Die Steuerhinterziehung ist ein Erfolgsdelikt. Durch die in § 370 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 AO bezeichneten Tathandlungen müssen "Steuern verkürzt" oder "nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt" worden sein (§ 370 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 S. 1 und 2 AO; vgl. Ransiek in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 370 AO Rz. 370 [Okt. 2021]).
Verkürzte Steuern: Gemäß § 370 Abs. 4 S. 1 AO sind Steuern verkürzt, wenn
- sie nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt worden sind, dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder
- eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht.
Steuervorteil: Ein Steuervorteil ist jede begünstigte Verfügung der Finanzbehörde, die der Steuerpflichtige außerhalb einer Steuererklärung erstrebt und außerhalb des förmlichen Steuerfestsetzungsverfahrens empfängt (Krumm in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 370 Rz. 167 [April 2019]; Meyer in Gosch, AO/FGO, § 370 AO Rz. 167 [Aug. 2012]). Umfasst sind z.B. die Stundung nach § 222 AO oder der Zahlungsaufschub bei Verbrauchsteuern und Zöllen nach § 223 AO (Meyer in Gosch, AO/FGO, § 370 AO Rz. 167 [Aug. 2012]). Beachten Sie: Steuerliche Nebenleistungen i.S.d. § 3 Abs. 4 AO sind nicht erfasst (BGH v. 19.12.1997 – 5 StR 569/96, wistra 1998, 180; Krumm in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 370 Rz. 76 [April 2019]). Zinsen auf Steuererstattungsbeträge gem. § 233a AO sind hingegen Steuervorteile i.S.v. § 370 Abs. 1 AO (BGH v. 6.6.2007 – 5 StR 127/07, NStZ 2007, 596).
Für den Bereich der Umsatzsteuer ist insb. § 14c Abs. 2 S. 2 UStG von Bedeutung. Insoweit knüpft der Steueranspruch nicht an einen realen, sondern an einen fingierten Vorgang an, da tatsächlich gar keine umsatzsteuerpflichtige Lieferung erfolgt ist (vgl. Ransiek in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 370 AO Rz. 398 [Okt. 2021]).
Beraterhinweis Bei im Rahmen von § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO verschwiegenen Betriebseinnahmen, ist die nachzuentrichtende Umsatzsteuer als Betriebsausgabe in Abzug zu bringen (BGH v. 29.7.2021 – 1 StR 30/21, NStZ 2022, 49; v. 10.7.2019 – 1 StR 265/18, wistra 2020, 154). Denn dieser Vorteil hätte dem Angeklagten bei wahrheitsgemäßen Angaben ohne weiteres von Rechts wegen zugestanden; das Kompensationsverbot (§ 370 Abs. 4 S. 3 AO) steht dem nicht entgegen (BGH v. 18.8.2020 – 1 StR 269/19, NStZ 2021, 297).