2.3.1 Begriff "Genussrechte"
Tz. 102
Stand: EL 113 – ET: 03/2024
Eine ges Definition des Begriffs "Genussrechte" gibt es weder hr- noch st-rechtlich. Sie sind eine Schöpfung der Wirtschaftspraxis; s Friedländer (DStZ 1966, 242). Genussrechte werden lediglich in §§ 160, 221 und 347a AktG erwähnt, jedoch nicht definiert. Nach § 160 Abs 1 Nr 6 AktG sind in jedem Geschäftsbericht Angaben über Genussrechte zu machen. § 221 Abs 3 AktG verlangt einen Beschl der HV mit ¾-Mehrheit für die Ausgabe von Genussrechten. Die Ausgabe von Genussrechten ist aber nicht an die Rechtsform der AG geknüpft. Sie können also auch von einer GmbH, einer Kap-Ges anderer (auch ausl) Rechtsform oder einer Gen ausgegeben werden; s Gosch (in Gosch, 4. Aufl, § 8 KStG Rn 149) und s Stein (in H/H/R, § 8 KStG Rn 170).
Tz. 103
Stand: EL 113 – ET: 03/2024
Ein Genussrecht liegt vor, wenn dem Inhaber des Rechts als Gegenleistung für seine Kap-Überlassung gesellschaftsrechtliche Vermögensrechte, insbes Anteile am Gewinn und/oder am Liquidationserlös, eingeräumt werden. Es handelt sich also um schuldrechtliche Gläubigerrechte, durch die dem Rechteinhaber grds Vermögensrechte zugestanden werden, die typischerweise nur Gesellschaftern zustehen; s Rn 1 des Schr des BMF v 11.04.2023 (BStBl I 2023, 672). Die Rspr und die hM im Schrifttum gehen davon aus, dass es sich dabei aber dennoch zivilrechtlich um ein Gläubigerrecht und nicht um ein Mitgliedschaftsrecht handelt, zB s Gosch (in Gosch, 4. Aufl, § 8 Rn 149). Ein Genussrechtsvertrag in seiner üblichen Ausgestaltung begründet deshalb idR keine Verwaltungsrechte der Gesellschaft, sondern nur Vermögensrechte; s Urt des BFH v 19.01.1994 (BStBl II 1996, 77) und s Urt des BGH v 05.10.1992 (BB 1993, 452); s Neumann (in R/H/N, § 8 KStG Rn 1258). Dazu auch Rn 1 des Schr des BMF v 11.04.2023 (BStBl I 2023, 672) mit dem Hinw, dass bei einer anderweitigen Ausgestaltung, nämlich bei Vermittlung von gesellschaftsrechtlich geprägten Verwaltungsrechten (Kontrollrechte, Stimm- und Anwesenheitsrecht in der Gesellschafterversammlung) keine Genussrechtsvereinbarung idS mehr vorliegt (sondern wohl ein originäres Beteiligungsrecht = Ausnahmefall in der Praxis). Ein Genussrecht gewährt in seiner üblichlichen Ausgestaltung also lediglich schuldrechtliche Ansprüche ggü dem Emittenten. Hinsichtlich der Ausgestaltung der Genussrechte besteht allerdings Vertragsfreiheit; s Rn 1 des Schr des BMF v 11.04.2023 (BStBl I 2023, 672). In der Praxis sind deshalb sehr viele vd Arten von Genussrechtsvereinbarungen anzutreffen. Genussrechte sind ein Teilbereich der in der Praxis immer häufiger vorkommenden Mezzanine-Finanzierungen bzw hybriden Finanzierungen; s Schmeisser/Clausen (DStR 2008, 688); s Küting/Erdmann/Dürr (DB 2008, 941, 997); s Stollenwerk/Piron (GmbH-StB 2012, 150); s Höng (Ubg 2014, 27); und s Schulz/Kellmann (BB 2021, 1392). Anders als die Aufnahme neuer Gesellschafter haben solche Finanzierungen den Vorteil, dass den Kap-Gebern keine Anteile und somit auch keine Stimmrechte eingeräumt werden müssen und deshalb der Einfluss der Gesellschafter auf die unternehmerischen Entsch erhalten bleibt. Genussrechte sind deshalb auch gut als Form der Mitarbeiterbeteiligung geeignet; dazu s Weitnauer (GWR 2023, 271).
Tz. 104
Stand: EL 113 – ET: 03/2024
Typischerweise beinhalten Genussrechtsvereinbarungen Regelungen zum Umfang der Vermögensrechte, zur Verlustbeteiligung, zur Laufzeit sowie zu Kündigungs-, Informations- und Kontrollrechten; teilweise auch zum Rangrücktritt; s Rn 1 des Schr des BMF v 11.04.2023 (BStBl I 2023, 672; zum aus Sicht des HR für eine Behandlung als EK regelmäßig notwendigen Rangrücktritt s auch Tz 120). Die FinVerw weist dabei auch zutr darauf hin, dass ein schuldrechtliches Kap-Überlassungsverhältnis nicht dadurch ausgeschlossen wird, dass eine Genussrechtsvereinbarung vom Genussrechtsinhaber nicht gekündigt werden kann oder er die Rückzahlung erst im Zeitpunkt der Liquidation verlangen kann.
Die Bezeichnung einer Kap-Überlassung kann nur ein Indiz für oder gegen das Vorliegen eines Genussrechts sein. Die Abgrenzung eines solchen Genussrechts ist also nicht nach seiner Bezeichnung, sondern nach seinen Inhalten zu prüfen, die aufgr der Vertragsfreiheit im Einzelfall sehr unterschiedlich ausgestaltet sein können.
Allg zur Rechtsnatur und Ausgestaltung von Genussrechten s auch Urt des BGH v 05.10.1992 (BB 1993, 451).
Tz. 105
Stand: EL 113 – ET: 03/2024
Genussrechte können, müssen aber nicht in Urkunden ("Genussscheine") verbrieft sein. Ihre Ausgestaltung ist als Inhaber-, Order- oder als Namenspapiere möglich. Tw werden Genussscheine auch an der Börse gehandelt.
Auch die Art der Vergütung für die Genussrechte ist frei vereinbar. Der Genussrechtsinhaber kann nur am Gewinn, am Gewinn und am Liquidationserlös oder auch nur am Gewinn eines Teilbereichs des Unternehmens beteiligt sein. Alt kann ihm auch eine feste Verzinsung zugesagt sein. Denkbar ist dabei auch eine garantierte Mindestverzinsung mit einem erfolgsabhängigen Zuschlag. IdR ist auch eine Verlus...