Die Frage der passiven Entstrickung im Kontext des § 4 Abs. 1 S. 3 EStG hatte des FG Münster erstmals im Urteil vom 10.8.2022 vor dem Hintergrund der Änderung des spanischen DBA zu beurteilen. Im Kontext der vorgenannten Ratifizierung des DBA Spanien hatte bereits zuvor das FG Köln zur Frage der passiven Entstrickung im Kontext des § 6 AStG zu entscheiden, konnte jedoch diese Rechtsfrage im konkreten Urteilssachverhalt dahingestellt lassen.
1. Urteilssachverhalt
In dem vom FG Münster zu entscheidenden Fall hielten die Kommanditisten einer im deutschen Inland ansässigen KG (Klägerin) Anteile an einer spanischen Kapitalgesellschaft in der Rechtform der "Sociedad de responsabilidad limitada" in deren Sonder-Betriebsvermögen (Sonder-BV) II. Einer der Kommanditisten war im Streitjahr in Deutschland wohnhaft – und folglich dort unbeschränkt steuerpflichtig –, während der andere Kommanditist seinen Wohnsitz in der Schweiz hatte und mit seiner Kommanditbeteiligung an der inländischen Klägerin der beschränkten Steuerpflicht in Deutschland unterlag.
Zum 18.10.2012 trat ein neues DBA Spanien in Kraft, in welchem in Art. 13 Abs. 2 DBA Spanien erstmalig eine sog. Immobilienklausel verankert wurde: danach können Veräußerungsgewinne aus Beteiligungen, deren Aktivvermögen zu mindestens 50 % aus unbeweglichem Vermögen besteht, auch in dem Belegenheitsstaat der Immobilie besteuert werden. Die sich hieraus ergebende Doppelbesteuerung soll durch die Anrechnung der Steuer im Wohnsitzstaat vermieden werden (Art. 22 Abs. 2 lit. b, ii DBA Spanien).
Die in Rede stehende Kapitalgesellschaft – deren Anteile im jeweiligen Sonder-BV II bilanziert wurden – qualifizierte im Zeitpunkt des Inkrafttretens des überholten DBA Spanien als sog. Grundstückskapitalgesellschaft, da ihr Aktivvermögen im zu beurteilenden Streitjahr zu 58,89 % aus in Spanien belegenem unbeweglichem Vermögen bestand.
Die Finanzverwaltung vertrat die Auffassung, dass die Neuregelung des Art. 13 Abs. 2 DBA Spanien eine passive Entstrickung der in den Anteilen ruhenden stillen Reserven zum 1.1.2013 auslöse. Daher gelte der Gesellschaftsanteil des in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtigen Kommanditisten als nach § 4 Abs. 1 S. 3 EStG fiktiv entnommen. In der Folge unterwarf das FA den Entnahmegewinn in Höhe der stillen Reserven dem Teileinkünfteverfahren nach § 3 Nr. 40 lit. a EStG und rechnete diesen dem vorstehenden Kommanditisten zu. Die Bildung eines Ausgleichspostens nach § 4g EStG sowie eine (zinslose) Stundung der Steuerforderung wurden seitens der Finanzverwaltung (zunächst) verneint.
Die KG reichte schließlich Klage ein. Diese richtete sich gegen die Feststellung der Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetrieb im Kontext der Entnahme als Reflex der passiven Entstrickung.
2. Entscheidung des FG
Mit Urteil vom 10.8.2022 gab das FG Münster der Klage statt – die Änderung eines DBA könne nicht zur Verwirklichung des Entstrickungstatbestandes nach § 4 Abs. 1 S. 3 EStG führen. Im Kern verfolgt dabei die finanzgerichtliche Instanz die nachfolgenden Argumentationslinien.
a) Gefährdung des Besteuerungsrechts ausreichend?
Kann Änderung des DBA überhaupt Ausschluss bzw. Beschränkung des Besteuerungsrechtes bewirken? Allem voran beschäftigt sich das FG mit der Frage, ob überhaupt der in § 4 Abs. 1 S. 3 EStG geforderte Ausschluss bzw. die Beschränkung des Besteuerungsrechtes durch die Änderung des DBA Spanien eingetreten sein kann.
Zur Begründung führte das FG zunächst an, dass die Neufassung des DBA Spanien und der damit verbundene Wechsel vom ausschließlichen Besteuerungsrecht hin zu einer Besteuerung unter Anrechnung einer ausländischen Steuer nicht zu einem Ausschluss des deutschen Besteuerungsrechts führe – schließlich dürfe der deutsche Fiskus im Falle der Veräußerung weiterhin an dem Besteuerungssubstrat partizipieren.
Auch eine für steuerliche Zwecke gleich zu behandelnde Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts sieht das FG Münster kritisch, da durch das Inkrafttreten des überholten DBA Spanien keine...