aa) Formel- und floskelhafte Begründung in der Einspruchsentscheidung
Sofern sich das FG im Zuge von § 105 Abs. 5 FGO seitens des FA in der Einspruchsentscheidung verwendete formel- und floskelhafte Redewendungen in Form von Textbausteinen, die nicht erkennen lassen, welche rechtlichen Erwägungen einzelfallbezogen bei der Entscheidungsfindung vorgenommen worden sind, zu eigen macht, so führt dies dazu, dass das Gerichtsurteil an einem Begründungsmangel i.S.d. § 119 Nr. 6 FGO leidet.
Dieser Sachverhalt lag der BFH-Entscheidung v. 29.7.1992 (II R 14/92) zugrunde, in dem sich das FG folgende Einspruchsentscheidung zu eigen gemacht hat:
"Der Einspruch ist form- und fristgerecht eingelegt. Er ist jedoch nicht begründet. Auch die von Amts wegen vorgenommene Prüfung der Festsetzung der Aussetzungszinsen gem. § 237 AO gibt keinen Anlaß zu einer abweichenden Entscheidung. Für einen Billigkeitserlaß gem. § 227 AO (sachliche und persönliche Unbilligkeitsgründe fehlen) sind die Voraussetzungen nicht gegeben. Der Einspruch war daher als unbegründet zurückzuweisen."
Diese Passagen verdeutlichen, dass sich eine Verweisung auf die Einspruchsentscheidung in solchen Fällen verbietet und die Anwendung der Begründungserleichterung nach § 105 Abs. 5 FGO zurecht vom BFH als Begründungsmangel i.S.v. § 119 Nr. 6 FGO betrachtet worden ist. Denn die sich vom FG zu eigen gemachte Einspruchsentscheidung verfängt sich ausschließlich in floskelhaften Ausführungen, die keine hinreichende Überprüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes erkennen lassen. So ist weder darauf eingegangen worden, inwieweit vom Amts wegen eine sachverhaltsbezogene Überprüfung stattgefunden hat noch wurden die Voraussetzungen eines Billigkeitserlasses konkret thematisiert. Vielmehr ist ausschließlich festgestellt worden, dass sachliche und persönliche Unbilligkeitsgründe, die nicht näher benannt worden sind, fehlten.
Aus der beruflichen Praxis des Verfassers dürfte diese Konstellation einer unzureichenden, nur floskelhaften Begründung insb. bei sog. Kurz-Einspruchsentscheidungen des FA vorliegen. In diesen Vorlagen findet keine Trennung von Tatbestand und Entscheidungsgründen statt, sondern der Einspruch wird in komprimierter Form zurückgewiesen. Im Wesentlichen geschieht dies nur durch Textbausteine, die die Zulässigkeit kurz bejahen, auf eine mangelnde Begründung abstellen und sodann das bloße Nichtvorliegen eines Tatbestands feststellen.
Beraterhinweis Sollte das FG sich eine solche Einspruchsentscheidung zu eigen machen, so dürften die Chancen im Lichte der BFH-Rspr. hoch sein, dass dies einen absoluten Revisionsgrund darstellt und man die Aufhebung des Urteils erreichen kann.
bb) Erhebliche Begründungsdefizite der Einspruchsentscheidung
Im Gegensatz zur Fallkonstellation unter aa), worunter formel- und floskelhafte Gründe, die kaum bis gar keinen Sachverhaltsbezug erkennen lassen, lässt diese Fallgruppierung eine Einzelfallbefassung in der Einspruchsentscheidung zunächst grundsätzlich erkennen.
Leidet die Einspruchsentscheidung jedoch dabei unter erheblichen Begründungsdefiziten, welche nach der Rspr. des BFH insb. dann anzunehmen sind, wenn die Begründungen in der Einspruchsentscheidung unvollständig, widersprüchlich oder unzulänglich sind, ist auch dies ein schwerer Begründungsmangel (vgl. BFH v. 4.8.1999 – VIII B 77/99; BFH v. 25.4.2003 – VIII B 266/02, AO-StB 2003, 329).
Im Falle des BFH-Beschlusses v. 25.4.2003 (VIII B 266/02) ergaben sich die erheblichen Begründungsdefizite daraus, dass das FA im Streitfall die Zuständigkeit zum Erlass einer Prüfungsanordnung aus der Veranlagung vorheriger Zeiträume geschlossen hat, ohne dabei zu berücksichtigen, dass sich die Sachverhaltsumstände u.a. wegen eines Umzugs geändert haben könnten. Eine weitere Begründung, weshalb das beklagte FA zuständig gewesen sein sollte, blieb das FA mit Ausnahme allgemeiner Ausführungen zur Zuständigkeit nach den §§ 18 ff., 195 S. 1 AO schuldig. Der VIII. Senat stufte die Entscheidungsgründe mangels Angabe einer konkreten Rechtsnorm als bloße Rechtsbehauptung vom FA ohne jedwede Untermauerung ein und wertete diese Begründung im konkreten Einzelfall als unvollständig bzw. unzulänglich.
Aus Sicht des Verfassers ist diesbezüglich anzumerken, dass die Übergänge zwischen formel- und floskelhaften Gründen und erheblichen Begründungsdefiziten unter Umständen fließend sein können und sich gegenseitig nicht ausschließen, sondern ggf. auch ergänzen können. Abzustellen sein dürfte zur Abgrenzung insb. darauf, ob noch ein hinreichender Bezug zu einer Einzelfallbefassung erkennbar ist, wobei im Endergebnis beides zu einem absoluten Revisionsgrund i.S.d. § 119 Nr. 6 FGO führt. Eine trennscharfe Abgrenzung kann folglich regelmäßig dahingestellt bleiben.
cc) Übergehen von wesentlichem neuem Vorbringen im Klageverfahren
Trägt der Kläger während des Klageverfahrens wesentlich Neues in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht vor und übergeht das FG dieses Vorbringen, indem es auf die Begründung der Einspruchsentscheidung nach § 105 Abs. 5 FGO verweist, ohne die eigenständige Würdigung des (neuerlichen) Sachvortrags vorzunehmen, so stellt dies ebenfalls einen schweren Begründungsmangel i.S...