Überblick und verfahrensrechtliche Aspekte
[Ohne Titel]
RD’in Ann-Erika Jörißen, LL.M Köln – Paris, Köln
Dieser Beitrag bietet einen Überblick über die derzeit allgegenwärtige Thematik der Doppelbesteuerung der Renten und enthält einige Praxistipps aus verfahrensrechtlicher Sicht. Zunächst werden die betroffenen Rentenarten definiert und deren einkommensteuerliche Relevanz sowie die hiergegen erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken dargelegt. Sodann wird ein Überblick über die aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung und die Erwartungen an den Gesetzgeber geboten. Schließlich werden die verfahrensrechtlichen Aspekte dieser Thematik abschließend beleuchtet und konkrete Handlungsempfehlungen für Steuerpflichtige und Steuerberater formuliert.
1. Die Basisversorgung
Nach dem sog. Drei-Schichten-Modell werden die Altersvorsorgeprodukte anhand ihrer Verwertbarkeit und steuerlicher Behandlung eingeordnet:
(1) Die Basisversorgung – der Kern der hier in Rede stehenden Thematik – besteht aus der gesetzlicher Rentenversicherung, den landwirtschaftlichen Alterskassen, den berufsständischen Versorgungseinrichtungen und der privaten Leibrentenversicherung in der Form der sog. Rürup-Rente.
(2) Die kapitalgedeckte Zusatzversorgung umfasst dagegen die betriebliche Altersversorgung und die sog. Riester-Rente.
(3) Schließlich existieren sonstige Vorsorgeprodukte, wie z.B. die klassischen privaten Rentenversicherungen oder auch die Kapitallebensversicherungen (Jörißen, StBW 2014, 586).
Allen Altersvorsorgeprodukten ist gemein, dass
- zunächst – typischerweise während der aktiven Erwerbsphase eines Menschen – die Alterssicherungsaufwendungen eingezahlt werden (sog. Ansparphase)
- und erst später, wenn der Mensch seine Rente antritt, die Altersbezüge tatsächlich ausgezahlt werden (sog. Auszahlungsphase).
Grundsätzlich ist die staatliche Förderung der Einzahlungen in der Ansparphase, insb. durch die Zulassung des entsprechenden Sonderausgabenabzuges, Grundlage für die Art und Weise der späteren Besteuerung in der Auszahlungsphase.
2. Einkommensteuerrechtliche Relevanz
Sonderausgabenabzug: Die Basisversorgung ist – sofern die Ansparphase betroffen ist – in § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG geregelt. Hiernach sind die Beiträge zu den gesetzlichen Rentenversicherungen, zur landwirtschaftlichen Alterskasse sowie zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen, die den gesetzlichen Rentenversicherungen vergleichbare Leistungen erbringen (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) sowie zu kapitalgedeckten Altersvorsorgeprodukten (sog. Rürup-Rente, § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG) als Sonderausgaben abziehbar (für detailliertere Ausführungen vgl. Jörißen, StBW 2014, 586).
Nachgelagerte Besteuerung: In der Auszahlungsphase ist die steuerliche Behandlung der Leibrenten und anderen Leistungen aus der Basisversorgung in § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG geregelt. Nach dem Grundsatz der nachgelagerten Besteuerung können Steuerpflichtige in ihrer aktiven Erwerbsphase ihre Alterssicherungsaufwendungen in größerem Umfang steuermindernd geltend machen, so dass die Altersvorsorge grundsätzlich aus steuerunbelastetem Einkommen aufgebaut wird. Im Gegenzug werden die Altersbezüge von Rentnern in der Auszahlungsphase in vollem Umfang besteuert. Der Übergang zur vollständigen Abziehbarkeit der Altersvorsorgeaufwendungen sowie zur spiegelbildlichen vollständigen nachgelagerten Besteuerung der Altersbezüge ist aktuell noch nicht abgeschlossen und erfolgt schrittweise im Rahmen einer Übergangsregelung. Für alle Steuerpflichtige, die bereits im VZ 2005 eine Rente aus der Basisversorgung bezogen haben, ist der steuerpflichtige Teil einheitlich auf 50 % festgelegt. Dies entspricht dem steuerfreien Arbeitgeberanteil zur gesetzlichen Rentenversicherung nach § 3 Nr. 62 EStG. Leibrenten und sonstige Leistungen aus der Basisversorgung werden innerhalb eines bis in das Jahr 2039 reichenden Übergangszeitraums in die vollständige nachgelagerte Besteuerung überführt. In der Übergangszeit bis zur vollständigen nachgelagerten Besteuerung unterliegt nur ein Teil der Leibrenten und Leistungen der Besteuerung (für detailliertere Ausführungen vgl. Jörißen, StBW 2014, 947).
3. Verfassungsrechtliche Bedenken
Gegen den Übergang zur nachgelagerten Besteuerung wurden und werden verfassungsrechtliche Bedenken erhoben. Die ersten Bedenken wurden vom BFH ausgeräumt, als er mit Urteil vom 26.11.2008 (BFH v. 26.11.2008 – X R 15/07, BStBl. II 2009, 710) entschied, dass der Gesetzgeber mit der Umstellung der Besteuerung der Alterseinkünfte auf die nachgelagerte Besteuerung die Grenzen seines Gestaltungsspielraums nicht überschritten habe. In den BFH-Urteilen vom 19.1.2010 und vom 4.2.2010 ging es bereits um eine verfassungsrechtlich unzulässige Doppelbesteuerung (BFH v. 19.1.2010 – X R 53/08, BStBl. II 2011, 567; v. 4.2.2010 – X R 58/08, BStBl. II 2011, 579). Die zur Alterssicherung geleisteten Beiträge seien bis einschließlich VZ 2004 nicht ausreichend steuerfrei gestellt ...