[Ohne Titel]
Dr. Matthias Gehm
Der BFH hat entschieden, dass sich bei der Haftung nach § 69 AO ein GmbH-Geschäftsführer nicht darauf berufen kann, er sei aufgrund seiner Vorbildung nicht in der Lage gewesen, sich um die steuerlichen Belange der GmbH zu kümmern. Sein Verschulden liege dann bereits darin, trotz persönlichen Defizite die Position eines Geschäftsführers angetreten zu haben. Der Beitrag legt praxisrelevante Eckpunkte der GmbH-Geschäftsführerhaftung dar.
1. Einleitung
Der BFH hat unlängst mit Beschluss v. 15.11.2022 (BFH v. 15.11.2022 – VII R 23/19, BB 2023, 661 = AO-StB 2023, 131 [Bick]) entschieden, dass bei der verschuldensabhängigen Haftung nach § 69 AO (Haftung der Vertreter) sich ein GmbH-Geschäftsführer nicht darauf berufen kann, er sei aufgrund seiner Vorbildung nicht in der Lage gewesen, sich um die steuerlichen Belange der GmbH zu kümmern. Vielmehr liege sein Verschulden dann bereits darin, dass er trotz dieser persönlichen Defizite die Position eines Geschäftsführers angetreten habe. In der Praxis werden meistens Geschäftsführer von GmbHs von dieser Haftung erfasst, da sie gesetzliche Vertreter ihrer GmbH nach § 34 Abs. 1 AO i.V.m. § 35 Abs. 1 S. 1 GmbHG sind. Insofern wird dieser Haftungstatbestand auch als die Haftung des GmbH-Geschäftsführers bezeichnet (vgl. Britz, Die Haftung des Geschäftsführers für Steuerschulden der GmbH, 2. Aufl. 2002), auch wenn § 69 AO generell gesetzliche Vertreter und Vermögensverwalter nach § 34 AO aber auch Verfügungsberechtigte gem. § 35 AO als Haftungsschuldner einschließt. Der Beitrag will praxisrelevante Eckpunkte dieser Haftung im Bereich der GmbH-Geschäftsführer darlegen.
2. Haftungsschuldner
Haftung nach § 69 AO bedeutet das Einstehenmüssen für die Schuld eines Dritten, so dass sich Haftungs- und Steuerschuldnerschaft gegenseitig ausschließen (BFH v. 8.3.2022 – VI R 19/20, BStBl. II 2022, 633; BFH v. 23.6.2020 – VII R 56/18, BFH/NV 2021, 217 = AO-StB 2021, 7 (Tormöhlen); BFH v. 2.10.2017 – BFH v. 24.10.2017 – VII B 99/17, BFH/NV 2018, 933; BFH v. 21.6.2022 – VIII R 26/19, BStBl. II 2023, 210 = AO-StB 2022, 375 (Gehm)). Insoweit unterscheidet sich der zivilrechtliche Haftungsbegriff vom steuerlichen.
Ein GmbH-Geschäftsführer ist als gesetzlicher Vertreter seiner GmbH Haftungsschuldner für die Steuerschulden der GmbH. Unerheblich ist dabei, wenn er denn ordnungsgemäß bestellt worden ist, ob er nur als Strohmann tätig geworden ist (BFH v. 15.11.2022 – VII R 23/19, BB 2023, 661).
Somit haftet auch derjenige, der faktisch gar keinen Einfluss auf die Erfüllung der steuerlichen Pflichten der GmbH nimmt bzw. nehmen kann. Will er dieser Haftung entgehen, muss er sein Amt niederlegen (FG Münster v. 12.8.2022 – 4 K 1469/20 U, EFG 2022, 1797). Dabei wird bei Kenntnis um die mangelnde Einflussnahmemöglichkeit bei Antreten der Geschäftsführerposition von einem Übernahmeverschulden ausgegangen (FG Münster v. 19.12.2022 – 4 K 1158/20 L, StB 2023, 65, Rev. beim BFH unter VII R 4/23).
Allerdings entfällt die Haftung dann nach § 36 AO für ihn nicht rückwirkend, sondern erst ab dem Zeitpunkt, zu dem seine Vertreterstellung endet (FG Münster v. 19.12.2022 – 4 K 1158/20 L, StB 2023, 65, Rev. beim BFH unter VII R 4/23; FG Düsseldorf v. 7.3.2023 – 7 K 883/20 H, BeckRS 2023, 4432). Bei der Beendigung wie der Bestellung zum Geschäftsführer hat die Eintragung ins Handelsregister nur deklaratorische Bedeutung, so dass es regelmäßig auf den Zeitpunkt eines entsprechenden Gesellschafterbeschlusses ankommt (FG Düsseldorf v. 18.11.2022 – 3 K 590/21 H, EFG 2023, 169). Zudem soll die Bestellung eines zunächst wirksam bestellten Geschäftsführers aufgrund einer rechtskräftigen Verurteilung wegen einer Straftat nach § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 Buchst. a GmbHG kraft Gesetzes die Geschäftsführerstellung und somit die Haftung nach § 69 AO entfallen (FG Münster v. 19.12.2022 – 4 K 1158/20 L, StB 2023, 65, Rev. beim BFH unter VII R 4/23).
Da faktische Geschäftsführer Verfügungsberechtigte i.S.v. § 35 AO sind, haften sie allerdings auch gem. § 69 AO (Kohler in Zugmaier/Nöcker, AO, § 35 Rz. 6 [Stand 1.2.2023] und § 69 Rz. 9 [Stand 1.3.2023]).
Insofern steht dann die Haftung des Strohmannes ggf. neben der des faktischen Geschäftsführers. Ob beide oder nur einer von ihnen in Haftung genommen wird, ist eine Frage der Ermessensausübung (FG Münster v. 12.8.2022 – 4 K 1469/20 U, EFG 2022, 1797; FG Münster v. 19.12.2022 – 4 K 1158/20 L, StB 2023, 65, Rev. beim BFH unter VII R 4/23; BFH v. 11.3.2004 – VII R 52/02, BStBl. II 2004, 579 = AO-StB 2004, 244). Prüft die Finanzverwaltung jedoch nicht einmal die Inanspruchnahme des faktischen Geschäftsführers, ist dies ermessensfehlerhaft (Hess. FG v. 23.2.2022 – 6 V 1556/21, BeckRS 2022, 30022).
In diesem Zusammenhang gilt, dass "bei mehreren Haftungsschuldne...