Tz. 481
Stand: EL 116 – ET: 12/2024
Die vom BFH aufgestellte 75-/25-%-Grenze war uE weder systematisch notwendig, noch ist die Regelung praxistauglich. In der Wirtschaft ist eindeutig eine Tendenz zu einer immer stärkeren erfolgsabhängigen Vergütung im Managementbereich zu beobachten. Dies zeigt sich zB in der Diskussion über so genannte "Stock Options", die bei erfolgreicher Entwicklung eines Unternehmens zu hohen gewinnabhängigen Vergütungen der leitenden Mitarbeiter führen können; s zB bereits vor langer Zeit Kau/Leverenz (BB 1998, 2269). S dazu auch Frotscher (in F/D, Anh zu § 8 KStG, ABC der vGA "Tantieme/Höhe der Tantieme"), Diese Entwicklung wird durch die einschr BFH-Rspr weitgehend ignoriert. Gosch (in Gosch, KStG, 4. Aufl, § 8 Rn 1266) weist zwar zutr darauf hin, dass die erläuterte BFH-Rspr zu den Streitjahren 1987 bis 1989 ergangen sei. Es hätte sich dann allerdings angeboten, dass der BFH die 75/25-Regelvermutung für spätere Zeiträume aufhebt, was er bisher zumindest formal nicht getan hat.
Tz. 482
Stand: EL 116 – ET: 12/2024
Im Übrigen drängt die BFH-Rspr die Kap-Ges unweigerlich in Erhöhungen der Festgehälter. Diese müssen dann aber auch bezahlt werden, wenn die wirtsch Lage der Unternehmen sich negativ entwickelt. Damit führt die Auff des BFH in vielen Fällen genau dazu, was sie eigentlich verhindern wollte, nämlich zu einer verstärkten Gewinnabsaugung durch die Ges-GF. In der Fachlit wird die 75-/25-%-Grenze weitgehend abgelehnt; zB s Niehues (DB 1996, 2449 und DB 2002, 1579 mit Ausblick auf das nahende Ende der 75/25-Regelvermutung); s Neumann (GmbHR 1996, 740/748); s Rischar (BB 1997, 2302); s Glade (DB 1998, 691); s Rengers (in B/H, § 8 KStG Rn 702); und s Senger/Schulz (DStR 1997, 1830). Demggü der (vorsichtige) Versuch einer Rechtfertigung der BFH-Rspr bei Gosch (in Gosch, 43. Aufl, § 8 KStG Rn 1264ff), mit dem Ergebnis, dass dem Stpfl damit ein "faktisches Wahlrecht" an die Hand gegeben werden sollte (s Rn 1265), über die Anwendung der 75-/25-%-Grenze zu disponieren. Begrenzungsregelungen, die zu faktischen Wahlrechten für die Stpfl führen, sind uE aber unnötig; sie führen lediglich zu Verunsicherungen in der Praxis. UE macht es lediglich Sinn, reine Nur-Tantiemen als gesellschaftsrechtlich veranlasst anzusehen. Dies ist darin begründet, dass ein fremder GF das Risiko, in Verlustjahren überhaupt kein Gehalt zu beziehen, idR nicht eingehen würde; s dazu Neumann (in R/H/N, 2. Aufl, § 8 KStG Rn 1146 mwNachw). Das FG Münster hält dieses Argument allerdings dann nicht für durchgreifend, wenn der Ges-GF aus anderen Quellen existenzsichernde Festbezüge erhält; s Urt v 10.02.2003 (EFG 2003, 802). Darauf kann es uE aber nicht ankommen.
Tz. 483
Stand: EL 116 – ET: 12/2024
Es ist sicherlich notwendig und sinnvoll, die Kap-Ges vor einer Gewinnabsaugung durch ihre Ges-GF zu schützen. Diesem Ziel könnte jedoch bereits durch die Begrenzung des Tantiemesatzes auf idR 50 % des Jahresüberschusses vor ErtrSt und Tantieme sowie durch eine weitgehende Nichtanerkennung von Nur-Tantiemen in ausreichendem Umfang Genüge getan werden.