a) Konsequenzen eines Begründungsmangels
Wenn das FG nach § 105 Abs. 5 FGO verfährt und dabei ganz oder zum Teil auf eine (eigene) Darstellung der Entscheidungsgründe verzichtet, so kann es diverse Fallkonstellationen geben, die dazu führen, dass das FG-Urteil als nicht mit Urteilsgründen versehen zu betrachten ist.
Die Frage, ob ein FG-Urteil mit Urteilsgründen versehen ist, besitzt – wie bereits eingangs im Beitrag dargestellt – verfahrensrechtlich eine besondere Bedeutung. Ist ein Urteil nämlich nicht begründet, so stellt dies einen absoluten Revisionsgrund i.S.d. § 119 Nr. 6 FGO dar. Dieses wird dann regelmäßig vom BFH aufzuheben und zurückzuverweisen sein, so dass sich der Rechtsstreit wieder zurück in der Tatsacheninstanz befindet.
Typische Fallkonstellationen aus der Praxis, die sich anhand der BFH-Rspr. in Bezug auf § 105 Abs. 5 FGO herausgebildet haben, sollen nachstehend in kompakter Form vorgestellt werden, um Berater für das Vorliegen eines Begründungsmangels zu sensibilisieren.
b) Typische Fallkonstellationen
aa) Formel- und floskelhafte Begründung in der Einspruchsentscheidung
Sofern sich das FG im Zuge von § 105 Abs. 5 FGO seitens des FA in der Einspruchsentscheidung verwendete formel- und floskelhafte Redewendungen in Form von Textbausteinen, die nicht erkennen lassen, welche rechtlichen Erwägungen einzelfallbezogen bei der Entscheidungsfindung vorgenommen worden sind, zu eigen macht, so führt dies dazu, dass das Gerichtsurteil an einem Begründungsmangel i.S.d. § 119 Nr. 6 FGO leidet.
Dieser Sachverhalt lag der BFH-Entscheidung v. 29.7.1992 (II R 14/92) zugrunde, in dem sich das FG folgende Einspruchsentscheidung zu eigen gemacht hat:
"Der Einspruch ist form- und fristgerecht eingelegt. Er ist jedoch nicht begründet. Auch die von Amts wegen vorgenommene Prüfung der Festsetzung der Aussetzungszinsen gem. § 237 AO gibt keinen Anlaß zu einer abweichenden Entscheidung. Für einen Billigkeitserlaß gem. § 227 AO (sachliche und persönliche Unbilligkeitsgründe fehlen) sind die Voraussetzungen nicht gegeben. Der Einspruch war daher als unbegründet zurückzuweisen."
Diese Passagen verdeutlichen, dass sich eine Verweisung auf die Einspruchsentscheidung in solchen Fällen verbietet und die Anwendung der Begründungserleichterung nach § 105 Abs. 5 FGO zurecht vom BFH als Begründungsmangel i.S.v. § 119 Nr. 6 FGO betrachtet worden ist. Denn die sich vom FG zu eigen gemachte Einspruchsentscheidung verfängt sich ausschließlich in floskelhaften Ausführungen, die keine hinreichende Überprüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes erkennen lassen. So ist weder darauf eingegangen worden, inwieweit vom Amts wegen eine sachverhaltsbezogene Überprüfung stattgefunden hat noch wurden die Voraussetzungen eines Billigkeitserlasses konkret thematisiert. Vielmehr ist ausschließlich festgestellt worden, dass sachliche und persönliche Unbilligkeitsgründe, die nicht näher benannt worden sind, fehlten.
Aus der beruflichen Praxis des Verfassers dürfte diese Konstellation einer unzureichenden, nur floskelhaften Begründung insb. bei sog. Kurz-Einspruchsentscheidungen des FA vorliegen. In diesen Vorlagen findet keine Trennung von Tatbestand und Entscheidungsgründen statt, sondern der Einspruch wird in komprimierter Form zurückgewiesen. Im Wesentlichen geschieht dies nur durch Textbausteine, die die Zulässigkeit kurz bejahen, auf eine mangelnde Begründung abstellen und sodann das bloße Nichtvorliegen eines Tatbestands feststellen.
Beraterhinweis Sollte das FG sich eine solche Einspruchsentscheidung zu eigen machen, so dürften die Chancen im Lichte der BFH-Rspr. hoch sein, dass dies einen absoluten Revisionsgrund darstellt und man die Aufhebung des Urteils erreichen kann.
bb) Erhebliche Begründungsdefizite der Einspruchsentscheidung
Im Gegensatz zur Fallkonstellation unter aa), worunter formel- und floskelhafte Gründe, die kaum bis gar keinen Sachverhaltsbezug erkennen lassen, lässt diese Fallgruppierung eine Einzelfallbefassung in der Einspruchsentscheidung zunächst grundsätzlich erkennen.
Leidet die Einspruchsentscheidung jedoch dabei unter erheblichen Begründungsdefiziten, welche nach der Rspr. des BFH insb. dann anzunehmen sind, wenn die Begründungen in der Einspruchsentscheidung unvollständig, widersprüchlich oder unzulänglich sind, ist auch dies ein schwerer Begründungsmangel (vgl. BFH v. 4.8.1999 – VIII B 77/99; BFH v. 25.4.2003 – VIII B 266/02, AO-StB 2003, 329).
Im Falle des BFH-Beschlusses v. 25.4.2003 (VIII B 266/02) ergaben sich die erheblichen Begründungsdefizite daraus, dass das FA im Streitfall die Zuständigkeit zum Erlass einer Prüfungsanordnung aus der Veranlagung vorheriger Zeiträume geschlossen hat, ohne dabei zu berücksichtigen, dass sich die Sachverhaltsumstände u.a. wegen eines Umzugs geändert haben könnten. Eine weitere Begründung, weshalb das beklagte FA zuständig gewesen sein sollte, blieb das FA mit Ausnahme allgemeiner Ausführungen zur Zuständigkeit nach den §§ 18 ff., 195 S. 1 AO schuldig. Der VIII. Senat stufte die Entscheidungsgründe mangels Angabe einer konkreten Rechtsnorm als bloße Rechtsbehauptung vom FA ohne jedwede Untermauerung ein und wertete diese Begründung im konkreten Einzelfall als unvolls...