4.1.1 Die Begriffe und ihr Zusammenhang
Tz. 850
Stand: EL 79 – ET: 12/2013
VGA wg eines Verstoßes gegen ein Wettbewerbsverbot und aufgrund der sog Geschäftschancenlehre stehen in einem engen Zusammenhang. Dies zeigt sich sowohl inhaltlich als auch in der Rechtsentwicklung der letzten Jahrzehnte.
Bei beiden Themenkreisen geht es um die Frage, ob ein Ges-GF einer Kap-Ges außerhalb "seiner" Kap-Ges auf eigene Rechnung oder auch im Rahmen einer anderen Gesellschaft tätig sein darf und welche Folgen sich ggf ergeben, wenn er eine solche Tätigkeit ausübt. Einerseits geht es dabei um zivilrechtl Fragen (Wettbewerbsverbot), andererseits um eine wirtschaftl Betrachtung (Geschäftschancenlehre). Hintergrund ist aber jeweils, dass der Kap-Ges durch eine Tätigkeit des Gesellschafters Gewinne "entzogen" werden, die sie ohne diese Tätigkeit selbst erzielt hätte oder hätte selbst erzielen können. Im Ergebnis geht es also jeweils darum, Gewinnverlagerungen auf den Gesellschafter zu verhindern. Dabei gilt es aber sowohl beim Wettbewerbsverbot als auch bei der Geschäftschancenlehre, im Gesellschaftsverhältnis veranlasste Gewinnverlagerungen von denen abzugrenzen, die man auch gegenüber einem Nicht-Gesellschafter hingenommen hätte. In der Rechtsfolge kann eine Korrektur zum einen durch die ertragswirksame Aktivierung von Schadensersatzansprüchen (= vorrangig vor dem Ansatz einer vGA) und zum anderen durch den (außerbil) Ansatz einer vGA erfolgen (Näheres s Tz 877ff).
Tz. 851
Stand: EL 79 – ET: 12/2013
Verstößt ein Ges-GF gegen ein bestehendes Wettbewerbsverbot, ergeben sich daraus zivilrechtl Ansprüche der Kap-Ges. Macht sie diese nicht oder nicht rechtzeitig geltend, kann darin eine vGA begründet sein. Ein solcher Verstoß kann allerdings nur dann vorliegen, wenn – was eigentlich selbstverständlich sein sollte, es aber nicht immer war – überhaupt ein Wettbewerbsverbot besteht. Näheres dazu s Tz 89ff.
Tz. 852
Stand: EL 79 – ET: 12/2013
Bei der Geschäftschancenlehre geht es dagegen – unabhängig vom Zivilrecht – darum, ob die Gesellschaft sich eine ihr ergebende und zustehende Geschäftschance zugunsten ihres Gesellschafters nicht ausnutzt, sondern es ihm vielmehr ermöglicht, das Geschäft für eigene Rechnung abzuschließen (Näheres dazu s Tz 900ff). Dabei kann sich auch die Frage stellen, ob der Gesellschafter (zB im Rahmen eines von ihm unterhaltenen Einzelunternehmens) für seine Kap-Ges auch als Subunternehmer tätig sein kann und darf. Auch die Nutzung von Wissen und Kenntnissen der Kap-Ges durch ihren Gesellschafter kann zu einem Anwendungsfall der Geschäftschancenlehre führen.
In der Lit wird das Wettbewerbsverbot tw als Unterfall der Geschäftschancenlehre angesehen; s B. Lang (in E&Y, KStG, § 8 Rz 1240.1) und s Staiger (in E&Y, vGA/vE, F 4 "Wettbewerbsverbot/Geschäftschancenlehre", Rz 27 mwNachw).
Tz. 853–854
Stand: EL 79 – ET: 12/2013
vorläufig frei
4.1.2 Rechtsentwicklung
Tz. 855
Stand: EL 79 – ET: 12/2013
In seiner älteren Rspr hat der BFH zunächst vorrangig auf die Frage abgestellt, ob die Tätigkeitsbereiche einer Kap-Ges und ihres (beherrschenden) Ges-GF im Vorhinein klar und eindeutig voneinander abgegrenzt sind (s Urt des BFH v 27.01.1971, BStBl II 1971, 352, und v 01.10.1986, BFH/NV 1987, 242, mwNachw). Die Geschäftschancenlehre spielte in dieser Zeit allenfalls eine untergeordnete Rolle.
Tz. 856
Stand: EL 79 – ET: 12/2013
In den Jahren 1987 bis 1990 war die Rspr dann stärker durch das Zivilrecht geprägt. Danach nahm der BFH eine vGA an, wenn eine Kap-Ges Ansprüche auf Schadensersatz oder auf Herausgabe eines erlangten Gewinns nach der Verletzung eines Wettbewerbsverbots gegenüber ihrem Ges-GF nicht geltend gemacht oder für eine Befreiung von einem Wettbewerbsverbot keine angemessene Gegenleistung verlangt habe. Dabei verlangte der BFH nach wie vor eine klare und eindeutige Abgrenzung der Tätigkeitsbereiche von Kap-Ges und ihrem Gesellschafter (dazu s Urt des BFH v 11.02.1987, BStBl II 1987, 461; v 14.03.1989, BStBl II 1989, 633; v 12.04.1989, BStBl II 1989, 636; v 26.04.1989, BStBl II 1989, 673). Daneben sollte von einer vGA nur dann abgesehen werden können, wenn eine Befreiung vom Wettbewerbsverbot vorlag. Dafür musste ggf eine angemessene Entschädigung gezahlt werden.
Die Fin-Verw ist dieser Rechtsprechung gefolgt und hat ergänzende Auslegungsregelungen erlassen (s Schr des BMF v 04.02.1992, BStBl I 1992, 137, mit Nachbesserungen in s Schr des BMF v 15.12.1992, BStBl I 1993, 24 und v 29.06.1993, BStBl I 1993, 556).
Tz. 857
Stand: EL 79 – ET: 12/2013
In der Folgezeit ergab sich eine umfassende und hitzige Diskussion in der Fach-Lit sowie in einschlägigen Seminaren über die Richtigkeit der BFH-Rspr und der ihr folgenden Auff der Fin-Verw. Man konnte seinerzeit den Eindruck gewinnen, dass es außerhalb des Themenbereichs "Wettbewerbsverbot" keine vGA-Probleme mehr gäbe (s Hoffmann GmbH-StB 2003, 82: "Wettbewerbsverbot war 1992 das Steuer-Unwort des Jahres").
Tz. 858
Stand: EL 79 – ET: 12/2013
Die Kritik an der BFH- und Verw-Linie kam dabei nicht nur aus der Lit, sondern auch von Seiten des BMJ (s Ste...