Nina Lenz-Brendel, Julia Roglmeier
Wie oben dargestellt, benötigt der Betreuer die Genehmigung des Betreuungsgerichts in den in § 1829 Abs. 1 und 2 BGB genannten Fällen. Nach § 1829 Abs. 4 BGB ist diese Genehmigung entbehrlich, wenn zwischen Arzt und Betreuer Einigkeit darüber besteht, dass die Einwilligung, Nichteinwilligung oder der Widerruf der Einwilligung dem Patientenwillen entsprechen. § 1829 Abs. 4 BGB enthält eine rechtsförmliche Änderung, die letztendlich wohl auf die Entscheidung des BGH vom 17.03.2003 zurückgeht.
Der BGH hatte seinerzeit entschieden, dass ein Betreuer für die Verweigerung seiner Einwilligung in eine von den Ärzten angebotene lebensverlängernde oder -erhaltende Maßnahme die Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes (jetzt: Betreuungsgericht) benötigt. Eine Genehmigung war nach Ansicht des BGH jedoch dann nicht erforderlich, wenn zwischen Arzt und Betreuer Einigkeit besteht.
Nach Auffassung des Gesetzgebers ist in Fällen, in denen sich Arzt und Betreuer einig sind, eine weitere Kontrollinstanz durch Einschaltung des Betreuungsgerichtes nicht erforderlich. Denn das Einvernehmen von Arzt und Betreuer impliziert, dass eine gegenseitige Kontrolle der Entscheidungsfindung stattgefunden hat.
Besteht zwischen Arzt und Betreuer in dem nach § 1828 BGB zu führenden Gespräch Einvernehmen darüber, dass die Erteilung, die Verweigerung oder der Widerruf der Einwilligung des Betreuers in eine lebenserhaltende ärztliche Behandlung (künstliche Ernährung mittels Ernährungssonde) dem in einer Patientenverfügung niedergelegten Willen des Betroffenen entspricht, und schaltet der Betreuer gleichwohl das Betreuungsgericht ein, so hat dieses lediglich auszusprechen, dass die Genehmigungsbedürftigkeit gemäß § 1829 Abs. 4 BGB nicht besteht (sog. Negativattest). Vor Erteilung des Negativattestes hat aber das Betreuungsgericht zu Vermeidung eines Missbrauchs zu prüfen, ob zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass bei dem Betroffenen ein irreversibles Grundleiden mit tödlichen Verlauf – sei es auch noch ohne Todesnähe – besteht, und die Auslegung der Patientenverfügung in dem vom Betreuer und dem behandelnden Arzt verstandenen Sinne jedenfalls vertretbar erscheint.
Bereits früher wurde kritisiert, dass ohne Einschaltung des Gerichts die Gefahr des Missbrauchs besteht, wenn Arzt und Betreuer rechtsmissbräuchlich zusammenwirken. Dem hält der Gesetzgeber zu Recht entgegen, dass ein generalisierender Missbrauchsverdacht gegen den behandelnden Arzt und den Betreuer jeder Grundlage entbehre und im Übrigen Entscheidungen zum Nachteil des Betreuten dadurch wirksam begegnet werde, dass jeder Dritte, insbesondere der Ehegatte, Lebenspartner, Verwandte sowie sonstige Vertrauenspersonen jederzeit eine betreuungsgerichtliche Kontrolle der Betreuerentscheidung in Gang setzen kann. Es würde zudem einen nicht gerechtfertigten Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht des betreuten Patienten darstellen, wenn die Umsetzung seines Willens durch Einschaltung des Gerichtes und mehrere Instanzenzüge verzögert würde. Das Ergebnis wäre, dass die vorgesehenen ärztlichen Maßnahmen zunächst nicht eingeleitet werden könnten bzw. die ärztliche Behandlung weitergeführt werden müsste, obwohl ein entgegengesetzter Wille des Patienten feststeht. Zudem sind die Ärzte verpflichtet, das Einvernehmen mit dem Betreuer über den Behandlungswillen des Patienten zu dokumentieren. Eine gesonderte gesetzliche Regelung insoweit war nicht erforderlich.
Die Dokumentationspflicht der Ärzte ergibt sich aus § 10 der Musterberufsordnung für die deutschen Ärztinnen und Ärzte.