[Ohne Titel]

Dipl. Finw. Dr. Rüdiger Gluth, RA/FASt[*]

Im Zusammenhang mit Unternehmensnachfolgeregelungen im Mittelstand taucht oftmals die Frage auf, ob bei Beteiligung von Mitarbeitern des Unternehmens ein vergünstigter Erwerb der Gesellschaftsbeteiligung zu Arbeitslohn führt oder der Schenkungsteuer zu unterwerfen ist. Verantwortlich für die Rechtsunsicherheit ist u.a., dass weder das EStG noch das ErbStG eine Kollisionsnorm enthalten, etwa vergleichbar § 3 Nr. 2 GrEStG oder § 4 Nr. 9a UStG, die die Konkurrenz zwischen beiden Steuerarten auflöst. § 19a EStG löst diese Konkurrenzsituation auch nicht auf. Denn schon der Wortlaut § 19a Abs. 1 EStG setzt voraus, dass eine Veranlassung durch das Arbeitsverhältnis gegeben ist, weil die Vermögensbeteiligung zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt werden muss. Die zu untersuchende Frage setzt aber früher an: Ist überhaupt dem Grunde nach Arbeitslohn gegeben oder droht sogar eine Doppelbesteuerung durch beide Steuerarten?

[*] Der Autor ist Partner der Sozietät RGJ Rund Gluth Jarosch & Partner mbB in Düsseldorf.

1. Der Ausgangspunkt: Konkurrenz zwischen Einkommen- und Schenkungsteuer

Kein Wahlrecht zwischen Einkommen- und Schenkungsteuer: Im Zusammenhang mit Unternehmensnachfolgeregelungen im Mittelstand taucht oftmals die Frage auf, ob bei Beteiligung von Mitarbeitern des Unternehmens ein vergünstigter Erwerb der Gesellschaftsbeteiligung zu Arbeitslohn führt oder der Schenkungsteuer zu unterwerfen ist. Insbesondere wenn die Voraussetzungen der §§ 13a, 13b ErbStG erfüllt sind, ist die Auflösung der Konkurrenzsituation zugunsten der Schenkungsteuer zwar wünschenswert. Aber ein Wahlrecht zwischen Einkommen- und Schenkungsteuer besteht natürlich nicht.

Doppelbesteuerung denkbar: Verantwortlich für die Rechtsunsicherheit ist u.a., dass weder das EStG noch das ErbStG eine Kollisionsnorm enthalten, etwa vergleichbar § 3 Nr. 2 GrEStG oder § 4 Nr. 9a UStG, die die Konkurrenz zwischen beiden Steuerarten auflöst. § 19a EStG löst diese Konkurrenzsituation auch nicht auf. Denn schon der Wortlaut § 19a Abs. 1 EStG setzt voraus, dass eine Veranlassung durch das Arbeitsverhältnis gegeben ist, weil die Vermögensbeteiligung zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt werden muss. Die nachfolgend zu untersuchende Frage setzt aber früher an: Ist überhaupt dem Grunde nach Arbeitslohn gegeben oder droht sogar eine Doppelbesteuerung durch beide Steuerarten?

Die letztgenannte Fragestellung ist nicht nur akademischer Natur, wie das Urteil des BFH v. 6.12.2016 belegt (BFH v. 6.12.2016 – I R 50/16, BStBl. II 2017, 324 = ErbStB 2017, 93 [Hartmann]). Klägerin war eine GmbH. Sie betrieb ein Seniorenpflegeheim. Die GmbH erhielt durch den Tod einer Heimbewohnerin einen Geldbetrag mit der Auflage, diesen ausschließlich zur Instandhaltung, Instandsetzung, zum Ausbau oder zur Modernisierung des Heimes einzusetzen.

Die GmbH erfasste die Erbschaft, die durch sie veranlassten Kosten und die Erbschaftsteuer in der Buchführung erfolgsneutral auf dem Konto "Kapitalrücklage". In der gesonderten Feststellung des steuerlichen Einlagekontos war die Erbschaft abzgl. der damit verbundenen Aufwendungen zugleich als "Einlage" erfasst. Das FA setzte dagegen Erbschaftsteuer nach Abzug eines Freibetrages von 20.000 EUR i.H.v. 30 % fest. Es erhöhte zudem den erklärten Gewinn um die Erbschaft. Der BFH kam zu dem Ergebnis, dass die für den Betrieb einer Pflegeheim-GmbH bestimmte Erbschaft trotz ihrer erbschaftsteuerrechtlichen Belastung der Körperschaftsteuer unterliegt.

Ungeachtet der Kritik an der vorgenannten Entscheidung des I. Senats des BFH (vgl. z.B. Weiss, EStB 2017, 178; Krieg, DStR 2017, 2705) verbleibt die Frage, ob diese Grundsätze auch auf die Beteiligung von Mitarbeitern an einem Unternehmen übertragbar sind. Die Problematik verdeutlicht die nachfolgende Entscheidung FG Sachsen-Anhalt v. 27.4.2022 (FG Sachsen-Anhalt v. 27.4.2022 – 3 K 161/21 [Rev. VI R 21/22], ErbStB 2022, 336 [Günther] = DStRE 2023, 456), wenn ein geeigneter Nachfolger aus der eigenen Familie des Unternehmers fehlt.

 

Beispiel

Die Eheleute führen als Gesellschafter-Geschäftsführer eine mittelständische D-GmbH. In einer Gesellschafterversammlung wird das Thema "Unternehmensnachfolge" erörtert. Den in der Niederschrift beschlossenen Plan setzten die Eheleute einige Tage später mit Wirkung zum 1.1.2014 um. Danach übertrugen sie dem gemeinsamen Sohn G – einem Arzt – 74,6 % des Nennkapitals unentgeltlich, weitere jeweils 5,08 % erhielten jeweils fünf Angestellte. Auch diese erbrachten keine Gegenleistung. Der Vertrag sah lediglich ein Rückforderungsrecht für den Fall vor, dass die Beteiligten nicht die Verschonung gem. § 13a ErbStG erhalten.

Nach einer Lohnsteueraußenprüfung bei der GmbH erließ das FA bei den fünf genannten Angestellten geänderte Einkommensteuerbescheide für das Jahr 2014 und erfasste jeweils 5,08 % des gemeinen Wertes des Unternehmens der D-GmbH – ermittelt nach den Vorschriften des BewG – als Einkünfte i.S.d. § 19 EStG.

Das FG Sachsen-Anhalt kam m.E. zutreffend zu dem Ergebnis, dass die une...

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