Zusammenfassung
Ein Digital Mindset, also eine positive, offene und neugierige Einstellung zu den digitalen Medien und ihren Möglichkeiten, ist Voraussetzung, um die Chancen der Automatisierung zu erkennen und den Veränderungsprozess in der Kanzlei frühzeitig in die Wege zu leiten. In diesem Zusammenhang wird gerne von agilen Unternehmen oder Projekten gesprochen, um auf die zunehmende Veränderungsgeschwindigkeit reagieren zu können. Neugierde und Freude am ständigen Lernen sollen statisches Denken und Festhalten an Gewohntem ersetzen.
Dazu gehört natürlich neben der eigenen Einstellung auch die der Mitarbeiter, die bei einer Umstellung auf neue Arbeitsweisen unmittelbar betroffen sind und den Prozess beschleunigen oder bremsen können. Und auch einige Mandanten wollen erst überzeugt werden, dass das Neue besser ist als die gewohnten und durchaus bewährten Pendelordner. 4 Erkenntnisse helfen Ihnen auf dem Weg zur digitalen Kanzlei:
1. Es geht um Denkweisen, nicht um Software
Digitalisierung heißt nicht, aus Papier eine Datei zu machen, also einfach nur das Medium zu ändern, mehr Monitore anzuschaffen und dann mehr Platz im Schrank zu haben (auch wenn das ein schöner Nebeneffekt ist). Es bedeutet, die Prozesse sowohl aus interner Sicht wie aus externer Sicht zu analysieren und neu zu gestalten bzw. anzupassen, um mittel- bis langfristig von Automatisierung und Digitalisierung tatsächlich zu profitieren. Denn in der Umstellungsphase von Pendelordner auf Online-Zusammenarbeit ist die Erfahrung vieler Kanzlei-Mitarbeiter: Die Erstellung der Buchführung dauert genau so lang, wenn nicht sogar länger. Und wenn die Prozesse nicht angepasst werden, bleibt das auch so.
Beispiel 1: Anstatt auf Papier landen die Belege digital im System und werden direkt verbucht, die Bank wird automatisch eingespielt. Doch wenn die Lerndatei nicht laufend gepflegt wird, entsteht kein Optimierungseffekt. Immerhin lassen sich bis zu 80 % der Bankbuchungen automatisieren. Tipp: lassen Sie sich einmal die Lerndateien all ihrer Mandanten zeigen. Möglicherweise erzeugt das den einen oder anderen Aha-Effekt.
Beispiel 2:Die Belege werden noch althergebracht mit dem Pendelordner gebracht und dann im Sekretariat eingescannt. Der Mitarbeiter bucht online, hat zusätzlich den Pendelordner am Tisch liegen und schaut die Belege durch. Auf Nachfrage beim Kanzleirundgang, warum er hier doppelt arbeitet, kommt die Antwort: "Beim Einscannen könnte ja ein Beleg vergessen worden sein." Sicherheitsorientierte Mitarbeiter – und davon gibt es viele in der Kanzlei – neigen dazu, mit Netz und doppeltem Boden zu arbeiten. Ein ähnliches Phänomen entsteht, wenn der Jahresabschluss von einem anderen Mitarbeiter erstellt wird und die komplette Buchhaltung neu aufgerollt wird, um auf keinen Fall etwas zu übersehen. Definieren Sie deshalb bei diesen Prozessen immer auch den konkreten Kontrollumfang, welche Konten in welcher Tiefe geprüft werden.
2. Digitalisierung greift in alle Prozesse ein, auch die der Mandanten
Digitalisierung bedeutet aus Daten Mehrwert machen. Und die viel beschworene Customer Centricity, also dass sich auf einmal alles um den Kunden dreht, ist der Tatsache geschuldet, dass der Wechsel zu einem anderen Anbieter nur noch einen Klick entfernt ist. Ganz so leicht ist es für Mandanten heute wohl – noch - nicht, mit "Sack und Pack" auf Knopfdruck den Steuerberater zu wechseln. Doch die Wechselbereitschaft ist gestiegen. Und es macht Sinn auch aus Mandantensicht zu überlegen, welchen Nutzen der Mandant durch die digitale Zusammenarbeit hat.
Diese nutzenorientierte Denkweise ist in einigen Kanzleien noch nicht verankert. Das lässt sich immer gut ablesen, wenn das Thema "Wer scannt – Mandant oder Kanzlei" diskutiert wird. Die Kanzlei hat den – richtigen – Entschluss gefasst, dass sämtliche internen Prozesse digital laufen und Papier aus den Kanzleiräumen verbannt wird.. Da gibt es die "Datendrehscheibe": Hier arbeiten die EDV-sicheren "Fibu-Ingenieure". Mandantendaten werden digital und effizient verarbeitet. Eine entsprechende Abteilung gibt es auch für den Lohn und die Einkommensteuererklärung
Es ist klar, dass es am besten wäre, wenn der Mandant selbst scannt und in der Kanzlei digital weitergearbeitet wird. Doch bei dem Gedanken taucht sofort die Befürchtung auf, dass der Mandant dann einen Honorarnachlass fordert, weil er durch das Scannen mehr Arbeit hat und zusätzlich uns die Arbeit erleichtert. Und wenn beim Mandanten der Prozess unverändert bleibt – er also weiter das System Belege sortieren und in Ordner heften und zur Zahlung wieder herausholen - dann wäre Scannen tatsächlich ein zusätzlicher Schritt. Das wäre als würden Sie Zahlenkolonnen per Formel in einer Excel-Tabelle addieren und parallel dazu an der Addiermaschine auftippen, die Excel-Tabelle dann ausdrucken und den Addierbeleg daran heften.
Hinterfragen Sie bei Ihren Mandanten die derzeitige Arbeitsweise: wie werden Rechnungen geschrieben, wie wird gezahlt, wie ist das Zahlungsverhalten der Kun...