Ewald Dötsch, Alexandra Pung
11.2.1 Vororganschaftliche Rücklagen in der Handelsbilanz
11.2.1.1 Handelsrechtliche Behandlung
Tz. 878
Stand: EL 110 – ET: 06/2023
Eine nicht nach den §§ 319 bis 327 AktG eingegliederte AG als OG darf wegen der Regelung des § 301 AktG vororganschaftliche Rücklagen nicht an den OT abführen (s Tz 412). Das gilt nach der hM (s § 17 KStG Tz 18) entspr für eine OG in der Rechtsform der GmbH. Die Regelung des § 301 AktG dient dem Schutz der außenstehenden Gesellschafter der OG, die bei einer Vollabführung der vorvertraglichen Rücklagen an den OT um ihren Anteil daran gebracht würden. § 301 AktG verbietet nicht, weil daran auch die außenstehenden Gesellschafter partizipieren, die Ausschüttung der vororganschaftlichen Rücklagen.
Bei einer nach den §§ 319 bis 327 AktG eingegliederten AG als OG sind nach § 324 Abs 2 die §§ 293 bis 296, 298 bis 303 AktG nicht anzuwenden. Löst eine solche OG ihre vororganschaftlichen Rücklagen zugunsten des an den OT abzuführenden Gewinns auf, verstößt sie hr-lich nicht gegen das Abführungsverbot (s Tz 419).
11.2.1.2 Steuerrechtliche Behandlung
Tz. 879
Stand: EL 110 – ET: 06/2023
Nicht eingegliederte Organgesellschaft
Ein Verstoß gegen das handelsrechtliche Abführungsverbot führt stlich zur Nichtanerkennung der Organschaft (s R 14.5 Abs 4 KStR 2022). Ebenfalls hierzu, auch wegen Heilungsmöglichkeiten s Tz 414 und s Tz 535.
Nach R 14.5 Abs 4 S 4 und 5 KStR 2022 gelten für an den OT ausgeschüttete vororganschaftliche Rücklagen die allg Grundsätze statt der Sonderregelung des § 14 KStG, dh die Dividendenbesteuerung verdrängt insoweit die Organschaftsregelungen. Der Betrag der GA deckt sich mit dem der aufgelösten Rücklage. Wegen der stlichen Umdeutung einer in vororganschaftlicher Zeit verursachten Mehrabführung bei mittelbarer Organschaft s Tz 995.
Bis VZ 2006: Eine KSt-Minderung nach § 37 KStG bzw eine KSt-Erhöhung nach § 38 KStG ist Ertrag bzw Aufwand des Wj, in dem die Ausschüttung erfolgt und erhöht bzw vermindert die Gewinnabführung in dem Jahr, in dem die Ausschüttung erfolgt (ebenso hierzu s Tz 412).
Ab VZ 2008: In Folge der Systemumstellung auf eine ratierliche Auszahlung des restlichen KSt-Guthabens in zehn Jahresraten (s § 37 Abs 5 KStG) und eine ratierliche Fälligstellung der KSt-Erhöhung in zehn Jahresraten (s § 38 Abs 6 KStG) ergeben sich auch Auswirkungen auf die Organschaft. Für ihre eigenen vororganschaftlichen Rücklagen steht der OG selbst der Auszahlungsanspruch nach § 37 Abs 5 KStG zu bzw ist sie zur Entrichtung der Jahresraten hinsichtlich der KSt-Erhöhung verpflichtet. Eine durch die Aktivierung des abgezinsten Anspruchs erhöhtes handelsrechtliches Ergebnis unterliegt der Pflicht zur Gewinnabführung an den OT (s Schr des BMF v 14.01.2008, BStBl I 2008, 280). Entspr verringert sich durch die Passivierung der abgezinsten Verpflichtung auf ratierliche Zahlung der KSt-Erhöhung die Höhe der Gewinnabführung.
Tz. 880
Stand: EL 110 – ET: 06/2023
Eingegliederte Organgesellschaft
Nach R 14.6 Abs 3 S 4 KStR 2022fällt die bei diesen OG zulässige Vollabführung der vororganschaftlichen Rücklagen an den OT nicht unter die Sonderregelung des § 14 KStG, sondern unterliegt den allg stlichen Vorschriften zur Dividendenbesteuerung. Wegen Einzelheiten s Tz 419.
11.2.2 Wirksamwerden des Gewinnabführungsvertrags vor dem Beginn der körperschaftsteuerlichen Organschaft
11.2.2.1 Rechtslage bis zum Veranlagungszeitraum 2002, wenn der Gewinnabführungsvertrag vor dem 20.11.2002 abgeschlossen worden ist
Tz. 881
Stand: EL 110 – ET: 06/2023
Nach § 14 Abs 1 S 1 Nr 3 KStG idF vor seiner Änderung durch das StSenkG muss der GAV bis zum Ende des Wj der OG, für das erstmals die Einkommenszurechnung zum OT erfolgen soll, auf mind fünf Jahre abgeschlossen und bis zum Ende des folgenden Wj wirksam werden.
Wenn ein im Wj 01 mit Wirkung ab dem 01.01.01 abgeschlossener GAV erst in dem Wj 03 in das HReg eingetragen wird, kann die kstliche Organschaft frühestens für das Wj 02 anerkannt werden.
Die stliche Anerkennung ab dem Wj 02 setzt aber voraus, dass der GAV ab diesem Jahr eine Laufzeit von mind fünf Jahren hat. Diese Voraussetzung war in der Praxis nur efüllt, wenn bei Abschluss des Vertrags von vornherein eine längere Laufzeit als fünf Jahre vereinbart war oder wenn noch im Jahr 02 die Vertragslaufzeit entspr verlängert wurde.
11.2.2.2 Rechtslage ab dem Veranlagungszeitraum 2002, wenn der Gewinnabführungsvertrag nach dem 20.11.2002 abgeschlossen worden ist, ansonsten ab dem Veranlagungszeitraum 2003
Tz. 882
Stand: EL 110 – ET: 06/2023
Nach § 14 Abs 1 S 1 Nr 3 iVm mit S 2 KStG muss der GAV auf mind fünf Jahre abgeschlossen sein; das Einkommen der OG ist dem OT erstmals für das Kj zuzurechnen, in dem das Wj der OG endet, in dem der GAV wirksam wird.
Wenn ein im Wj 01 mit Wirkung ab dem 01.01.01 abgeschlossener GAV erst im Wj 02 in das HReg eingetragen wird, kann die kstliche Organschaft frühestens für das Wj 02 anerkannt werden (s Tz 348). Die stliche Anerkennung ab dem Wj 02 setzt eine fünfjährige Laufzeit ab diesem Jahr voraus.
11.2.3 "Vororganschaftliche Rücklagen" nur in der Steuerbilanz
Tz. 883
Stand: EL 110 – ET: 06/2023
Mehrabführungen mit Verursachung in vororganschaftlicher Zeit werden für stliche Zwecke wie eine GA behandelt, entspr Minderabführungen werden stlich wie eine Einlage behandelt (s § 14 Abs 3 KStG). Dazu näher s Tz 965ff.
Die für GA geltenden Grundsätze können trotz bestehender Organschaft auch im Fall vororganschaftlich verursachter Mehrabführungen bei mittelbarer Organschaft anzuwenden sein (s Tz 994ff).