Ewald Dötsch, Alexandra Pung
Tz. 610
Stand: EL 114 – ET: 06/2024
Ein GAV kann im Regelfall nur zum Ende des Geschäftsjahrs der OG aufgehoben werden (s Tz 604). Nach § 297 AktG kann ein Unternehmensvertrag aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Frist gekündigt werden. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn der kündigenden Partei ein Festhalten am Vertrag unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände nicht mehr zugemutet werden kann. Ein wichtiger Grund iSd § 297 AktG liegt insbes vor, wenn der OT nicht mehr in der Lage ist, die Verluste der OG auszugleichen (s auch Tz 639) oder die OG die Az an ihre Minderheitsgesellschafter nicht erbringen kann. Dies erfordert uE eine belastbare Prognose der Ertragssituation, zudem muss es sich um eine längerfristige und zeitlich nicht verlässlich eingrenzbare "Störung" handeln.
Ein GAV endet nicht mit einem "Squeeze-out" der Minderheitsaktionäre (s OLG Köln, Urt v 26.04.2010, DK 2010, 585).
Tz. 611
Stand: EL 114 – ET: 06/2024
Weitere wichtige Beendigungsgründe nennen § 304 Abs 4, § 305 Abs 5 und § 307 AktG.
Bei einer AG oder KGaA als OG endet gem § 307 AktG der GAV beim erstmaligen Hinzutreten eines außenstehenden Gesellschafters (s Urt des BFH v 04.03.2009, BFH/NV 2009, 1716). Nach Auff von Lange (GmbHR 2011, 806) ist der erstmalige Eintritt eines außenstehenden AE nur dann ein wichtiger Grund, wenn der GAV um eine Az iSd § 304 AktG bzw Abfindungsklausel erweitert und damit neu abgeschlossen wird.
Da bei einer GmbH als OG die Nichtleistung von Az iSd § 304 AktG nicht zwangsläufig zur Nichtigkeit des GAV führt (s § 16 KStG Tz 27), kann uE der Eintritt eines außenstehenden AE nur dann als wichtiger Grund für die Beendigung des GAV angesehen werden, wenn eine Vertragsbeendigung entspr § 307 AktG in dem GAV vereinbart ist (glA s Priester, in FS Peltzer, 2001, 327, 334, 337; s Pluskat, DK 2004, 525 und s Mues, RNotZ 2005, 1, 29). Das ist zB denkbar beim Hinzutreten eines weiteren Gesellschafters in eine organschaftlich eingebundene Start-up-GmbH (dazu auch s Tz 624).
Tz. 612
Stand: EL 114 – ET: 06/2024
Ein weiterer Beendigungsgrund ist die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des OT oder der OG (s Urt des BGH v 14.12.1987 NJW 1988, 1326 und v 14.12.1989, BGHZ 103,1; weiter s Tz 650ff). Allerdings werden zu dieser Frage unterschiedliche Auff vertreten (s Heurung/Engel/Müller-Thomczik, GmbHR 2012, 1227, 1229, mwNachw). Die Auflösung der beherrschten GmbH berechtigt den OT jedoch nicht zur außerordentlichen Kündigung, wenn er als alleiniger Gesellschafter selbst die Auflösung beschlossen hat (s OLG München, Beschl v 20.06.2011, DStR 2011, 1476). Ebenso s Frotscher (in F/D, § 14 KStG Rn 341b). Bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens bleiben die Verpflichtungen aus dem GAV bestehen und sind in den Jahresabschlüssen von OG und OT auszuweisen. Der OT hat in jedem Fall für die Verluste der OG in der Zeit vor der Insolvenzeröffnung einzustehen. Dazu auch s Fichtelmann (GStB 2006, 71).
Ein wichtiger Kündigungsgrund sowohl iSd ZivilR als auch des StR ist auch gegeben, wenn der OT nicht mehr in der Lage ist, evtl Verluste der OG auszugleichen (s Tz 610, glA s Nodoushani, DStR 2017, 399).
Tz. 613
Stand: EL 114 – ET: 06/2024
In gewissem Umfang kann im GAV vereinbart werden, was ein gesellschaftsrechtlich wichtiger Grund ist (s Urt des BGH v 05.04.1993, BGHZ 122, 211), wobei allerdings nicht geklärt ist, ob in dem Vertrag wichtige Gründe beliebig benannt werden können oder ob der vereinbarte Beendigungsgrund gewichtig sein muss (s Hahn, DStR 2009, 589, 592; weiter s Heurung/Engel/Müller-Thomczik, GmbHR 2012, 1227, 1229). Ebenso s Frotscher (in F/D, § 14 KStG Rn 343). Wegen vertraglicher Vereinbarungen s Fenzl/Antoskiewicz (FR 2003, 1061).
Tz. 614
Stand: EL 114 – ET: 06/2024
Hinsichtlich der Veräußerung der Organbeteiligung ist das ZivR strenger als das StR. Nach dem Beschl des OLG Ddf v 19.08.1994 (DB 1994, 2125), dem Urt des OLG München v 20.11.2013 (GmbHR 2014, 535) sowie dem Urt des LG Frankenthal v 04.08.1988 (ZIP 1988, 1460; dazu auch s Ebenroth/Parche, DB 1989, 641; s Timm, GmbHR 1987, 13 und s Wirth, DB 1990, 2105) stellt die Veräußerung von Anteilen an der OG zivilrechtlich keinen wichtigen Grund zur Kündigung iSd § 297 Abs 1 AktG eines Beherrschungs- oder GAV dar (dazu auch s Haun/Raiser, BB 2002, 2257). AA s Urt des LG Bochum v 01.07.1986 (AG 1987, 323) und s Knott/Rodewald (BB 1996, 473). Danach ist der GAV bis zu seiner zivilrechtlichen Beendigung noch zwischen den bisherigen Vertragspartnern zu bedienen. Dazu auch s Urt des BGH v 14.12.1987 (NJW 1988, 1326), wonach der GAV bis zum Zeitpunkt der Anteilsveräußerung fortbesteht. Da, wie nachstehend ausgeführt, die Organschaft durch die Anteilsveräußerung endet, sind nachträgliche Gewinnabführungen an bzw nachträgliche Verlustübernahmen durch den alten OT stlich als Korrektur des Veräußerungs- bzw Anschaffungspreises der Organbeteiligung zu werten (dazu auch s Tz 890). Unterbleibt diese nachträgliche Gewinnabführung an bzw die nachträgliche Verlustübernahm...