a) Gesetzliche Verzichtsfälle
Die Durchführung eines Feststellungsverfahrens dient der Erleichterung des Besteuerungsverfahrens. Daher soll, wenn sie weder erforderlich noch zweckmäßig ist, nach § 180 Abs. 3 AO auf sie verzichtet werden können. Das ist der Fall,
- wenn nur einer der Feststellungsbeteiligten mit den ihm zugerechneten Einkünften und Besteuerungsgrundlagen im Geltungsbereich der AO einkommen- oder körperschaftsteuerpflichtig ist (Nr. 1)
- oder wenn es sich um einen Fall von geringer Bedeutung handelt, insb., weil die Höhe des festgestellten Betrages und die Aufteilung feststehen (Nr. 2).
b) § 180 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 AO
Eine gesonderte Feststellung der gemeinschaftlich erzielten Einkünfte ist nicht erforderlich, wenn nur eine der an den Einkünften beteiligten Personen mit diesen Einkünften im Inland steuerpflichtig ist. In diesen Fällen erfolgt die Ermittlung und Beurteilung der anteiligen Einkünfte und Besteuerungsgrundlagen im "normalen" Veranlagungsverfahren des im Inland besteuerten Beteiligten. Die Einkünfte und Besteuerungsgrundlagen der übrigen, im Inland nicht steuerpflichtigen Beteiligten sind von den für sie zuständigen ausländischen Finanzbehörden zu ermitteln.
Beispiel:
Der in 2022 verstorbene Vater A hinterlässt seinen beiden Kindern X und Y festverzinsliche Wertpapiere und Sparguthaben bei inländischen Banken. X wohnt in Deutschland, Y in der Schweiz.
Die gemeinschaftlich erzielten Kapitaleinkünfte gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG sind lediglich bei X einkommensteuerpflichtig. Bei Y liegen gem. § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c EStG keine inländischen Einkünfte vor, so dass er nicht nach § 1 Abs. 4 EStG beschränkt einkommensteuerpflichtig ist. Eine einheitliche Feststellung ist nicht durchzuführen.
Darüber hinaus gilt § 180 Abs. 3 S. 1 AO entsprechend, wenn an einer ausländischen Personengesellschaft neben ausländischen Beteiligten lediglich eine inländische Personengesellschaft beteiligt. Ein gesondertes und einheitliches Feststellungsverfahren für die ausländische Personengesellschaft ist nicht erforderlich (BFH v. 4.11.2003 – VIII R 38/01, BFH/NV 2004, 1372 = AO-StB 2004, 344). Dies gilt jedoch nicht, soweit, wenn an der ausländischen Gesellschaft Personengesellschaften beteiligt sind, deren Gesellschafter Inländer sind (BFH v. 9.7.2003 – I R 5/03, BFH/NV 2004, 1).
c) § 180 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 AO
Gemäß § 180 Abs. 3 Nr. 2 AO soll eine gesonderte und einheitliche Feststellung in Fällen untergeordneter Bedeutung unterbleiben. Hierbei ist nicht die Höhe der Einkünfte oder Besteuerungsgrundlagen maßgeblich, sondern ob und inwieweit entweder eine ungleichmäßige Besteuerung oder aufwendige Ermittlungen in den Steuerfestsetzungsverfahren drohen. Ein Feststellungsverfahren soll danach unterbleiben, wenn der relevante Sachverhalt leicht überschaubar ist und die Feststellung zur Höhe und zur Aufteilung der Einkünfte und Besteuerungsgrundlagen keine Zweifel hervorrufen kann und auch keine späteren Änderungen, beispielsweise aufgrund einer Außenprüfung, zu erwarten sind (BFH v. 12.11.1985 – IX R 85/82, BStBl. II 1986, 239).
Eheleute: Die Voraussetzungen für ein Absehen von einer gesonderten und einheitlichen Feststellung nach § 180 Abs. 3 AO liegen häufig, aber nicht immer vor, wenn die Beteiligten als Ehepartner zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Wenn sich die Frage stellt, ob die Ehegatten Mitunternehmer i.S.d. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG sind, ist sie stets im Rahmen eines Feststellungsverfahrens zu entscheiden (BFH v. 1.7.2003 – VIII R 61/02, BFH/NV 2004, 27). Fälle von geringer Bedeutung, in denen gem. § 180 Abs. 3 Nr. 2 AO eine gesonderte Feststellung entfallen kann, sind in der Praxis oft bei Mieteinkünften von zusammenveranlagten Eheleuten (BFH v. 20.1.1976 – VIII R 253/71, BStBl. II 1976, 305) oder beim gemeinschaftlich erzielten Gewinn von Landwirten-Eheleuten (BFH v. 4.7.1985 – IV R 136/83, BStBl. II 1985, 576; AEAO zu § 180, Ziff. 4) gegeben, sofern die Einkünfte verhältnismäßig einfach zu ermitteln sind und auch die Aufteilung feststeht.
Beispiel 1
Die zusammenveranlagten Eheleute M und F vermieten fünf ihnen gemeinschaftlich gehörende und in einem Mehrfamilienhaus gelegenen Wohnungen. Die jährlichen Mieteinnahmen betragen 40.000 EUR.
In diesem Fall kann auf die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gem. § 180 Abs. 3 Nr. 2 AO verzichtet werden.
Beispiel 2
Die zusammenveranlagten Eheleute M und F erwerben in 2019 zu je ½ ein renovierungsbedürftiges Mehrfamilienhaus, das sie mit erheblichem Aufwand modernisieren, in fünf Eigentumswohnungen aufteilen und sodann vermieten. In Folge von Zahlungsschwierigkeiten verkaufen sie in 2022 und in 2023 jeweils 2 Eigentumswohnungen. Das FA hat bei den Einkommensteuerveranlagungen 2019 bis 2021 die Einkünfte laut Erklärung als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung behandelt und auf eine gesonderte und einheitliche Feststellung im Hinblick auf § 180 Abs. 3 Nr. 2 AO verzichtet.
Diese Vorgehensweise ist zwar zunächst zutreffend. Jedoch liegt durch die Grundstücksverkäufe (mehr als drei Eigentumswohnun...