Ewald Dötsch, Thomas Stimpel
Tz. 17
Stand: EL 111 – ET: 09/2023
Das Verhältnis des § 15 UmwStG zur FRL der EU (RL v 23.07.1990 idF des RL 2005/19/EG v 17.02.2005, ABl NrL 58, 19) erscheint nicht abschließend geklärt (s Tz 103). Da die FRL nur Auf- und Abspaltungen regelt, an denen Gesellschaften aus zwei oder mehr Mitgliedstaaten beteiligt sind, nicht jedoch den reinen Inl-Fall, stellt sich die Frage, ob die Bestimmungen der FRL auch für reine Inl-Fälle maßgeblich sind. Die FinVerw bejaht dies (s UmwSt-Erl 2011 Rn 15.02). Bedeutung hat das insbes für den Teilbetriebsbegriff (dazu s Tz 96ff).
Wie Bleifeld (in F/D, § 15 UmwStG, Rn 3) zutr ausführt, stand es dem dt Ges-Geber frei, die Regelungen der FRL für nationale Vorgänge zu übernehmen. Wenn feststände, so Bleifeld, dass der dt Ges-Geber dies getan hat, dürfe man die in § 15 UmwStG enthaltenen Begriffe nicht abweichend von denen der FRL auslegen (s Urt des EuGH v 07.01.2003, BStBl II 2004, 144).
Nach Auff von Bleifeld (in F/D, § 15 UmwStG, Rn 5) hat der Ges-Geber des SEStEG, weil er nicht zwischen Fällen, in denen er die FRL zwingend umzusetzen hatte und anderen (insbes reinen Inl-Fällen) unterschieden hat, in § 15 UmwStG idF des SEStEG vollumfänglich die FRL umgesetzt, und zwar auch für Inl-Fälle. Ähnlich s Schumacher (in R/H/vL, 3. Aufl, § 15 UmwStG Rn 84ff) unter Hinw auf die amtl Ges-Begr (s BT-Drs 16/2710, 35
). Danach war es der Wille des Ges-Gebers des SEStEG, durch das die FRL umgesetzt wurde, dass dadurch "europaweit die gleichen Grundsätze für inl und für alle grenzüberschreitenden Umstrukturierungen von Unternehmen" gelten sollen.
Auch die FinVerw geht (s Tz 101 und 104) davon aus, dass mit dem SEStEG die FRL in nationales dt Recht umgesetzt worden ist und dass deshalb der europäische Teilbetriebsbegriff selbst für Spaltungen gilt, bei denen die übertragende und die übernehmende Kö im Inl ansässig sind. Sieht man indes in der Regelung in § 15 UmwStG keine ausdrückliche Umsetzung des europäischen Teilbetriebsbegriffs nach Maßgabe der FRL, wäre der rein nationale Teilbetriebsbegriff maßgeblich. Diese Sichtweise scheint eher auf der Linie der BFH-Rspr zu liegen. So hat der BFH mit Urt v 15.04.2015 (BStBl II 2017, 136) ausdrücklich klargestellt, dass von der FRL nur zwischenstaatliche (und nicht rein nationale) Vorgänge erfasst sind. Dieses Urt ist zwar in einem anderen Sachzusammenhang ergangen (es ging um die Verfassungsmäßigkeit der Sperrfristregelungen bei alten einbringungsgeborenen Anteilen), die klare Aussage des BFH wirkt indes verallgemeinerungsfähig.
Auch für grenzüberschreitende Hinaus-Spaltungen von D ins EU-Ausl besteht eine Bindung des dt StR an die FRL, diese ging jedoch mangels einer hr-lichen Regelung zur grenzüberschreitenden Spaltung (s Tz 47) zunächst ins Leere (aA s Blumers, BB 2008, 2041; s Schumacher/Neumann, DStR 2008, 325, 329; und s Schumacher, in R/H/vL, 3. Aufl, § 15 UmwStG Rn 52). Eine Bindung an die FRL besteht weiter bei einer grenzüberschreitenden Herein-Spaltung aus dem EU-Ausl nach D.
Ab dem 01.02.2023 sind derartige grenzüberschreitende Spaltungen innerhalb des EU- bzw EWR-Raums nach §§ 320–332 UmwG tats möglich.
Tz. 18
Stand: EL 111 – ET: 09/2023
Nach Auff von Gille (IStR 2007, 194) und Schumacher (in R/H/vL, 3. Aufl, § 15 UmwStG Rn 227, 240, 245 und 272) verstößt § 15 UmwStG idF des SEStEG in mehrfacher Hinsicht gegen EU-Recht, weil er über den Art 11 Abs 1 Buchst a FRL hinausgehende typisierende Missbrauchsregelungen enthält. Nach EU-Recht sind Regelungen einzelner Staaten, in denen typisierend eine St-Umgehung unterstellt wird, unzulässig. Dazu gehören nach Gille (IStR 2007, 194) sowohl der in § 15 Abs 1 UmwStG geregelte nationale Teilbetriebsbegriff (dieser Punkt ist wg des Umschwenkens der FinVerw auf den EU-Teilbetriebsbegriff inzwischen erledigt) als auch die in § 15 Abs 2 S 4 UmwStG enthaltene sog Nachspaltungsveräußerungssperre und die in § 15 Abs 2 S 5 UmwStG enthaltene Fünfjahresregelung für die Trennung von Gesellschafterstämmen (ebenso hierzu s Tz 333).