Die Regelungen in § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 der VO zu § 180 Abs. 2 AO ermöglichen eine gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen bei Gesamtobjekten. Ein Gesamtobjekt liegt vor, wenn Wirtschaftsgüter, Anlagen oder Einrichtungen mehreren Personen getrennt zuzurechnen sind und diese Personen bei der Planung, Herstellung, Erhaltung oder bei dem Erwerb dieser Wirtschaftsgüter, Anlagen oder Einrichtungen gleichartige Rechtsbeziehungen zu Dritten hergestellt oder unterhalten haben. Typische Anwendungsfälle in der Praxis sind Bauherren- und Erwerbergemeinschaften. Die Feststellungsbeteiligten haben hier ebenfalls keine gemeinsame, sondern jeweils eine individuelle Einkunftsquelle.
Die gesonderte Feststellung bei Gesamtobjekten ist – anders als die Feststellung nach § 180 Abs. 1 AO – in sachlicher und zeitlicher Hinsicht beschränkt. Sie umfasst keine bestimmten Einkünfte, sondern nur einen Teil der Besteuerungsgrundlagen, z.B. die Werbungskosten während der Bauphase oder auch die Bemessungsgrundlage der AfA. Da die gesonderte Feststellung nur erfolgt, soweit die Besteuerungsgrundlagen der Beteiligten auf gleichartigen Rechtsbeziehungen (z.B. auf einem gleichartigen Treuhand- oder Baubetreuungsvertrag) beruhen, wird sie seitens der Finanzverwaltung grundsätzlich auf den sog. vertraglichen Gesamtaufwand beschränkt (BMF v. 2.5.2001 – IV A 4 - S 0361 - 4/01, BStBl. I 2001, 256).
Gehören die fraglichen Wirtschaftsgüter, Anlagen oder Einrichtungen bei einzelnen Beteiligten zum Betriebsvermögen, erfolgt die gesonderte Feststellung insoweit – anders als in den Fällen des § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO bei sog. "Zebragesellschaften" – nach den für die fragliche Einkunftsart maßgeblichen Grundsätzen. Hat ein Beteiligter beispielsweise eine Eigentumswohnung innerhalb eines Bauherrenmodells seinem Betriebsvermögen zugeordnet (z.B. bei gewerblicher Vermietung als Ferienwohnung), sind die Besteuerungsgrundlagen insoweit nach Gewinnermittlungsgrundsätzen zu ermitteln. Wenn sich dabei Unterschiede aufgrund der verschiedenen Gewinnermittlungsmethoden (§ 4 Abs. 1, § 5 oder § 4 Abs. 3 EStG) ergeben, ist die gesonderte Feststellung entsprechend auf die für alle Gewinnermittlungsmethoden gleichen Bemessungsgrundlagen zu beschränken.
Beispiel:
Die G-GmbH hat eine Gesamtanlage von teils selbstgenutzten, teils vermieteten 100 Einfamilienhäusern auf 100 Parzellen für 100 verschiedene Bauherren errichtet. Jeder Bauherr hat die G-GmbH aufgrund gleichlautender Verträge mit dem Erwerb eines einzelnen Grundstücks und der Erstellung des Bauwerks einschließlich der Finanzierungs- und Betreuungskosten beauftragt. Ebenso wurde die G-GmbH von jedem einzelnen Bauherrn ermächtigt, alle mit dem Erwerb des einzelnen Grundstücks sowie mit der Bebauung, Betreuung und Finanzierung zusammenhängenden Verträge mit Dritten abzuschließen und die für die Durchführung notwendigen Maßnahmen zu treffen.
§ 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO findet bei einer solchen Fallkonstellation keine Anwendung. Bei Selbstnutzung findet keine Einkunftserzielung statt. Wenn Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gem. § 21 EStG erzielt werden, sind an den Einkünften nur jeweils eine und nicht mehrere Personen beteiligt, da keine gemeinsame Einkunftsquelle besteht. Aufgrund der Aufteilung in Einzelgrundstücke besteht weder eine Gesellschaft noch eine Gemeinschaft. § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 bzw. § 1 Abs. 1 S. 2 Buchst. a der VO zu § 180 Abs. 2 AO ermöglicht hier dennoch, die Besteuerungsgrundlagen gesondert und einheitlich festzustellen, weil mehrere Personen zumindest teilweise den gleichen Sachverhalt verwirklichen und sich auf diese Weise eine Vereinfachung und Vereinheitlichung des Besteuerungsverfahrens anbietet.