1. Schenkungsteuerpflicht nach § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG
Für eine Anwendung von § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG auf die KGaA spricht der Grundsatz der Maßgeblichkeit des Zivilrechts für das Erbschaftsteuerrecht (Meincke/Hannes/Holtz, ErbStG, 18. Aufl. 2021, Einf. Rz. 13; Crezelius, Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer in zivilrechtlicher Sicht, 1979, S. 37). Das Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht knüpft Steuerfolgen an einen Vermögensanfall an, dessen Voraussetzungen es nicht selbst bestimmt, sondern dem Zivilrecht entnimmt (BFH v. 26.11.1987 – II R 190/81, BStBl. II 1987, 175; Meincke/Hannes/Holtz, ErbStG, 18. Aufl. 2000, Einf. Rz. 13). Soweit es nicht um die Voraussetzungen des Vermögenserwerbs geht, besteht zwar keine strikte Abhängigkeit des Erbschaftsteuerrechts vom Zivilrecht (Meincke/Hannes/Holtz, ErbStG, 18. Aufl. 2021, Einf. Rz. 13). Eine vom Zivilrecht abweichende Beurteilung eines erbschaftsteuerrechtlichen Begriffs kommt aber nur aus triftigen Gründen in Betracht (BVerfG v. 25.7.1968 – 1 BvR 58/67, BVerfGE 13, 331 [340]; BVerfG v. 24.1.1962 – 1 BvR 845/58, BVerfGE 24, 112 [117 f.]; Meincke/Hannes/Holtz, ErbStG, 18. Aufl. 2021, Einf. Rz. 13). Es besteht eine grundsätzliche Vermutung dafür, dass von erbschaftsteuerlichen Tatbeständen verwandte Begriffe des Zivilrechts genauso zu verstehen sind, wie sie auch im Zivilrecht verstanden werden (Meincke/Hannes/Holtz, ErbStG, 18. Aufl. 2021, Einf. Rz. 13; Meincke, StuW 1992, 188).
Im Zivilrecht ist aber völlig unstreitig, dass eine KGaA eine Kapital- und keine Personengesellschaft ist (Koch, 17. Aufl. 2023, § 1 Rz. 4, § 278 Rz. 4; Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 42. Aufl. 2023, § 6 Rz. 1, 3; Bachmann in Spindler/Stilz, AktG, 5. Aufl. 2022, § 278 Rz. 14; K. Schmidt in K. Schmidt/Lutter, 4. Aufl. 2020, § 278 AktG Rz. 1; K. Schmidt in MünchKomm/HGB, 4. Aufl. 2020, § 1 HGB Rz. 40; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 972). Dies ergibt sich zunächst aus der Gesetzesüberschrift vor den §§ 264 ff. HGB ("Ergänzende Vorschriften für Kapitalgesellschaften zur Rechnungslegung; AG, KGaA und GmbH") und der Regelung des UmwG zu den verschmelzungsfähigen Rechtsträgern. § 3 Abs. 1 Nr. 2 UmwG bestimmt dass Kapitalgesellschaften verschmelzungsfähig sind und nennt als Beispiele für verschmelzungsfähige Kapitalgesellschaften "GmbH, AG, KGaA". Weitergehend geht der Gesetzgeber des UmwG in § 78 Satz 4 UmwG davon aus, dass AG und KGaA im Verhältnis zueinander nicht als Rechtsträger anderer Rechtsformen gelten. Vielmehr soll es sich sowohl bei der AG als auch der KGaA gleichermaßen um Kapitalgesellschaften handeln (Wachter, DB 2019, 1167 [1171]).
Auch im Steuerrecht wird die KGaA generell als Kapitalgesellschaft eingestuft (BFH v. 27.4.2005 – II B 76/04, BFH/NV, 2005, 1627; BFH v. 21.6.1989 – X R 14/88, BStBl. II 1989, 881). So gehören zu den Kapitalgesellschaften gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG, die SE, die AG, die GmbH und die KGaA. Eine nahezu gleichlautende Definition findet sich in § 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG. Auch in § 9 Abs. 1 Nr. 1 KStG wird in Zusammenhang mit den abziehbaren Aufwendungen von der KGaA und vergleichbaren Kapitalgesellschaften gesprochen. Bei der körperschaftsteuerlichen Organschaft kommt die KGaA (§ 14 Abs. 1 KStG) neben anderen Kapitalgesellschaften (§ 17 Abs. 1 Satz 1 KStG) als Organträger in Betracht (Wachter, DB 2019, 1167 [1171 f.]). Nichts anderes ergibt sich aus § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG, der den Komplementär teilweise einem Mitunternehmer gleichstellt. Die gesetzliche Fiktion betrifft die Besteuerung eines Gesellschafters, ändert aber die Rechtsnatur der Gesellschaft nicht (Wachter, DB 2019, 1167 [1172]).
Für eine Einstufung der Beteiligung eines Komplementärs als Anteil an einer Kapitalgesellschaft i.S.v. § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG spricht weiterhin, dass eine einschränkende Gesetzesauslegung der vom Gesetzgeber mit der Einfügung von § 7 Abs. 8 ErbStG in das ErbStG verfolgten Zielsetzung nicht gerecht wird. Diese bestand in der Schließung der durch Rspr. des BFH entstandenen Gesetzeslücke, die bei Zuwendungen an Kapitalgesellschaften eine Anwendung von § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ablehnte. Die vom Gesetzgeber erkannten Gesetzeslücken können nur dann geschlossen werden, wenn § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG bei allen Kapitalgesellschaften eingreift. Der Gesetzgeber wollte eine Umgehung der Schenkungsteuer generell untersagen. Dass die KGaA in § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG nicht ausdrücklich erwähnt wird, ändert daran nichts (Wachter, DB 2019, 1167 [1173]). Die teleologische Auslegung ist gegenüber anderen Auslegungsmethoden vorrangig (Grüneberg in Grüneberg, BGB, 82. Aufl. 2023, Einl. Rz. 46), so dass der Verweis des FG Hamburg auf Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte der Norm unbehelflich ist.
Ist die KGaA auch im Steuerrecht grundsätzlich als Kapitalgesellschaft anzusehen, dann stellt sich die Frage, ob nicht speziell im Hinblick auf § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG etwas anderes zu gelten hat. Dies könnte sich daraus ergeben, dass der Komplementär einer KGaA nach § 278 Abs. 2 AktG, §§ 161, 128 ff. HGB anders als der ...