4.3.1 Hintergrund der Geschäftschancenlehre
Tz. 900
Stand: EL 79 – ET: 12/2013
Mit seiner Rspr-Änderung im Jahr 1995 (grundlegend s Urt des BFH v 30.08.1995, DStR 1995, 1873) hat der BFH den Fokus weg von den Verstößen gegen ein Wettbewerbsverbot hin zur mehr wirtschaftlich geprägten Prüfung gelenkt, ob der Gesellschafter eine Geschäftschance der Kap-Ges nutzt und dafür kein Entgelt entrichtet, obwohl von einem fremden Dritten ein Entgelt verlangt worden wäre.
Tz. 901
Stand: EL 79 – ET: 12/2013
Zwar wird bei der hier vorliegenden Thematik häufig vom Primat des Zivilrechts gesprochen (zB s Gosch, in Gosch, KStG, 2. Aufl, § 8 Tz 1355); dies gilt allerdings nur systematisch. Faktisch besteht eindeutig ein Primat der wirtschaftlichen Betrachtungsweise: Wird eine Geschäftschance verbilligt vom Gesellschafter genutzt, erhöht dies das Einkommen der Kap-Ges. Ob dies bilanziell über die Aktivierung eines zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs oder außerbilanziell über den Ansatz einer vGA erfolgt, ist für die Betroffenen dann eher zweitrangig. Diese Frage kann allerdings Auswirkungen auf Gesellschafterebene haben: Solange ein zivilrechtlicher Ausgleichsanspruch besteht (bzw aus Sicht des Gesellschafters eine Verpflichtung), die keine Einlageforderung ist, kann noch nicht vom Zufluss einer vGA ausgegangen werden.
4.3.2 Was ist eine Geschäftschance?
Tz. 902
Stand: EL 79 – ET: 12/2013
Wie das Wettbewerbsverbot hat auch die Geschäftschancenlehre ihre Wurzeln zunächst im Zivilrecht und dort vor allem in der gesellschafterlichen Treuepflicht (ausführlich dazu s Steck, GmbHR 2005, 1159 mwNachw). Es ist allerdings zu beachten, dass der vom BFH verwendete Begriff der Geschäftschance auf einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise beruht und uE über den zivilrechtlichen Geschäftschancenbegriff hinausgeht. Bei dieser – rein stlichen – Sichtweise geht es nicht darum, ob der Gesellschafter eine Geschäftschance nutzen darf oder ob er mit der Nutzung gegen seine Treuepflicht verstößt, sondern ob die Gesellschaft ihre Geschäftschance am Markt wirtschaftlich gegen Entgelt realisieren oder vermarkten könnte.
Tätigt eine Kap-Ges mit einem Dritten ein Geschäft, sind die sich daraus ergebenden Chancen der Kap-Ges zuzurechnen (s Urt des BFH v 13.11.1996, DStR 1997, 323).
Tz. 903
Stand: EL 79 – ET: 12/2013
Unter einer Geschäftschance wird die konkretisierte Aussicht verstanden, aus einem Geschäft (= sog singuläre Geschäftschance) oder aus einer betr Funktion (= sog unternehmerische Geschäftschance) zukünftig Gewinne zu erzielen, sofern die Chance verselbständigt ist und von anderen WG unterschieden werden kann (s Ditz, DStR 2006, 1625). Die Chance muss über Gewinnpotenzial verfügen, für das einerseits ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter gewöhnlich ein Entgelt einfordern würde, und für das ein fremder Dritter bereit wäre, ein entspr Entgelt zu leisten (s Gosch in Gosch, KStG, 2. Aufl, § 8 Tz 850a; Gesichtspunkte des sog doppelten Fremdvergleichs; dazu s § 8 Abs 3 Teil C Tz 117ff). Der Vorteil muss für die Beteiligten derart konkretisiert sein, dass er auch bewertbar ist ("eigenwertig"). Tw wird eine Geschäftschance auch als günstige Gelegenheit, Möglichkeit oder Aussicht auf Erfolg bezeichnet, die in Bezug zum Geschäft bzw Unternehmen stehen muss (s Schuhmann, StBp 2004, 35).
Tz. 904
Stand: EL 79 – ET: 12/2013
Geschäftschancen kann es auch auf der Aufwandsebene geben. Wird zB der Kap-Ges ein günstiger Miet- oder Darlehensvertrag angeboten, dieser dann jedoch vom Gesellschafter für eigene Zwecke abgeschlossen und muss sich die Kap-Ges deswegen Räumlichkeiten oder ein Darlehen anderweitig und zu schlechteren Konditionen "besorgen", kann auch dies zu einer vGA führen.
Tz. 905
Stand: EL 79 – ET: 12/2013
Es ist str, ob eine Geschäftschance bereits zu einem immateriellen WG "erstarkt" sein muss. UE ist dies zumindest nicht generell der Fall (in diese Richtung wohl auch Gosch in Gosch, KStG, 2. Aufl, § 8 Tz 850a: "In aller Regel handelt es sich bei der Geschäftschance folglich um ein immaterielles WG"; aA aber s Greil, IStR 2009, 202 und s Schallmoser/Eisgruber/Janetzko, in HHR, § 8 KStG Tz 307; zu singulären Geschäftschancen s Jahndorf, FR 2008, 101). Wenn der BFH nämlich auch "Wissen und Kenntnisse" einer Kap-Ges als deren Geschäftschance ansieht (zB Vermittlungsgebühren für die Benennung von Funktionsträgern für Bauherrenmodelle und "Tipp-Provisionen" für Hinweise auf Grundstücksobjekte in einer Stadt; s Urt des BFH v 11.06.1996, BFH/NV 1997, 30), dürften dies nicht immer Vorteile mit WG-Charakter sein. Geschäftschancen können auch dann bestehen, wenn sie rechtlich nicht abgesichert sind (s Urt des BFH v 12.06.1997, BFH/NV 1997, 433). Allerdings ist für die Annahme einer Geschäftschance zumindest eine gewisse Marktgängigkeit erforderlich.
Tz. 906
Stand: EL 79 – ET: 12/2013
Tw wird auch die Auff vertreten, dass die Geschäftschance bereits zu einem Vertrag geführt haben oder zumindest ein bindendes Vertragsangebot vorliegen muss (so s Steck, GmbHR 2005, 1157, der die Fragestellung allerdings vorrangig unter dem Aspekt der z...