Tz. 112
Stand: EL 101 – ET: 03/2021
Der Begriff der vGA in § 20 Abs 1 Nr 1 EStG ist nicht deckungsgleich mit dem vGA-Begriff in § 8 Abs 3 S 2 KStG. Die beiden Gesetzesvorschriften belegen unterschiedliche Tatbestände mit dem Begriff der vGA, die sich zwar im Regelfall überlagern, die aber in Sonderfällen auch unabhängig voneinander vorkommen können. Unter einer vGA iSd § 8 Abs 3 S 2 KStG ist eine Vermögensminderung bzw eine verhinderte Vermögensmehrung zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrags gem § 4 Abs 1 S 1 EStG iVm § 8 Abs 1 KStG auswirkt, in keinem Zusammenhang mit einer oGA steht und geeignet ist, bei dem AE einen Beteiligungsertrag iSd § 20 Abs 1 Nr 1 EStG herbeizuführen. Eine vGA iSd § 20 Abs 1 Nr 1 S 2 EStG ist gegeben, wenn die Kap-Ges ihrem AE außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vermögensvorteil zuwendet und diese Zuwendung ihren Anlass im Gesellschaftsverhältnis hat und der Vermögensvorteil beim AE zugeflossen ist (s Urt des BFH v 19.06.2007, BStBl II 2007, 830; v 21.08.2007, BFH/NV 2008 2133). Eine vGA setzt nicht voraus, dass die handelnden Personen subjektiv eine vGA vornehmen wollten. Sie müssen weder den Tatbestand einer vGA kennen noch ihre Handlungen rechtlich zutreffend einordnen. Auch ist keine Einigung zwischen Gesellschafter und Kap-Ges über eine verdeckte Zuwendung notwendig (s Urt des BFH v 28.01.1992, BStBl II 1992, 605, sowie s Urt des FG Nbg v 18.02.2016, EFG 2016, 907).
Eine vGA iSd § 20 Abs 1 Nr 1 S 2 EStG setzt – anders als eine vGA iSd § 8 Abs 3 S 2 KStG – einen Zufluss beim AE voraus. Die Feststellung einer vGA auf Ebene der Kap-Ges reicht demnach allein nicht aus, um auf Ebene des AE eine vGA anzusetzen. Ungeklärt ist, ob die Annahme einer vGA iSd § 20 Abs 1 Nr 1 S 2 EStG voraussetzt, dass sich durch die Vorteilsgewährung an den AE der Gewinn der Kö verringert hat bzw eine verhinderte Vermögensmehrung vorliegt (s Heger, juris PR-StR 1/2005 Anm 2, und s Urt des BFH v 25.05.2004, BFH/NV 2005, 105). Nach uE zutr Auff von Breier/Seidija (GmbHR 2011, 290, 291) setzt eine vGA iSd § 20 Abs 1 Nr 1 S 2 EStG eine Vermögensminderung/verhinderte Vermögensmehrung bei der Kap-Ges nicht voraus. Ebenso s § 8 Abs 3 KStG Teil C Tz 64.
Das verbindende Element zwischen der vGA iSd § 8 Abs 3 S 2 KStG und der iSd § 20 Abs 1 Nr 1 S 2 EStG ist die Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis, weil beide Regelungen daran anknüpfen, dass ein ordentlicher und gewissenhafter GF der Kap-Ges den fraglichen Vorteil nicht gewährt hätte (s Hey, in Tipke/Lang, StR, 23. Aufl, § 11 Rn 89; s Kohlhepp, DB 2007, 2446, 2447).
Beispiel für eine vGA, die die Rechtsfolgen des § 20 Abs 1 Nr 1 S 2 EStG, nicht jedoch die des § 8 Abs 3 S 2 KStG auslöst: Auflösung und Ausschüttung einer bereits versteuerten Rücklage an einen der AE.
Beispiele für vGA, die nur die Rechsfolgen des § 8 Abs 3 S 2 KStG bei der Kö auslösen, nicht jedoch die des § 20 Abs 1 Nr 1 S 2 EStG beim AE: der sog Tigerfall (dazu s Wassermeyer, DStR 1990, 158, 161 und s Scholtz, FR 1990, 350). Die GmbH schenkt ihrem AE zum Geburtstag einen Tiger, der auf dem Transport verendet (s § 8 Abs 3 KStG Teil C Tz 174). Weiter: Ein Ges-GF, dem die Kap-Ges eine überhöhte Pensionszusage erteilt hat, verstirbt vor Eintritt des Pensionsfalls.
Eine vGA ist – außerhalb des Anwendungsbereichs des § 7 Abs 8 S 2 ErbStG (hierzu s gleich lautende Länder-Erl v 20.04.2018, BStBl I 2018, 632) – nicht gleichzeitig als freigebige Zuwendung iSv § 7 Abs 1 Nr 1 ErbStG zu behandeln (s Urt des BFH v 30.01.2013, BStBl II 2013, 930).
Tz. 113
Stand: EL 101 – ET: 03/2021
Nicht abschließend geklärt sind uE die stlichen Folgen der widerrechtlichen Geldentnahme ("Griff in die Kasse") durch einen nicht an der Kap-Ges beteiligten GF, der im Verhältnis zu einem der AE einer Familien-Kap-Ges nahestehend ist, ohne dass die Kap-Ges die Rückzahlung des Gestohlenen fordert.
Der I. Senat der BFH hat in zwei Urt (s Urt des BFH v 14.10.1992, BStBl II 1993, 351, 352 und BStBl II 352, 355) entschieden, dass der Kap-Ges auch tats Handlungen ihrer Organe (hier: GF) iS einer Handlungskausalität zuzurechnen sind und dass eine vGA iSd § 8 Abs 3 S 2 KStG anzunehmen ist (s § 8 Abs 3 KStG Anh ABC der VGA "Handlungen Bevollmächtigter"). AA s Flume (DB 1993, 1945) und s Kohlhepp (DB 2007, 2446, 2449), die eine Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis verneinen. Krit auch s Geist (BB 2012, 2339).
Der VIII. Senat des BFH (s Urt des BFH v 19.06.2007, BStBl II 2007, 830; dazu auch s FG Ddf, Beschl des Einzelrichters v 14.02.2005, EFG 2005, 959, rkr) hat entschieden, dass in den oa Fällen die widerrechtliche Geldentnahme durch den GF nicht dem nahestehenden AE der der Kap-Ges als vGA iSd § 20 Abs 1 Nr 1 S 2 EStG zuzurechnen ist, weil die Entreicherung der Kap-Ges nicht auf einer unmittelbaren gesellschaftsrechtlichen Beziehung zwischen der Kap-Ges und dem AE beruht, der dem GF nahe steht. Wegen der Zurechnung einer vGA in dem Fall, in dem der n...