1. Präklusionswirkung im Einspruchsverfahren
Obligatorische Nichtberücksichtigung: Ist eine Präklusionsfrist wirksam und ermessensfehlerfrei gesetzt worden und hat das FA den Einspruchsführer über die präkludierende Wirkung der gesetzten Frist belehrt (§ 364b Abs. 3 AO), so sind Erklärungen und Beweismittel, die entweder gar nicht oder erst nach Ablauf vorgebracht werden, vom FA nicht mehr zugunsten des Einspruchsführers zu berücksichtigen und es ist nach Aktenlage im Zeitpunkt des Fristverstreichens zu entscheiden, wobei eine Verböserung i.S.d. § 367 Abs. 2 S. 2 AO ausdrücklich möglich bleibt (vgl. § 364b Abs. 2 S. 1–2 AO). Die Nichtberücksichtigung steht nicht im Ermessen des FA (sog. obligatorische Nichtberücksichtigung).
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand möglich: Zu beachten ist jedoch, dass bei glaubhaft gemachter unverschuldeter Fristüberschreitung eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 110 AO möglich ist (§ 364b Abs. 2 S. 3 AO).
Beraterhinweis: Sollte die gesetzte Präklusionsfrist nicht eingehalten werden können, so ist zwingend vor Fristende ein Antrag auf Fristverlängerung zu stellen, da die Präklusionsfrist nach h.M. grundsätzlich nach § 109 AO verlängerbar ist (vgl. zur Darstellung der h.M. auch Rätke in Klein, AO, 17. Aufl. 2023, § 364b AO Rz. 13; a.A. Söffing, DStR 1995, 1489 [1493]).
Rechtswidrigkeit verhindert Präklusionswirkung: Ist die gesetzte Präklusionsfrist rechtswidrig (z.B. weil das FA das Entschließungsermessen verkennt, die gesetzte Frist unangemessen kurz und damit ermessensfehlerhaft ist oder der Aufklärungsgegenstand viel zu unbestimmt ist), so tritt deren präkludierende Wirkung nicht ein (vgl. etwa FG Bdb. v. 13.8.1997 – 2 K 848/97 F zum Entfall der präkludierenden Wirkung bei zu kurzer Frist).
2. Präklusionswirkung im Klageverfahren
Grundsätzlich keine Präklusionswirkung im Klageverfahren: Eine wirksam gesetzte Präklusionsfrist entfaltet nur im Einspruchsverfahren Wirkung, so dass das FA im Klageverfahren nicht mehr daran gehindert ist, präkludierte Tatsachen oder Beweismittel zu berücksichtigen und z.B. einen (Teil-)Abhilfebescheid zu erlassen (vgl. BFHv. 13.5.2004 – IV B 230/02; dem BFH hier zustimmend FG Sachs. v. 25.1.2006 – 6 V 2080/09).
Berücksichtigung durch FG möglich: Hat das FG die Rechtmäßigkeit der Präklusionsfristsetzung (insb. hinsichtlich der Ermessensausübung und der Länge der Frist) bejaht, so kann es gleichwohl dennoch die präkludierten Tatsachen und Beweismittel in eigener Ermessensentscheidung zulassen (Umkehrschluss aus §§ 76 Abs. 3, 79b Abs. 3 FGO, wonach das Gericht das präkludierte Vorbringen zurückweisen kann, aber nicht muss).
Beraterhinweis Eine Berücksichtigung durch das FG wird regelmäßig angezeigt sein, wenn die Sachverhaltsermittlung einen geringen Aufwand verursacht (vgl. BFH v. 30.6.2004 – III B 6/04, AO-StB 2004, 426). Dies gilt z.B. für einfach gelagerte Steuererklärungen oder vereinzelte, leicht nachvollziehbare Beweismittel (z.B. Ausfuhrnachweise oder Rechnungen), wodurch die Befassung mit dem Vorbringen des Klägers keine nennenswerte Verzögerung zu erwarten ist.
Kostentragung bei rechtmäßig gesetzter Präklusionsfrist: Ist die Präklusionsfristsetzung rechtmäßig ergangen, so hat der Kläger – unabhängig davon, ob das FG das präkludierte Vorbringen in eigenem Ermessen doch zugelassen hat oder nicht – in jedem Fall die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 137 S. 3 FGO).
3. Präklusionswirkung im Revisionsverfahren
Differenzierung durch den BFH: Hat das FG das präkludierte Vorbringen in eigener Ermessensausübung zugelassen, so geht der BFH im Grundsatz davon aus, dass er an diese Entscheidung gebunden ist und sie revisionsrechtlich nicht zu überprüfen ist (exemplarisch hierzu BFH v. 17.12.1997 – I R 47/97; v. 13.7.1998 – X B 36/98). Schließt das FG sich in Ausübung eigenen Ermessens hingegen der Präklusion aus dem vorgelagerten Einspruchsverfahren an und lässt es das präkludierte Vorbringen unberücksichtigt, so ist es revisionsrechtlich mit Hinblick auf § 121 S. 3 FGO durch den BFH überprüfbar, ob die Ermessensentscheidung des FG ggf. zu Unrecht zu Lasten des Klägers ausgefallen ist.