Mit Blick auf etwaige Diskriminierungstatbestände können Handlungen sowohl in den Anwendungsbereich des neuen HinSchG als auch in den Anwendungsbereich des AGG fallen.
Das neue HinSchG ist am 2.7.2023 in Kraft getreten. Nach den Inhalten des Gesetzes müssen arbeitgeberseitig Whistleblowern die Möglichkeit gegeben werden, Hinweise mündlich, schriftlich oder auf Wunsch auch persönlich abzugeben. Wird ein Hinweis abgegeben, muss eine interne Meldestelle dies dem Hinweisgeber innerhalb von 7 Tagen bestätigen. Binnen 3 Monaten muss die innerbetriebliche Meldestelle den Whistleblower über die ergriffenen Maßnahmen informieren, beispielsweise über die Einleitung interner Compliance-Untersuchungen oder die Weiterleitung einer Meldung an die zuständige Behörde, etwa an eine Strafverfolgungsbehörde. Als zweite Möglichkeit zur Abgabe von Hinweisen wird beim Bundesamt für Justiz eine externe Meldestelle eingerichtet. Auch die Bundesländer können eigene Meldestellen einrichten.
In Fällen, in denen intern wirksam gegen den Verstoß vorgegangen werden kann und sie keine Repressalien befürchten, sollen sich Hinweisgeber jedoch zuerst an eine interne Meldestelle wenden.
Zum Schutz der Whistleblower vor "Repressalien" enthält das Gesetz eine weitgehende Beweislastumkehr. Wird ein Whistleblower im Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit "benachteiligt", wird vermutet, dass diese Benachteiligung eine Repressalie ist. Zudem kommen Schadensersatzansprüche des Whistleblowers aufgrund von Repressalien in Betracht. Alle Beschäftigungsgeber mit 50 oder mehr Beschäftigten sind nunmehr verpflichtet, eine interne Meldestelle einzurichten (§ 12 Abs. 1 und 2 HinSchG).
Es fragt sich, in welchem Verhältnis Beschwerden nach § 13 AGG zu Meldungen nach dem HinSchG an die interne Meldestelle stehen. Ein Spannungsfeld entsteht immer dann, wenn Benachteiligungen nach dem AGG auch in den sachlichen Anwendungsbereich des HinSchG fallen können. In der Praxis muss in diesen Fällen geklärt werden, welche Stelle für Beschwerden zuständig ist. Diese Konkurrenzfrage ist relevant. Denn zur Bearbeitung von Meldungen, dem entsprechenden Verfahren und zu den zu ergreifenden Folgemaßnahmen sieht das HinSchG spezielle (strengere) Regelungen vor, die nach § 13 AGG nicht vorgesehen sind. Insbesondere greifen weitaus kürzere Fristen zur Bearbeitung einer Meldung nach dem HinSchG. Die interne Meldestelle hat, wie ausgeführt, nach § 17 Abs. 1 Nr. 1 HinSchG dem Hinweisgeber innerhalb von 7 Tagen nach Eingang der Meldung den Eingang zu bestätigen. Zudem muss die interne Meldestelle dem Hinweisgeber innerhalb von 3 Monaten nach Bestätigung des Eingangs eine Rückmeldung geben. Zudem genießen Hinweisgeber nach einer Meldung weitreichenden Schutz, den Beschwerdeführer in dieser Form nach § 13 AGG nicht haben. Repressalien gegenüber einem Hinweisgeber sind z. B. nach § 36 Abs. 1 HinSchG bußgeldbewehrt verboten. Auch die Beweislastumkehr nach § 36 Abs. 2 HinSchG können Beschwerdeführer nach dem AGG grundsätzlich nicht geltend machen, anders nur bei Benachteiligten nach § 22 AGG. Auch mit Blick auf die Regeln zur Vertraulichkeit gelten zwischen den Regeln des HinSchG und des AGG Differenzen.
Zunächst ist hierbei zu klären, ob der Anwendungsbereich beider Gesetze eröffnet ist. Der sachliche Anwendungsbereich des HinSchG ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 eröffnet bei Meldung und Offenlegung von Informationen über Verstöße, die strafbewehrt sind und Verstöße, die bußgeldbewehrt sind, soweit die verletzte Vorschrift dem Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit oder dem Schutz der Rechte der Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dient. Das AGG sieht keine Bußgelder und erst recht keine Straftatbestände vor.
Benachteiligungen nach dem AGG sind deshalb jedenfalls dann nicht von dem sachlichen Anwendungsbereich des HinSchG erfasst, soweit die jeweilige Benachteiligung nicht zugleich eine Straftat oder einen Verstoß gegen eine bußgeldbewehrte Vorschrift bildet, die dem Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dient. Denkbar ist dies z. B. in Fällen von sexualisierter Gewalt. Insofern kommen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach §§ 174 ff. StGB in Betracht, was den Anwendungsbereich für entsprechende Meldungen nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 HinSchG eröffnet. Zudem sind solche Taten zugleich sexuelle Belästigung im Sinne von § 3 Abs. 4 AGG. Gleiches gilt z. B. für verbalisierte sexuelle Gewalt. Denn insofern kommen Straftaten im Bereich der Ehrdelikte nach §§ 185 ff. StGB und gleichfalls sexuelle Belästigungen nach § 3 Abs. 4 AGG in Betracht. Dasselbe gilt für sexuell konnotierte Körperverletzungen.
Wie diese dann entstehende Normenkollision aufzulösen ist, beantwortet weder das HinSchG selbst noch die Gesetzesbegründung. Eine Antwort können deshalb momentan die sogenannten ungeschriebenen Kollisionsregelungen, wie der sogenannte Spezialitätsgrundsatz, geben. Nach der hier vertretenen Auffassung sprec...