Satzungsklauseln zum Schutz des Abfindungsberechtigten
[Ohne Titel]
Dr. Martin Lohr, Notar
Die Zwangseinziehung von Geschäftsanteilen (§ 34 Abs. 2 GmbHG) hat in der Praxis erhebliche Bedeutung. Der betroffene Gesellschafter hat infolge der Zwangseinziehung im Regelfall einen Abfindungsanspruch, der nach üblichen Satzungsregelungen nicht sofort erfüllt werden muss. Sofern keine Regelungen getroffen werden, kann der Betroffene keine Sicherstellung seines Anspruchs verlangen. Aber auch die Interessen der Mitgesellschafter können betroffen sein, da der BGH bei treuwidrigem Verhalten eine Gesellschafterhaftung für die Abfindung bejaht. Der Beitrag gibt einen kurzen Überblick über diese Themen und schließt mit einem Formulierungsvorschlag ab.
1. Voraussetzungen der Einziehung
Die Einziehung von Geschäftsanteilen, die
- sowohl im Einvernehmen mit dem betroffenen Gesellschafter
- als auch aus wichtigem Grund ohne dessen Zustimmung (sog. Zwangseinziehung)
erfolgen kann, erfordert eine Satzungsgrundlage (§ 34 Abs. 1 GmbHG; hierzu OLG Brandenburg v. 18.8.2021 – 6 U 159/18 – zit. nach juris [zur Zwangseinziehung bei Pfändungen eines Geschäftsanteils]; Langenfeld/Miras, GmbH-Vertragspraxis, 8. Aufl. 2019, Rz. 473 ff.; Mayer/Weiler in Beck’sches Notarhandbuch, 7. Aufl. 2019, § 22 Rz. 131 ff.; aktuell zur Zwangseinziehung und zur Abfindungsbeschränkung: Wagner, RNotZ 2022, 181). Die Einziehung ist nur bei volleingezahlten Anteilen zulässig (Wicke, 4. Aufl. 2020, § 34 Rz. 6).
Gesellschafterbeschluss: Die Einziehung erfolgt durch Gesellschafterbeschluss (§ 46 Nr. 4 GmbHG; hierzu Wicke, 4. Aufl. 2020, § 34 Rz. 12 [dort auch zum Stimmrechtsausschluss des betroffenen Gesellschafters bei einer Einziehung aus wichtigem Grund]). Ausreichend ist die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen (§ 47 Abs. 1 GmbHG), sofern die Satzung keine weitergehenden Beschlussmehrheiten vorsieht (Kersting in Baumbach/Hueck, 22. Aufl. 2019, § 34 GmbHG Rz. 14). Der Beschluss ist nicht fristgebunden, die Satzung kann aber Fristen zur Geltendmachung einer Zwangseinziehung vorsehen (Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl. 2020, § 34 Rz. 62).
Mitteilung an den Betroffenen: Der Beschluss muss – sofern der betroffene Gesellschafter nicht bei der Beschlussfassung zugegen war – diesem zur Kenntnis gebracht werden; eine formlose Mitteilung ist ausreichend (Wicke, 4. Aufl. 2020, § 34 Rz. 13).
Neue Gesellschafterliste: Eine neue Gesellschafterliste, die durch den Geschäftsführer zu unterzeichnen ist (§ 40 Abs. 1 GmbHG), muss zum Handelsregister eingereicht werden. Sofern kein abweichender Beschluss getroffen wird, weichen das Stammkapital der GmbH und der Gesamtnominalbetrag der Geschäftsanteile infolge des Fortfalls des eingezogenen Anteils voneinander ab, sofern nicht zeitgleich eine Anpassung erfolgt (zu möglichen Gestaltungen: Langenfeld/Miras, GmbH-Vertragspraxis, 8. Aufl. 2019, Rz. 476 ff.).
2. Abfindungsanspruch des Gesellschafters
Mit der Wirksamkeit des Einziehungsbeschlusses entsteht der Abfindungsanspruch des Gesellschafters, der sich – vorbehaltlich einer abweichenden Satzungsregelung – gegen die GmbH richtet (analog § 738 Abs. 1 S. 2 BGB; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl. 2020, § 34 Rz. 66). Ein statuarischer Ausschluss der Abfindung ist nur in Ausnahmefällen zulässig (hierzu Mayer/Weiler in Beck’sches Notarhandbuch, 7. Aufl. 2019, § 22 Rz. 164; s. auch zur Zulässigkeit der Beschränkung der Abfindungshöhe: Langenfeld/Miras, GmbH-Vertragspraxis, 8. Aufl. 2019, Rz. 519; aktuell zur Abfindungsbeschränkung in der Satzung einer gemeinnützigen GmbH: OLG Hamm v. 13.4.2022 – 8 U 112/21, GmbHR 2022, 697 m. Anm. Wachter). Sieht die Satzung keine abweichende Fälligkeit vor, ist die Abfindung sofort fällig (Kleindieck in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl. 2020, Rz. 69). Beachten Sie: Wird durch den Einziehungsbeschluss der Kapitalerhaltungsgrundsatz der §§ 30 Abs. 1, 34 Abs. 3 GmbHG verletzt – steht somit schon fest, dass der Abfindungsbetrag zum Fälligkeitstermin nicht aus freiem Vermögen gezahlt werden kann –, ist der Beschluss nichtig (BGH v. 26.6.2018 – II ZR 65/16, GmbHR 2018, 961 = GmbH-StB 2018, 356 [Görden]; OLG München v. 16.6.2021 – 7 U 7279/20, NZG 2021, 1223).
3. Wirksamkeit der Einziehung auch bei späterer Zahlung
Die Einziehung wird auch dann wirksam, wenn die Abfindung noch nicht gezahlt wurde (BGH v. 26.6.2018 – II ZR 65/16, GmbHR 2018, 961 = GmbH-StB 2018, 356 [Görden] = BGH v. 24.1.2012 – II ZR 109/11, GmbHR 2012, 387 = GmbH-StB 2012, 109 [Schwetlik]; dasselbe gilt im Falle eines Ausschlusses durch Gestaltungsurteil, s. OLG München v. 16.6.2021 – 7 U 1407/19, GmbHR 2022, 745).
Beachten Sie: Dies beinhaltet für den Ausscheidenden das Risiko,
- seine Gesellschafterstellung zu verlieren,
- ohne sein Abfindungsentgelt zu erhalten,
zumal der BGH bei einer Insolvenz der GmbH den Abfindungsanspruch als Gesellschafterforderung i.S.d. § 199 InsO bewertet, so dass der Anspruch lediglich bei der Schlussverteilung Berücksichtigung findet (so BGH v. 28.1.2020 – II ZR 10/19, GmbHR 2020, 534 = GmbH-StB 2020, 214 [Frystatzki]; kritisch hierzu Wagner, RNotZ 20...