1Für die Bearbeitung von Ordnungswidrigkeiten und Strafsachen ist bei den Familienkassen eine BuStra-Stelle einzurichten. 2Tritt bei einer Familienkasse der Verdacht einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit auf, so ist die vollständige Kindergeldakte über den Leiter der Familienkasse an die BuStra-Stelle abzugeben. 3In der Abgabenachricht sind die Gründe für die Abgabe anzuführen. 4Zum Verfahren bei Vorliegen einer Selbstanzeige vgl. S 6. 5Die BuStra-Stelle sichtet die gesamte Akte. 6Handelt es sich um einen laufenden Zahlfall, so fertigt die BuStra-Stelle Kopien von den wesentlichen Aktenstücken und sendet die Akte an die Familienkasse zurück. 7Sie unterrichtet die Familienkasse vom Ausgang des Verfahrens, indem sie ihr eine Durchschrift der abschließenden Entscheidung übersendet. 8Nach Nr. 6 Abs. 1 AStBV (St) 2023 haben im Interesse sowohl des Beschuldigten als auch der Strafverfolgung alle Amtsträger dafür zu sorgen, dass über die erforderlichen Maßnahmen bei Verdacht von Steuerstraftaten sobald wie möglich entschieden wird. 9Es sind insbesondere die für die Verfolgung zuständigen Stellen unverzüglich zu unterrichten, wenn hierzu Anlass besteht. 10Nach Nr. 6 Abs. 2 AStBV (St) 2023 ist Gericht und Staatsanwaltschaft die gebotene Unterstützung so schnell wie möglich zu gewähren, wenn die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen führt oder ein Verfahren bei Gericht anhängig ist. 11Nach Nr. 8 Abs. 1 AStBV (St) 2023 soll über die Einleitung oder Nichteinleitung von Verfahren, sofern keine besonderen Umstände vorliegen, innerhalb von sechs Monaten nach Eingang des Vorgangs entschieden werden.
S 8.1 Steuerstrafverfahren
S 8.1.1 Sachliche und örtliche Zuständigkeit
1Sachlich zuständig ist nach §§ 386 Abs. 2, 387 Abs. 1 AO die Familienkasse, soweit sie das Kindergeld festzusetzen hat, wenn die Tat ausschließlich eine Steuerstraftat darstellt. 2Die örtliche Zuständigkeit der Familienkasse im Strafverfahren richtet sich nach §§ 386 Abs. 1 Satz 2, 388 AO. 3Durch § 389 i.V.m. § 386 Abs. 1 Satz 2 AO wird die örtliche Zuständigkeit der Familienkasse erweitert, wenn Straftaten in einem Zusammenhang i.S.d. § 3 StPO stehen. 4U.a. bei mehrfacher örtlicher Zuständigkeit greift § 390 AO ein. 5Nach § 390 Abs. 1 AO ist die Familienkasse, die das Strafverfahren zuerst eingeleitet hat (siehe dazu § 397 Abs. 1 und 2 AO), vorrangig zuständig. 6Unter den Voraussetzungen des § 390 Abs. 2 AO hat eine zunächst nachrangig zuständige Familienkasse die Strafsache zu übernehmen. 7Ob die Übernahme der Strafsache sachdienlich ist, richtet sich nach den Umständen der vorzunehmenden Ermittlungen. 8Lassen sich der Ermittlungsaufwand (auch hinsichtlich der Kosten) vermindern und die Verhandlungen erleichtern und beschleunigen, ist die Übernahme sachdienlich.
S 8.1.2 Selbständiges Ermittlungsverfahren
(1) 1Im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (§§ 386, 397 AO, 160 Abs. 1 StPO) nehmen die BuStra-Stellen die Rechte und Pflichten der Staatsanwaltschaft wahr, wenn die Tat ausschließlich eine Steuerstraftat darstellt (§§ 386 Abs. 2 Nr. 1, 399 Abs. 1 AO). 2Als solche kommen im Bereich des Familienleistungsausgleichs die Erlangung nicht gerechtfertigter Kindergeldzahlungen infolge vorsätzlichen und rechtswidrigen Verhaltens (§ 370 AO) und die sachliche Begünstigung in Betracht, § 369 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 4 AO. 3In diesem selbständigen Ermittlungsverfahren muss die BuStra-Stelle die für die Staatsanwaltschaft geltenden Grundsätze der Verfahrenseinleitung, der Verfahrensdurchführung und des Beweises beachten (§§ 385 Abs. 1, 399 Abs. 1 AO).
(2) 1Die Familienkasse führt das Ermittlungsverfahren grundsätzlich selbständig durch. 2Von der Befugnis, auch in den Fällen nach § 386 Abs. 2 i.V.m. § 399 Abs. 1 AO die Steuerstrafsache an die Staatsanwaltschaft abzugeben (§ 386 Abs. 4 Satz 1 AO), ist nur nach pflichtgemäßem Ermessen Gebrauch zu machen. 3Wegen der Fälle, in denen die Abgabe angezeigt ist, wird auf Nr. 22 AStBV (St) 2023 verwiesen. 4Amtsträger der Finanzverwaltung i.S.d. Nr. 22 Abs. 1 Nr. 8 AStBV (St) 2023 sind nur die nach Geschäftsverteilungsplan in der Familienkasse Beschäftigten und ihre weisungsbefugten Vorgesetzten.
(3) Werden gegenüber einer Familienkasse des öffentlichen Dienstes vorsätzlich falsche Angaben gemacht, so liegt hinsichtlich des überhöhten Familien- bzw. Ortszuschlages und ggf. des Beihilfeanspruchs i.d.R. auch ein Betrug zu Lasten des Dienstherrn vor, sodass im Verdachtsfall die Sache regelmäßig an die Staatsanwaltschaft abzugeben ist, vgl. S 8.1.3.
(4) 1Mit der Abgabe erlischt die selbständige Ermittlungszuständigkeit der Familienkasse. 2Die Staatsanwaltschaft kann die Strafsache nur im Einvernehmen mit der Familienkasse wieder an diese zurückgeben (§ 386 Abs. 4 Satz 3 AO).
S 8.1.3 Staatsanwaltschaft als Herrin des Ermittlungsverfahrens
(1) 1Treffen im Rahmen des einheitlichen Tatgeschehens i.S.d. § 264 StPO Steuerstraftaten mit anderen Straftaten außerhalb des § 386 Abs. 2 Nr. 2 AO zusammen, z.B. mit einer Urkundenfälschung nach § 267 StGB oder einem Betrug...