Vom Grundsatz, wonach ein Feststellungsbescheid nach dem Eintritt der Feststellungsverjährung grundsätzlich nicht mehr ergehen darf, und auch nicht aufgehoben oder geändert werden kann, sieht § 181 Abs. 5 AO eine gewichtige Ausnahme vor. Hiernach kann eine gesonderte Feststellung auch nach Ablauf der für sie maßgeblichen Feststellungsfrist insoweit erfolgen, als sie hinsichtlich einer Steuerfestsetzung von Bedeutung ist, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Feststellungsbescheides noch nicht abgelaufen ist.
Die gesonderte Feststellung muss für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung sein. Die für diese Steuerfestsetzung geltende Festsetzungsfrist darf im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung nicht abgelaufen sein. Über den Wortlaut "Steuerfestsetzung" hinaus wendet die Rspr. diese Regelung aber auch entsprechend an, wenn die Feststellung für einen anderen Feststellungsbescheid von Bedeutung ist. Dementsprechend ist Abs. 5 auch im mehrstufigen Feststellungsverfahren anzuwenden; an die Stelle der Steuerfestsetzung tritt die gesonderte Feststellung der jeweils nachfolgenden Stufe (BFH v. 12.6.2002 – XI R 26/01, BStBl. II 2002, 681; v. 6.7.2005 – XI R 27/04, BFH/NV 2006, 16).
Beispiel:
Die Feststellungsfrist für die Durchführung der gesonderten und einheitlichen Feststellung des Gewinns einer KG für das Jahr 2017 ist mit dem 31.12.2022 abgelaufen. Sie kann im Jahr 2023 ausnahmsweise noch durchgeführt werden, wenn sie für die Besteuerung der Feststellungsbeteiligten von Bedeutung ist und die Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer 2017 der Feststellungsbeteiligten noch nicht abgelaufen ist.
Wenn die Festsetzungsfrist hinsichtlich der Einkommensteuer bei einem Teil der Feststellungsbeteiligten, aber nicht bei allen abgelaufen ist (dies geschieht in der Praxis häufig, weil die Feststellungsbeteiligte ihre Einkommensteuererklärungen in unterschiedlichen Jahren abgeben), kann eine einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung mit Wirkung für die Feststellungsbeteiligten mit noch offener Festsetzungsfrist auch noch nach Ablauf der Feststellungsfrist erfolgen. Nach Maßgabe der Rspr. kann eine einheitliche und gesonderte Feststellung selbst dann erfolgen, wenn bei einzelnen Feststellungsbeteiligten die Festsetzungsfrist für den Folgebescheid bereits abgelaufen ist. Die Möglichkeit der Steuerfestsetzung gegenüber einem Beteiligten genügt dementsprechend für den Erlass eines Feststellungsbescheides (BFH v. 27.8.1997 – XI R 72/96, BStBl. II 1997, 750; v. 23.9.1999 – IV R 56/98, BFHE 189, 351; v. 29.8.2000 – VIII R 33/98, BFH/NV 2001, 415).
Die gesonderte Feststellung kommt nur für oder gegen den oder diejenigen Feststellungsbeteiligten in Betracht, bei denen die Festsetzungs- oder Feststellungsfrist für den Folgebescheid noch nicht abgelaufen ist. Den Feststellungsbeteiligten, bei denen die Festsetzungs- oder Feststellungsfrist bereits abgelaufen ist, dürfen aus der auf der Grundlage des § 181 Abs. 5 AO erfolgten Feststellung keine Nachteile entstehen, z.B. wegen des formellen Bilanzzusammenhangs (BFH v. 23.9.1999 – IV R 56/98, BFH/NV 2000, 254; v. 20.12.2005 – III S 24/05, BFH/NV 2006, 486).