1. Allgemeine Feststellungsfrist
Ein Feststellungsbescheid darf nach dem Eintritt der Feststellungsverjährung grundsätzlich nicht mehr ergehen und auch nicht aufgehoben oder geändert werden.
Die reguläre Feststellungsfrist für gesonderte Feststellungen beträgt gem. § 181 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 169 Abs. 2 AO vier Jahre. Bei leichtfertiger Steuerverkürzung beträgt die Feststellungsfrist fünf Jahre, bei Steuerhinterziehung zehn Jahre. Sofern nicht kraft allgemeiner gesetzlicher Regelung oder nach Aufforderung des FA eine Feststellungserklärung abzugeben ist, beginnt die Feststellungsfrist mit Ablauf des Jahres, für das die Besteuerungsgrundlagen gesondert festgestellt werden (§ 170 Abs. 1 AO). Entsprechendes gilt, wenn die gesonderte Feststellung auf den Beginn oder das Ende eines bestimmten Jahres erfolgt. Bei Bestehen einer Erklärungspflicht greift die Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO. Die Feststellungsfrist beginnt danach mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Feststellungserklärung eingereicht wird, spätestens aber mit Ablauf des dritten Kalenderjahres nach dem Kalenderjahr, für das die Besteuerungsgrundlagen gesondert festgestellt werden.
Beispiele:
- Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb einer KG werden gem. § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO gesondert und einheitlich festgestellt. Die Feststellungserklärung für das Jahr 2020 wird im Jahr 2021 beim FA eingereicht. Die Feststellungsfrist von vier Jahren beginnt hier mit Ablauf des Jahres 2021 zu laufen und endet grundsätzlich mit Ablauf des Jahres 2025.
- Die KG hat keine Feststellungserklärung für das Jahr 2020 eingereicht. Die Feststellungsfrist für die Feststellung der Einkünfte des Jahres 2020 beginnt mit Ablauf des Jahres 2023 zu laufen und endet grundsätzlich mit Ablauf des Jahres 2027.
Die Feststellungsfrist ist mit Wirkung für und gegen alle Feststellungsbeteiligten gewahrt, wenn der Feststellungsbescheid auch nur einem Beteiligten gegenüber wirksam geworden ist. Allen anderen Beteiligten kann der Bescheid auch nach Fristablauf bekannt gegeben werden (BFH v. 27.4.1993 – VIII R 27/92, BStBl. II 1994, 3). Der Einspruch eines Beteiligten hemmt den Ablauf der Feststellungsfrist mit Wirkung für alle anderen Beteiligten. Dies gilt auch, wenn das FA den Bescheid bisher nur einem anderen Feststellungsbeteiligten bekannt gegeben hat (BFH v. 13.9.1994 – IX R 89/90, BStBl. II 1995, 39). Sind die Besteuerungsgrundlagen innerhalb der Feststellungsfrist festgestellt worden, kann das FA das Ergebnis der Feststellung bis zum Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Feststellungsbescheides bei der Einkommensteuer der Gesellschafter berücksichtigen (vgl. § 171 Abs. 10 AO). Dies gilt auch, wenn die Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer an sich bereits abgelaufen wäre (BFH v. 12.8.1987 – II R 202/84, BStBl. II 1988, 318).
2. Feststellungsfrist für die Einheitsbewertung
Für die gesonderte Feststellung von Einheitswerten oder Grundsteuerwerten sieht § 181 Abs. 3 AO eine Sonderregelung vor. Die Feststellungsfrist beginnt jeweils mit Ablauf des Kalenderjahres, auf dessen Beginn die Hauptfeststellung, Fortschreibung, Nachfeststellung oder die Aufhebung eines Einheitswerts oder eines Grundsteuerwerts vorzunehmen ist. Bei Erklärungspflicht gilt gem. § 181 Abs. 3 S. 2 AO eine dem § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO nachgebildete Anlaufhemmung. Diese bezieht sich aber nur auf den ersten Feststellungszeitpunkt, für den der Einheitswert festgestellt oder aufgehoben wird. Dabei kann es sich aber nicht nur um den Hauptfeststellungszeitpunkt handeln, sondern auch um Fälle, in denen eine Erklärung auf einen Nachfeststellungs- oder Fortschreibungszeitpunkt abzugeben ist. Nach § 181 Abs. 3 S. 3 AO wird der Beginn der Feststellungsfrist für die folgenden Feststellungszeitpunkte des Hauptfeststellungszeitraums im gleichen Maße hinausgeschoben wie die Feststellungsfrist für die Feststellung auf dem Zeitpunkt, hinsichtlich dessen aufgrund der Erklärungspflicht die Anlaufhemmung nach § 183 Abs. 3 S. 2 AO hinausgeschoben wird ("Domino-Effekt"). Die Feststellungsfrist beginnt gem. § 181 Abs. 4 AO in diesen Fällen nicht vor Ablauf des Kalenderjahres, auf dessen Beginn der Einheitswert oder der Grundsteuerwert erstmals steuerlich anzuwenden ist.
3. Zulässigkeit einer gesonderten Feststellung nach Ablauf der Feststellungsfrist
a) Voraussetzungen
Vom Grundsatz, wonach ein Feststellungsbescheid nach dem Eintritt der Feststellungsverjährung grundsätzlich nicht mehr ergehen darf, und auch nicht aufgehoben oder geändert werden kann, sieht § 181 Abs. 5 AO eine gewichtige Ausnahme vor. Hiernach kann eine gesonderte Feststellung auch nach Ablauf der für sie maßgeblichen Feststellungsfrist insoweit erfolgen, als sie hinsichtlich einer Steuerfestsetzung von Bedeutung ist, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Feststellungsbescheides noch nicht abgelaufen ist.
Die gesonderte Feststellung muss für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung sein. Die für diese Steuerfestsetzung geltende Festsetzungsfrist darf im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung nicht abgelaufen sein. Über den Wortlaut "Steuerfestsetzung" hinaus wendet die Rspr. diese Regelung aber auch entsprechen...