5.1.1 Kriterien der Selbstlosigkeit
Tz. 41
Stand: EL 103 – ET: 09/2021
Selbstlosigkeit (s § 55 AO) ist bereits unmittelbarer Bestandteil der Definition der gemeinnützigen, mildtätigen bzw kirchlichen Zwecke (s § 52 Abs 1 S 1, § 53, § 54 Abs 1 AO).
Selbstlosigkeit erfordert, dass
- durch die Tätigkeit nicht in erster Linie eigenwirtschaft Zwecke verfolgt werden (s § 55 Abs 1, 1. Hs AO);
- die Mittel der Kö nur für die satzungsmäßigen Zwecke verwendet werden und dementspr die Mitglieder keine Gewinnanteile und – in ihrer Eigenschaft als Mitglied – auch keine sonstigen Zuwendungen aus Mitteln der Kö erhalten (s § 55 Abs 1 Nr 1 S 1 und 2 AO);
- die Mitglieder bei ihrem Ausscheiden oder bei Auflösung (Aufhebung) der Kö nicht mehr als ihre eingezahlten Kap-Anteile und den gW ihrer geleisteten Sacheinlagen zurückerhalten (s § 55 Abs 1 Nr 2 AO);
- die st-begünstigte Kö ihre Mittel weder für die unmittelbare noch für die mittelbare Unterstützung oder Förderung politischer Parteien verwenden darf (s § 55 Abs 1 Nr 1 S 3 AO);
- keine Pers durch zweckfremde Ausgaben oder durch unverhältnismäßig hohe Vergütungen begünstigt wird (s § 55 Abs 1 Nr 3 AO);
- bei Auflösung (Aufhebung) der Kö oder bei Wegfall ihres bisherigen Zwecks das Vermögen der Kö, soweit es die eingezahlten Kap-Anteile der Mitglieder und den gW der von den Mitgliedern geleisteten Sacheinlagen übersteigt, nur für begünstigte Zwecke verwendet werden darf (Grundsatz der Vermögensbindung). Diese Voraussetzung ist auch erfüllt, wenn das Vermögen einer anderen st-begünstigten Kö oder einer KöR für st-begünstigte Zwecke übertragen werden soll (s § 55 Abs 1 Nr 4 AO);
- die st-begünstigte Kö ihre Mittel grds zeitnah für ihre st-begünstigten satzungsmäßigen Zwecke zu verwenden hat (s § 55 Abs 1 Nr 5 AO).
Tz. 42
Stand: EL 103 – ET: 09/2021
Die Vorschriften, die Mitglieder der Kö betreffen (s § 55 Abs 1 Nr 1, 2, 4 AO), gelten ebenso für Gesellschafter (s den Klammerzusatz in § 55 Abs 1 Nr 1 S 2 AO) sowie für Stifter und ihre Erben und die Träger-Kö eines st-begünstigten BgA (s § 55 Abs 3 AO).
Die Selbstlosigkeit muss sich auch unmittelbar aus der Satzung ergeben (s Urt des BFH v 20.07.1988, BFH/NV 1989, 479 und BVerfG v 28.12.1994, HFR 1995, 220).
5.1.2 Kein überwiegendes Verfolgen eigenwirtschaftlicher Zwecke (§ 55 Abs 1 S 1, 1. HSAO)
Tz. 43
Stand: EL 103 – ET: 09/2021
Das in § 55 Abs 1 S 1, 1. HS AO festgelegte Erfordernis bezieht sich unmittelbar auf die st-begünstigte Tätigkeit der Kö selbst. Dies ergibt sich daraus, dass mit den Begriffen Förderung und Unterstützung an die Definition der gemeinnützigen und kirchlichen Zwecke (s § 52 Abs 1 S 1 bzw § 54 Abs 1 AO) bzw der mildtätigen Zwecke (s § 53, 1. HS AO) angeknüpft wird. Mit dieser eigentlichen st-begünstigten Tätigkeit dürfen demnach nicht in erster Linie eigenwirtsch Zwecke verfolgt werden (s Urt des BFH v 26.04.1989, BStBl II 1989, 670).
Die Vorschrift führt beispielhaft für eigenwirtsch Zwecke gew oder sonstige Erwerbszwecke auf. Eigenwirtsch Zwecke werden zB auch dann verfolgt,
- wenn eine Kö ausschl durch Darlehen ihrer Gründungsmitglieder finanziert ist und dieses Fremd-Kap satzungsgemäß tilgen und verzinsen muss (s AEAO Nr 1 zu § 55 Abs 1 Nr 1 mit Rspr-Hinw),
- wenn ein Flugsportverein seine Tätigkeit in erster Linie darauf ausrichtet, seinen Mitgliedern den ermäßigten USt-Satz nach § 12 Abs 2 Nr 8a UStG zu vermitteln und dabei das Erwerbsinteresse eines als Charterunternehmer tätigen Vorstandsmitglieds zu wahren (s Urt des FG Köln v 10.10.2002, EFG 2003, 422 – rkr).
Es gelten folgende Besteuerungsgrundsätze:
- Eine mit den st-begünstigten Zwecken verbundene eigenwirtsch Zielsetzung ist zulässig, sie muss nur gegenüber der st-begünstigten Zwecksetzung nachrangig sein, darf dieser also nicht das Gepräge geben. Dies wäre dann anzunehmen, wenn die mit dem Begriff der Selbstlosigkeit verbundene Opferwilligkeit zugunsten anderer wegfällt oder in den Hintergrund gedrängt wird und an deren Stelle Eigennutz tritt (s Urt des BFH v 13.12.1978, BStBl II 1979, 482; "Schnellbahntrassen"-Urt; v 26.04.1989, BStBl II 1989, 670). Danach sind nicht nur eigenwirtsch, sondern generell eigennützige Interessen schädlich, und zwar unabhängig davon, ob diese Interessen die Kö selbst oder ihre Mitglieder betreffen. S Urt des BFH v 26.04.1989 (BStBl II 1989, 670).
- Selbstlosigkeit bedeutet ein opferwilliges Handeln unter Verzicht auf einen eigenen Nutzen. An der Selbstlosigkeit fehlt es, wenn der Eigennutz der Mitglieder in den Vordergrund tritt. Hierzu s FG Thüringen, Urt v 26.02.2015 (DStRE 2016, 784, Rev eingelegt, Az BFH: V R 51/15) und Urt des BFH v 23.02.2017, BB 2018, 282. Das FG hat im Falle einer Kunststiftung die Selbstlosigkeit verneint, weil die Kunstwerke in den Wohnräumen des Stifters gelagert werden und der Allgemeinheit kaum zugänglich sind. Der BFH ist dieser Auff gefolgt. UE ist diese Rechts-Auff zwingend und gilt zB auch für Oldtimer-Vereine, sofern diese hauptsächlich privaten Interessen ihrer Mitglieder dienen.
- Nach bisheriger Auff der Fin-Verw (s BMF-Schr v 15.02.2002, BStBl I 2002, 267) war die Gemeinnützigkeit dann zu versagen, wenn eine wirtsch Tätigkeit bei ein...