Ewald Dötsch, Torsten Werner
4.2.1 Vor der Einfügung des § 20 Abs 2a (heute: Abs 5) EStG unvollständige gesetzliche Regelung
Tz. 103
Stand: EL 84 – ET: 08/2015
Aus § 38 AO folgt im Umkehrschluss, dass die Eink aus KapV demjenigen zuzurechnen sind, der den Tatbestand verwirklicht, an den das EStG die Entstehung von Eink aus KapV knüpft. Das führt zu der Frage, an welchen Tatbestand das EStG die Entstehung von Eink aus KapV knüpft und wann dieser Tatbestand verwirklicht ist. Die weitere Frage ist, ob dieser Besteuerungsgegenstand für alle in § 20 EStG angesprochenen Arten von Kap-Erträgen der gleiche ist oder ob für Dividenden etwas Besonderes gilt. Damit ist ein Themenkreis umschrieben, zu dem es vor Jahren in der Rspr sowie im Fachschrifttum erheblichen Meinungsstreit gab. Diesen Meinungsstreit hat der Gesetzgeber des StandOG v 13.09.1993 (BGBl I 1993, 1569) durch Einfügung des § 20 Abs 2a (heute: Abs 5) EStG in den Kernfragen entschieden. Dazu s Tz 214 ff.
Tz. 104
Stand: EL 84 – ET: 08/2015
Eine der Ursachen für den bis zu der Gesetzesänderung bestehenden Meinungsstreit war die unsaubere Gesetzesformulierung in § 20 Abs 2 Nr 2 S 2 EStG idF vor der Änderung durch das StandOG. Diese Vorschrift definierte den AE als denjenigen, dem nach § 39 AO die Anteile am KapV iSd § 20 Abs 1 Nr 1 EStG zuzurechnen sind (grds der Eigentümer). Was in § 20 Abs 2 Nr 2 S 2 EStG aF jedoch fehlte, war der zeitliche Bezug, dh die Aussage, zu welchem Zeitpunkt die AE-Eigenschaft bestehen muss, um die stliche Zurechnung von Dividendenerträgen zur Folge zu haben. Besondere Bedeutung erlangen die unterschiedlichen Auff zum Besteuerungsgegenstand bei den Eink aus KapV bei der Veräußerung des Stammrechts unter Zurückhaltung des Dividendenscheins (wegen Einzelheiten s Tz 225 ff) und bei der zeitanteiligen Aufteilung der zu erwartenden Dividende bei der Veräußerung des Stammrechts im Laufe des Wj der Kap-Ges (hierzu s Tz 268).
4.2.2 Der Kapitalnutzungsgedanke als allgemeingültige Zuordnungsregel?
Tz. 105
Stand: EL 84 – ET: 08/2015
Nach der früheren Rspr des VIII. Senats des BFH (insbes s Urt des BFH v 09.03.1982, BStBl II 1982, 540; v 29.11.1982, BStBl II 1983, 272, 274; v 22.05.1984, BStBl II 1984, 746; v 10.12.1985; BStBl II 1986, 342, 343; v 18.12.1986, BStBl II 1988, 521, 524; v 13.10.1987, BStBl II 1988, 252, 255; v 31.10.1989, BStBl II 1990, 532; v 24.04.1990, BStBl II 1990, 539 und v 30.04.1991, BStBl II 1991, 574: dazu auch s Scholtz, DStR 1990, 547) bezieht Einnahmen aus KapV, wer KapV gegen Entgelt zur Nutzung überlässt. Der VIII. Senat des BFH stellt auf die Tätigkeit der Kap-Überlassung ab und rechnet dem Kap-Geber die Erträge entspr der Dauer der Kap-Überlassung zu . Nach der Rspr des VIII. Senats sind die Eink aus KapV stlich demjenigen zuzurechnen, "dem die Einnahmen zivilrechtlich gebühren" . Der BFH (s Urt des BFH v 30.04.1991, BStBl II 1991, 574) führt aus, dass bei der Zurechnung von Kap-Erträgen die in § 101 Nr 2 Hs 2 BGB geregelte bzw eine im Einzelfall abw vereinbarte Aufteilung von Dividenden auch der Besteuerung zu Grunde zu legen ist (dazu auch s Gutbroch, GmbHR 1995, 551). Auch in späteren Urt (s Urt des BFH v 14.12.1999, BStBl II 2000, 34 und BFH/NV 2000, 707) hat der VIII. Senat des BFH seine frühere Rspr bestätigt.
Der GrS des BFH hat sich (s Beschl des BFH v 29.11.1982, BStBl II 1983, 272) dem Urt v 09.03.1982 (BStBl II 1982, 540) angeschlossen, brauchte sich darin aber nicht dazu zu äußern, wie eine von der Regel des § 101 Nr 2 Hs 2 BGB abw Vereinbarung zur Zurechnung der Dividenden stlich zu beurteilen ist. Wegen der Frage, wer den Tatbestand der Erzielung von Eink aus KapV erfüllt, hat selbst der I. Senat des BFH (s Urt des BFH v 18.12.1986, BStBl II 1988, 521, 524) auf die Rspr des VIII. Senats und des GrS hingewiesen, ohne sich jedoch im Urt-Fall detailliert damit auseinandersetzen zu müssen.
Döllerer (DStR 1984, 383, 390), Scholtz (DStZ 1990, 602) und Hönle (BB 1993, 252) sehen in dieser Rspr einen Grundsatz bestätigt, wonach für die stliche Zurechnung von Kap-Erträgen die zivilrechtliche Zuordnung maßgebend ist.
4.2.3 Das Rechtsverhältnis, das der Kapitalüberlassung zu Grunde liegt, als Besteuerungsgegenstand
Tz. 106
Stand: EL 84 – ET: 08/2015
In zwei Urt (s Urt des BFH v 21.05.1986, BStBl II 1986, 794 und v 21.05.1986, BStBl II 1986, 815) hat der I. Senat des BFH entschieden, dass bei dem Erwerb eines GmbH-Anteils vor dem Gewinnverteilungsbeschl die AK nicht auf das Stammrecht und ein daneben bestehendes WG "Gewinnbezugsrecht" aufgeteilt werden können. Im Urt-Fall war – abw von der Regel des § 101 Nr 2 Hs 2 BGB – vereinbart worden, dass dem Erwerber die Dividende für das gesamte Geschäftsjahr zustehen soll. Ebenfalls zu dieser Frage s Schr des BMF v 18.03.1980 (BStBl I 1980, 146). Danach ist der mit dem Stammrecht veräußerte, noch nicht entstandene Dividendenanspruch in voller Höhe als Kap-Ertrag dem Anteilserwerber zuzurechnen. Die Aufwendungen des Erwerbers einschl seiner Zuzahlung zur Abgeltung des auf die Besitzzeit des Erwerbers entfallenden Dividendenanspruchs sind danach AK für das Stammrecht.
Tz. 107
Stand: EL 84 – ET: 08/2015
Aus dieser Rspr leiten Voß (DB 1985, 1159); Wassermeyer (StuW 1988, 283, 288, 290, GmbHR 1989, 423); Seibold (StuW 1990, 165, 170) und Leberfinger (DStR 1991, 1205) zutr...