Tz. 13
Stand: EL 116 – ET: 12/2024
Mit der Umsetzung der Verschmelzungs-RL beabsichtigte der dt Ges-Geber zwar auch, die Anforderungen des EuGH für den wirtsch wichtigen Bereich der grenzüberschreitenden Verschmelzung (s Urt des EuGH v 13.12.2005 – Rs C-411/03, SEVIC Systems, ABl EU 2006, Nr C 36, 5) umzusetzen (s BR-Drs 548/06, 19ff). Die Neuregelung der §§ 122a ff UmwG durch das Zweite Ges zur Änderung des UmwG (BGBl I 2007, 542) reichte indessen nicht über die Verschmelzung von Kap-Ges hinaus (zur Frage, ob infolge der Verschmelzungs-RL zusätzlich die Möglichkeit zum grenzüberschreitenden Formwechsel hätte geschaffen werden müssen, s Forsthoff, DStR 2006, 614). Andere Umw-Arten mit Ausl-Bezug blieben deswegen – bis zum Inkrafttreten des UmRuG (s Tz 14ff) – vorerst ungeregelt. Der Ges-Geber berief sich darauf, dass insoweit in absehbarer Zeit nicht mit harmonisierendem Gemeinschaftsrecht zu rechnen sei und verwies auf eine bei 28 Mitgliedstaaten und weiteren drei EWR-Staaten nahezu unüberschaubar große Anzahl von gesellschaftsrechtlichen Kombinationsmöglichkeiten sowohl was die möglichen Umw-Arten als auch die beteiligten Rechtsformen angeht. Offenbar schwebte dem Ges-Geber ein kollisionsrechtlicher Ansatz zur Lösung dieser Frage vor (s BR-Drs 548/06, 20f).
Tz. 14
Stand: EL 116 – ET: 12/2024
Mit dem UmRuG v 22.02.2023 (BGBl I 2023, Nr 51) wurde die RL (EU) 2019/2121 des Europäischen Parlaments und des Rates v 27.11.2019 zur Änderung der RL (EU) 2017/1132 in Bezug auf grenzüberschreitende Umw, Verschmelzungen und Spaltungen (ABl L 321 v 12.12.2019, 1; L 20 v 24.01.2020, 24) – Umw-RL – in nationales Recht umgesetzt. Die Umw-RL schafft erstmals einheitliche Vorgaben für grenzüberschreitende Spaltungen zur Neugründung und für grenzüberschreitende Formwechsel. Die Vorgaben der Umw-RL zur Ausdehnung des Anwendungsbereichs von grenzüberschreitenden Umw wurden infolge der Rspr des EuGH zu den Grundfreiheiten des AEUV erforderlich. Zur bisherigen Kritik im Einzelnen s Leible/Hoffmann, DB 2002, 2203; s Forsthoff, DB 2002, 2471; s Paefgen, DB 2003, 487; s Großerichter, DStR 2003, 159; s Bungert, DB 2003, 1043; s Hahn, in Reform des UmwStR, Rn 774.
Die Kernaussagen des EuGH sind:
Die Mitgliedstaaten müssen den identitätswahrenden Zuzug anderer EU-Kap-Ges durch Verlegung des Verwaltungssitzes (der weitgehend dem Ort der Geschäftsleitung entspr) in das Inl erlauben, wenn dies nach dem Recht am statutarischen Sitz der Gesellschaft (Gründungsstatut) möglich ist. Diese Verpflichtung ist den Entsch des EuGH in den Rs Daily Mail (s Urt des EuGH v 27.09.1988, Slg 1988, 5483); Centros (s Urt des EuGH v 09.03.1999, NJW 1999, 2027); Überseering (s Urt des EuGH v 05.11.2002, NJW 2002, 3614); und Inspire Art (s Urt des EuGH v 30.09.2003, ZIP 2003, 1885) zu entnehmen. Den zivilrechtlich zuziehenden Gesellschaften ausl Rechts muss die gleiche Rechtsposition eingeräumt werden wie Gesellschaften inl Rechts. Die im Wegzugsstaat mit Gründungstheorie erlangte Rechtsfähigkeit der Gesellschaft ist auch im Zuzugsstaat anzuerkennen und darf nicht an zusätzliche nationale Bedingungen geknüpft werden.
Die Rspr des EuGH reicht wohl nicht so weit, Gesellschaften gegen die Regeln ihres Gesellschaftsstatuts den Wegzug in einen anderen Mitgliedstaat zu ermöglichen. Das hat der EuGH in seiner Entsch in der Rs Cartesio (s Urt des EuGH v 16.12.2008, NJW 2009, 569) nochmals ausdrücklich klargestellt. Eine Gesellschaft hat damit nach wie vor jenseits der nationalen Rechtsordnung, die ihre Gründung und ihre Existenz regelt, keine Realität. Das gilt auch für dt Kap-Ges. AG und GmbH können zwar nach § 4a GmbHG und § 5 AktG idF des MoMiG (G v 23.10.2008, BGBl I 2008, 2026) ihren Verwaltungssitz ins Ausl verlegen. Insbes ist fraglich, ob damit bereits die bislang geltende Sitztheorie kollisionsrechtlich aufgegeben wurde. Denn zu einer diesbzgl Regelung im Internationalen Privatrecht kam es im Zuge des MoMiG nicht. Im Einzelnen hierzu s Schnittker/Benecke (FR 2010, 565ff).
In der Rs Sevic (s Entsch des EuGH v 13.12.2005, GmbHR 2006, 140) befasste sich der EuGH mit dem Fall einer grenzüberschreitenden Verschmelzung und entschied, dass die Eintragung der Verschmelzung einer Gesellschaft durch Auflösung ohne Abwicklung und durch Übertragung ihres Vermögens als Ganzes auf eine andere Gesellschaft in das nationale HReg zu erfolgen hat, wenn eine der beiden Gesellschaften ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat und ein vergleichbarer Vorgang mit ausschl inl Gesellschaften eingetragen worden wäre (zu den Folgen dieser Entsch für die Sitztheorie s Kuntz, IStR 2006, 225ff; s Sedemund, BB 2006, 520ff). Der Entsch lag die Hereinverschmelzung einer luxemburgischen SA auf eine dt Gesellschaft (AG) zugrunde. Deren Eintragung ins HReg war vom zuständigen AG Neuwied zunächst mit der Begr zurückgewiesen worden, dass § 1 Abs 1 Nr 1 UmwG nur die Verschmelzung von Rechtsträgern mit Sitz in D vorsehe. Im Beschwerdeverfahren legte das LG Koblenz die Frage dann dem EuGH vor. Auch we...