Konsequenzen und Haftungsrisiken für Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Geschäftsführer und Insolvenzverwalter!

[Ohne Titel]

Dr. Stephan Peters[*]

Gerät ein Unternehmen in wirtschaftliche Schieflage und kommt es im weiteren Verlauf zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, kann dies auch Auswirkungen auf das im Rahmen des Lohnsteuerabzugsverfahrens bestehende Dreiecksverhältnis aus Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Finanzverwaltung haben. Der Beitrag skizziert die lohnsteuerlichen Folgen der Unternehmensinsolvenz während des sog. vorläufigen Insolvenzverfahrens und nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Dabei werden die für Berater, Arbeitgeber und Arbeitnehmer maßgeblichen Problemschwerpunkte dargestellt und Risiken aufgezeigt.

[*] Der Autor unterrichtet an der Hochschule für Finanzen NRW. Der Beitrag wurde nicht in dienstlicher Eigenschaft verfasst.

I. Vorüberlegungen

Unternehmensinsolvenzen ...: Waren Meldungen über Unternehmensinsolvenzen in den vergangenen Jahren eher Randnotizen, ist die Berichterstattung über Insolvenzen infolge der wirtschaftlichen Entwicklung zuletzt wieder in den Vordergrund gerückt. Lange war die Zahl der Insolvenzen stark rückläufig. Zählte das Statistische Bundesamt im Jahr 2019 noch 18.749 Unternehmensinsolvenzen, lag die Zahl der Insolvenzen im Jahr 2021 bei nur noch 13.993.[1]

... und Folgen für das Arbeitsverhältnis: Kommt es zur Insolvenz eines Unternehmens, betrifft diese regelmäßig auch Arbeitnehmer. Alleine im Mai 2022 waren 6.944 Arbeitnehmer von Insolvenzen betroffen.[2] Dabei ergeben sich vielfältige Fragestellungen für

  • Unternehmer,
  • Geschäftsführer,
  • Insolvenzverwalter.

In diesem Beitrag werden die Auswirkungen des Insolvenzverfahrens auf

  • Arbeitsverhältnisse und
  • die Pflicht des Arbeitgebers zum LSt-Einbehalt

skizziert. Zudem werden Haftungsrisiken für Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie die Auswirkungen auf die Anrechnung von einbehaltener LSt im ESt-Veranlagungsverfahren dargestellt.

[1] Statistisches Bundesamt, destatis.de, Insolvenzen von Unternehmen und Übrigen Schuldnern – Statistisches Bundesamt (destatis.de).
[2] Statistisches Bundesamt, Fachserie 2, Reihe 4.1, 05/2022, S. 9.

II. LSt-Abzug und LSt-Anrechnung

Erzielen Steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, wird die ESt gem. § 38 Abs. 1 S. 1 EStG durch Abzug vom Arbeitslohn erhoben. Bei der LSt handelt es sich nicht um eine besondere Steuerart, sondern um eine besondere Form der Erhebung der ESt.[3]

[3] Küch in Lippross/Seibel, Basiskommentar Steuerrecht, § 38 Erhebung der Lohnsteuer, Rz. 1 (11/2022).

1. Dreiecksverhältnis

Schuldner der LSt ist gem. § 38 Abs. 2 S. 1 EStG der Arbeitnehmer. Verpflichtet zum Einbehalt und zur Abführung ist gem. § 38 Abs. 3, § 41a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG der Arbeitgeber. In dieser Funktion wird der Arbeitgeber Steuerpflichtiger i.S.d. § 33 AO.[4] Es entsteht ein Dreiecksverhältnis zwischen

  • Finanzverwaltung,
  • Arbeitgeber und
  • Arbeitnehmer.

Für den Arbeitgeber wird somit

  • neben dem zivilrechtlichen Arbeitsverhältnis
  • eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung

etabliert. Wenngleich diese verpflichtende Inanspruchnahme des Arbeitgebers zum Einbehalt der LSt in der Literatur vereinzelt auf Kritik[5] stößt, gibt es gegenwärtig keine Diskussionen, das aktuelle System zu verändern. Beachten Sie: Durch zivilrechtliche Vereinbarungen können diese Vorschriften nicht abbedungen werden.[6]

Verpflichtungen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer: Während der Arbeitgeber die LSt vom Bruttolohn einzubehalten hat, ist der Arbeitnehmer zur Duldung dieses Einbehalts verpflichtet. Der Arbeitnehmer hat mit der bloßen Duldung zum Einbehalt bereits seine Pflichten erfüllt.[7] Der Arbeitgeber hingegen ist zum Einbehalt und zur Abführung der einbehaltenen LSt verpflichtet.

Beachten Sie: Da Arbeitnehmer und Arbeitgeber nebeneinander im LSt-Abzugsverfahren nicht dieselbe Leistung schulden, sind sie auch keine Gesamtschuldner gem. § 44 Abs. 1 S. 1 AO.[8]

[4] Küch in Lippross/Seibel, Basiskommentar Steuerrecht, § 38 Erhebung der Lohnsteuer, Rz. 2 (11/2022).
[5] G. Kirchhof, FR 2015, 773.
[6] Krüger in Schmidt, EStG, 41. Aufl.2022, § 38 Rz. 13.
[7] Eisgruber in Kirchhof/Seer, EStG, 21. Aufl. 2022, § 38 Erhebung der Lohnsteuer, Rz. 17.
[8] Vgl. Heuermann, StuW 1999, 349.

2. Pflichtverletzung des Arbeitgebers

Haftungsinanspruchnahme des Arbeitgebers: Verletzt der Arbeitgeber seine Pflicht

  • zum Einbehalt der LSt und
  • zur Abführung der LSt,

kann er gem. § 42d Abs. 1 EStG in Haftung genommen werden. Beachten Sie: In diesen Fällen kann es in Ausnahmefällen auch zu einer gesamtschuldnerischen Haftung von Arbeitnehmer und Arbeitgeber kommen, da neben dem Arbeitgeber auch der Arbeitnehmer in Haftung genommen werden kann (§ 42d Abs. 3 S. 1 EStG).

Haftungsinanspruchnahme des Arbeitnehmers: In Anspruch genommen werden darf der Arbeitnehmer indes nur,

Praktisch kommt der ersten Variante die größte Bedeutung zu. Hat der Arbe...

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