Der GF ist gesetzlich gem. § 37 Abs. 1, § 38 Abs. 1, § 6 Abs. 3, § 46 Nr. 5 und 6 GmbHG grundsätzlich den Weisungen der Gesellschafterversammlung unterworfen. Ist eine relevante Einflussnahmemöglichkeit auf die Weisungen nicht gegeben, ist der GF damit weisungsgebunden und abhängig beschäftigt i.S.d. § 7 Abs. 1 SGB IV.
a) Abhängigkeit des Prüfungsergebnisses von nicht benannten Einzelumständen und Einzelfallwertungen
Ausgangspunkt ist dabei jeweils der konkrete Einzelfall, da die Zuordnung zur selbständigen oder weisungsgebundenen Tätigkeit voraussetzt, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände
- festgestellt,
- in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet,
- in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und
- nachvollziehbar – d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei – gegeneinander abgewogen werden.
Beraterhinweis Die damit zum Ausdruck kommende Abhängigkeit des Prüfungsergebnisses von nicht benannten Einzelumständen und Einzelfallwertungen deutet darauf hin, dass das jeweilige Ergebnis der Prüfung nur schwer vorhersehbar sein dürfte. Damit ist aber gerade das vom BSG geforderte Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nur schwer in Übereinstimmung zu bringen.
BSG = Abstandnahme von Bewertung sämtlicher Umstände und individueller Gewichtung: In dem Bemühen, die teilweise in der Praxis tatsächlich "kreativen" Gestaltungen von Indizien – auch durch Auffinden von entsprechenden Unterlagen noch während des Prüfverfahrens – zu beschränken, und die Entscheidungen vorhersehbar zu gestalten, hat das BSG von einer Bewertung sämtlicher Umstände und einer individuellen Gewichtung jedoch tatsächlich weitgehend Abstand genommen.
b) Geänderte BSG-Rechtsprechung: Hin zu formalerer Betrachtung
Das BSG hat in den Entscheidungen seit dem 14.3.2018 die Prüfung der einzelnen Umstände zugunsten einer wesentlich formaleren Betrachtung
- der Einflussnahmemöglichkeit des GF und
- der Möglichkeit, sich gegen Weisungen zur Wehr zu setzen,
geändert.
Kann der GF die Geschicke des Unternehmens in allen Bereichen der unternehmerischen Tätigkeit mitbestimmen? Das BSG stellt in der jüngeren Rechtsprechung bei der Bewertung der Weisungsfreiheit – und damit der Abhängigkeit der Beschäftigung gem. § 7 Abs. 1 SGB IV – primär darauf ab, ob der GF die Geschicke des Unternehmens in allen Bereichen der unternehmerischen Tätigkeit mitbestimmen kann.
Diese gestalterische Rechtsmacht kann grundsätzlich vormittelt werden durch
- die Höhe der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung;
- das Vorhandensein von Satzungsregelungen mit Sperrwirkung.
Nicht entscheidend sind demgegenüber grundsätzlich:
- faktische Verhältnisse
- Absprachen und Regelungen außerhalb der Satzung
- weitere, tatsächliche Umstände
"Weitere Umstände" sind in neuerer BSG-Rechtsprechung praktisch nicht mehr relevant: Gerade "weitere Umstände", die ansonsten bei der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und Selbständigkeit i.S.d. § 7 SGB IV berücksichtigt werden (z.B. arbeitsteiliges Tätigwerden, Verfügungsmöglichkeiten über Arbeitskraft, Vergütungsrisiko etc.), sind seit der Abkehr von der bisherigen BSG-Rechtsprechung praktisch nicht mehr relevant.
Dies hat das BSG bislang nicht ausdrücklich in dieser Form kommuniziert, allerdings fehlen seit der Entscheidung vom 14.3.2018 (a.a.O.) die Prüfungen von weiteren Umständen. Beachten Sie: Dass das BSG dieses Thema jedoch nicht unberücksichtigt lässt, ergibt sich aus der Entscheidung vom 1.2.2022. Hier ließ der Senat explizit offen, ob es i.R.d. Statuszuordnung noch auf die in einem GF-Vertrag vereinbarten Arbeitsmodalitäten und den Gesichtspunkt des Unternehmerrisikos ankommen könne. Tatsächlich spielten derartige Umstände in den Entscheidungen der letzten fünf Jahre jedoch keine Rolle mehr.
c) Keine strikte "Parallelwertung" von sozialversicherungsrechtlicher und gesellschaftsrechtlicher Wertung
Bei der sozialversicherungsrechtlichen Einordnung von Sachverhalten hat das BSG
- gesellschaftsrechtliche Konstellationen und häufig auch
- satzungsmäßige oder
- vertragliche Abreden zwischen den Beteiligten
zu beurteilen. Beachten Sie: Für den Rechtsanwender wichtig zu beachten ist hierbei, dass das BSG bei seiner Beurteilung ausdrücklich gesellschaftsrechtliche Wertungen und Gestaltungen für die sozialversicherungsrechtliche Abwägungsentscheidung nach § 7 Abs. 1 SGB IV nicht strikt übernimmt.
Beraterhinweis Ob also Gestaltungen der Gesellschaftsrechts- bzw. Gesellschaftsvertragsrechtslage (überhaupt) für die Abwägungsentscheidung bedeutsam sind und – falls ja – mit welchem Indizcharakter und welcher Gewichtung, beurteilt sich ohne strikte "Parallelwertung"allein im vorliegend thematisch einschlägigen – sozialversicherungsrechtlichen – Kontext des § 7 SGB IV.
So ist z.B. nach Auffassung des BSG – abweichend von der gesellschaftsrechtlichen Wirksamkeit – für die statusrechtliche Beurteilung nach § 7 Abs. 1 SGB IV eine als GF angestellte Person erst mit Eintragung ins Handelsregister als GF einer GmbH anzusehen.
Damit kann die Situation entstehen, dass
- gesellschaftsrechtlich wirksame Regel...