Leitsatz
Wird Kindergeld zu Unrecht an den Kindesvater gezahlt, stellt dessen bloße Verletzung der Mitwirkungspflicht nach § 68 EStG bei Weiterleitung des Kindergeldes an die vorrangig kindergeldberechtigte Kindesmutter dann keine leichtfertige Steuerverkürzung nach § 378 Abs. 1 AO dar, wenn die Kindesmutter ausdrücklich den Kindergeldbezug durch den Kindesvater gewünscht hat.
Sachverhalt
Der Kläger erhielt laufend Kindergeld für seinen Sohn bis einschließlich August 2011. Nach dem die Familienkasse (FK) Kenntnis davon erlangt hatte, dass der Sohn im Haushalt der Mutter lebte, hob sie die Kindergeldfestsetzung ab 1.10.2001 bis 31.8.2011 auf und forderte das überzahlte Kindergeld zurück, da die Mutter vorrangig kindergeldberechtigt sei. Mit seinem Einspruch machte der Kläger geltend, dass er das Kindergeld von Anfang 2001 bis August 2011 an die Kindesmutter weitergeleitet habe. Er legte hierzu eine Weiterleitungserklärung der Kindesmutter bei, indem diese die Weiterleitung des Kindergeldes an sie bestätigte. Die FK wies den Einspruch für den Zeitraum 1.10.2011 bis 31.12.2006 zurück, da für die Kindesmutter gem. § 169 AO frühestens ab 1.1.2007 Kindergeld festgesetzt werden könne, und sie dadurch auch nur für die Zeit ab 1.1.2007 ihren Anspruch auf Kindergeld als erfüllt ansehen könne und nur in dieser Höhe verzichten könne. Mit seiner Klage trägt der Kläger vor, dass das Getrenntleben für die Rückforderung nicht ausreichend sei. Ein Steuerhinterziehungstatbestand oder eine Rückforderung sei lediglich bei einer Doppelzahlung möglich. Vorliegend sei jedoch nur ein einmaliger Betrag an Kindergeld ausgezahlt worden. Die Auszahlung sei gem. § 64 Abs. 1 EStG an einem Berechtigten erfolgt, und die Zahlung sei an die Kindesmutter weitergeleitet worden.
Entscheidung
Nach Auffassung des FG war die FK nicht berechtigt, die Kindergeldfestsetzung für den genannten Zeitraum aufzuheben, denn insoweit ist nach § 169 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO Festsetzungsverjährung eingetreten und die FK an einer Aufhebung der Kindergeldfestsetzung und der entsprechenden Rückforderung gehindert. Ein Fall der Anlaufhemmung i.S.d. § 170 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO liegt nicht vor, da die Verpflichtung zur Mitteilung der Weiterleitung des Kindergeldes nach § 68 EStG keine Anzeige i.S.d. § 170 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ist. Eine Verlängerung der Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO kommt hier nicht in Frage, weil keine Steuerhinterziehung nach § 370 AO und auch keine leichtfertige Steuerverkürzung nach § 378 AO vorliegt.
Hinweis
Das rechtskräftige Urteil des FG zeigt, dass gerade in Sachen des Verfahrensrechtes nicht jede Entscheidung der FK akzeptiert werden sollte.
Link zur Entscheidung
FG Hamburg, Urteil vom 18.06.2012, 6 K 41/12