2.1 Förderung der Allgemeinheit (§ 52 Abs 1 AO)
2.1.1 Grundsatz
Ausgewählte Literaturhinweise: Allgemeiner Literaturhinweis:
Gast-de Haan, Die Förderung der "Allgemeinheit" als Voraussetzung für die stliche Anerkennung der Gemeinnützigkeit von Vereinen, DStR 1996, 405;
Droege, Europäisierung des Gemeinnützigkeitsrechts – Der offene St-Staat im europäischen Gemeinwohlverbund, StuW 2012, 256;
Schienke-Ohletz, Besonderheiten des Gemeinnützigkeitsrechts bei Förderung der Entwicklungsarbeit, FR 2012, 616;
Hüttemann, Kein allg-politisches Mandat für gemeinnützige Kö – Anm zum Attac-Urteil des BFH v 10.01.2019, DB 2019, 744;
Weitemeyer, Zur Zulässigkeit politischer Betätigungen von gemeinnützigen Organisationen nach dem Attac-Urteil des BFH, npoR 2019, 97.
Tz. 16
Stand: EL 103 – ET: 09/2021
Eine Förderung gemeinnütziger Zwecke liegt vor, wenn die Tätigkeit der Kö darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern (§ 52 Abs 1 S 1 AO). Demnach ist für die Bejahung gemeinnütziger Zwecke erforderlich, dass die Tätigkeit der Kö
- ihrer Art nach dem allg Besten nutzen soll (s Tz 17–19),
- sich auch an die Allgemeinheit richtet (s Tz 21–26) und
- selbstlos ausgeübt wird (s Tz 41ff).
Dies gilt auch für Tätigkeiten im Ausl (s Tz 8–11).
Zur Erweiterung der gemeinnützigen Katalogzwecke durch das JStG 2020, vgl die Ausführungen in Tz 31.
2.1.2 Nutzen zum allgemeinen Besten
Tz. 17
Stand: EL 103 – ET: 09/2021
Der Nutzen zum allg Besten kann auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet liegen. Zu beurteilen ist dies nach objektiven Kriterien (s Urt des BFH v 13.12.1978, BStBl II 1979, 482, "Schnellbahntrassen"-Urt). Dabei ist an eine Vielzahl von Kriterien anzuknüpfen, insbes an die herrschende Staatsverfassung, die geistige und kulturelle Ordnung, sozialethische und religiöse Prinzipien, Forschung, Wissenschaft und Technik, Wirtschafts- und Sozialstruktur, aber auch an die Wertvorstellungen der Bevölkerung (s Urt des BFH v 13.12.1978, BStBl II 1979, 482). Eine feste, offen- oder allgemeinkundige Meinung der Bevölkerung kann dabei als Indiz für die Frage nach einem objektiven Nutzen der Tätigkeit für das allg Beste zu berücksichtigen sein (s Urt des BFH v 20.01.1972, BStBl II 1972, 440). Diese Indizwirkung der Auff der Bevölkerung muss jedoch dann zurücktreten, wenn es sich zB um neue Entwicklungen auf den Gebieten der Forschung, Wissenschaft und Technik einschl ihrer praktischen Anwendung (s Urt des BFH v 13.12.1978, BStBl II 1979, 482), nichtchristliche Religionen oder bestimmte Kunstrichtungen (s Urt des BFH v 31.10.1963, BStBl III 1964, 83) handelt.
Auch die Betätigung einer gemeinnützigen Kö mit politischer Ausrichtung ist dann nicht gemeinnützigkeitsschädlich, wenn sie der Verfolgung gemeinnütziger Zwecke dient und diesem gemeinnützigen Zweck funktional untergeordnet ist.
Aber: Eine gemeinnützigkeitsschädliche Betätigung liegt dagegen vor, wenn die politische Zielrichtung der Betätigung einer gemeinnützigen Kö Selbstzweck ist (vgl Urt des BFH v 10.01.2019, BStBl II 2019, 301. Die Fin-Verw hat hierzu in einer Mitteilung des OFD Karlsruhe vom 02.12.2019, DStR 2020, 661, Stellung genommen).
Das FG He hat in seinem Urt v 26.2.2020, EFG 2020, 1365, Rev eingelegt, AZ des BFH V R 14/20, entschieden, dem Attac-Trägerverein die Gemeinnützigkeit für die strittigen Jahre abzuerkennen. Vom FG He wurde damit die Vorgabe des BFH erfüllt, da die Sache zur Endentsch an das FG He zurückverwiesen wurde (vgl Urt des BFH v 10.01.2019, BStBl II 2019, 301).
Der BFH hat mit Beschluss vom 10.12.2020,, DStR 2021, 218, seine bisherige Auffassung bestätigt und die Gemeinnützigkeit aberkannt. Hiergegen wurde mittlerweile Verfassungsbeschwerde eingelegt.
Das FG He setzt mit seinem Urt v 26.02.2020 in der Rs Attac die Vorgaben des BFH um, wonach über den Status der Gemeinnützigkeit des Attac-Trägervereins endgültig zu entscheiden war. Mit dem vorliegenden Urteil wurden die nachzuholenden Feststellungen getroffen, insbes hinsichtlich der strittigen Begriffe der Förderung der Volksbildung (§ 52 Abs 2 Nr 7 AO) und des demokratischen Staatwesens (§ 52 Abs 2 Nr 24 AO). Weil nach Ansicht des BFH von Seiten des FG He vormals eine zu weite Begriffsauslegung erfolgt sei, entschied das FG He nunmehr im vorliegenden Urt aufgr der BFH-Maßgaben, dass die tats Geschäftsführung des Attac-Trägervereins schädlich für die Förderung der politischen Bildung gewesen ist. Die Gemeinnützigkeit wurde entspr aberkannt. Die Betätigung des Attac-Netzwerkes hat die zulässigen Grenzen von st-begünstigter Bildungsarbeit durch die Einflussnahme auf die politische Willensbildung und Gestaltung der öff Meinung überschritten.
Tz. 18
Stand: EL 103 – ET: 09/2021
Gem der Rspr des BFH (s Urt des BFH v 31.05.2005, BFH/NV 2005, 1741) wird der Begriff "Förderung der Allgemeinheit" in § 52 Abs 1 S 1 AO wes geprägt durch die objektive Wertordnung, wie sie insbes im Grundrechtskatalog der Art 1 bis 19 GG zum Ausdruck kommt. Daher ist ein Verein, der sich zur art- und wesensgemäßen Ungleichheit von Menschen bekennt und dessen Mitglieder sich im Lebenskampf mit anderen "Arten" sehen, und damit im Widerspruch zum Wer...