entgelt für gegenüber dem Arbeitgeber erbrachte oder zu erbringende Dienstleistungen bilden. Dies setzt – kumulativ – voraus, "dass sie sich für den Arbeitnehmer als Frucht seiner Arbeit für den Arbeitgeber darstell(en) und im Zusammenhang mit seinem Dienstverhältnis steh(en)" (BFH v. 28.2.2013 – VI R 58/11, BStBl. II 2013, 642 = EStB 2013, 245 [Glanemann]; BFH v. 7.8.2014 – VI R 57/12, BFH/NV 2015, 181 = EStB 2015, 19 [Günther]).
Konsequent differenziert der VI. BFH-Senat wie folgt:
- Bei Zuwendungen des Arbeitgebers sei aufgrund § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 sowie Satz 2 EStG keine synallagmatische Verknüpfung mit konkreten Dienstleistungen des Arbeitnehmers erforderlich (BFH v. 28.2.2013 – VI R 58/11, BStBl. II 2013, 642 = EStB 2013, 245 [Glanemann]; BFH v. 18.10.2012 – VI R 64/11, BStBl. II 2015, 184 = EStB 2013, 7 [Felten]). Es liegt regelmäßig Arbeitslohn vor.
- Diese Aussage erfährt auch im Beschluss vom 6.12.2013 ihre Bestätigung (BFH v. 6.12.2013 – VI B 89/13, BFH/NV 2014, 511). Im Entscheidungsfall hatte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Geldsumme zur Verfügung gestellt. Er hielt ausdrücklich fest, dass es sich um eine freiwillige Zuwendung ohne Grundlage im Arbeitsverhältnis handele. Der BFH führte hierzu aus, dass die persönlichen Auffassungen und Einschätzungen der an einer Zuwendung Beteiligten, wonach eine Zahlung nicht im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehe, sondern unabhängig davon eine eigenständige Schenkung darstelle, unerheblich sind. Es kommt nicht auf die subjektive Einschätzung der Beteiligten, sondern auf die objektiven Tatumstände an.
Bei Zuwendungen Dritter muss es sich hingegen um durch den Dritten vermittelten Arbeitslohn des Arbeitgebers handeln (z.B. im abgekürzten Zahlungsweg als Arbeitsentgelt weiterg...