Tz. 688
Stand: EL 88 – ET: 01/2017
Eine vGA kann den Tatbestand
- einer St-Hinterziehung (s § 370 AO), oder
- einer leichtfertigen St-Verkürzung (s § 378 AO)
erfüllen. Allerdings ist dies nicht automatisch und zwingend bei allen Arten von vGA der Fall. Beide Tatbestände setzen eine Verkürzung von St und damit eine Verminderung des Einkommens voraus. Das Strafrecht greift also bei vGA auf § 8 Abs 3 KStG zurück; es folgt insoweit dem St-Recht; s Merkt (BB 1991, 313) und s Urt des BGH v 06.07.2004 (HFR 2005, 64). Die St-Hinterziehung und die leichtfertige St-Verkürzung unterscheiden sich dadurch, dass die St-Hinterziehung eine vorsätzliche Tat voraussetzt, während eine leichtfertige St-Verkürzung bereits bei leichtfertig begangenen Taten vorliegen kann. Unter "Vorsatz" ist strafrechtlich das "Wissen und Wollen" der Tatbestandsverwirklichung zu verstehen. Ein sog bedingter Vorsatz ist dabei ausreichend. Dieser ist immer dann gegeben, wenn die St-Hinterziehung durch den Stpfl zwar nicht direkt gewollt war, wenn er eine St-Verkürzung jedoch billigend in Kauf genommen hat.
Tz. 689
Stand: EL 88 – ET: 01/2017
Bei vGA aufgrund eines Verstoßes gegen das Rückwirkungsverbot (dazu s Tz 200ff) dürften die straf- bzw bußgeldrechtlichen Tatbestände der §§ 370, 378 AO idR nicht erfüllt sein. Hier geht es nämlich oft nur um Formalien. Auch "Angemessenheits-vGA" sind nicht per se auch strafrechtsbewehrt, können es aber durchaus sein. Eine St-Straftat liegt nämlich mangels unrichtiger oder unvollständiger Angaben nicht vor, wenn der Stpfl aufgrund einer vertretbaren Rechtsauff nicht von einer vGA ausgeht und diese deswegen auch nicht in der St-Erklärung offenlegt; s Kohlhepp (in Schn/F, § 8 KStG Rn 302) und s Beyer (NWB 2016, 1894) mwN. Demgegenüber erfüllen zB "OR-Geschäfte" regelmäßig den Tatbestand der St-Hinterziehung. Hier werden Einnahmen vorsätzlich an der Kap-Ges vorbei zum AE transferiert. Entspr gilt für fingierte Aufwendungen, die an einen Gesellschafter oder an eine ihm nahe stehende Person gezahlt werden. So hat der BGH eine St-Hinterziehung im Hinblick auf die KSt, GewSt und ESt in einem Fall angenommen, in dem der GF und alleinige AE einer GmbH Lizenzzahlungen der GmbH an eine andere Kap-Ges aufwandserhöhend berücksichtigte; s Urt des BGH v 24.05.2007 (DStRE 2008, 169). An dieser anderen Kap-Ges war er zusammen mit seinem Sohn als GF tätig; alleiniger AE war der Sohn. Bei den gezahlten "Lizenzgebühren" handelte es sich um ein Scheingeschäft, das den eigentlichen Zweck der Zahlungen (Befriedigung des privaten Geldbedarfs) verschleiern sollte. Ergänzend hat der BGH in diesem Fall Beihilfe zur St-Hinterziehung für einen Wirtschaftsprüfer angenommen, der die Bestimmungen des "Lizenzvertrags" ausgearbeitet hatte und inhaltlich unrichtige St-Erklärungen vorbereitet hatte. Dies gilt zumindest dann, wenn dieser in Kenntnis aller maßgeblichen Umstände an der Umsetzung des Tatplans mitgewirkt hatte. Zur Frage, wann bei einer vGA die Voraussetzungen einer St-Straftat erfüllt sind, auch s Mertens (GmbH-Stpr 2016, 203). Zur Hinzuschätzung als vGA bei der GmbH und beim Gesellschafter s Brete (GmbHR 2010, 911).
Tz. 690
Stand: EL 88 – ET: 01/2017
Neben der St-Hinterziehung und der leichtfertigen St-Verkürzung kann eine vGA auch den strafrechtlichen Tatbestand der Untreue erfüllen; s Urt des BGH v 29.05.1987 (NJW 1988, 1397). Untreue begeht, wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, missbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt (s § 266 StGB). Dazu auch s Meilicke (BB 1988, 1261); s Lipps (NJW 1989, 503); s Reiß (StuW 1992, 233/239). Streitig ist allerdings, ob der Tatbestand der Untreue nur die Mitgesellschafter oder auch die Kap-Ges als eigenständige Rechtsperson schützt. Auswirkungen hat die Frage vor allem für den Fall der Ein-Personen-GmbH; es geht also darum, ob der alleinige AE einer Kap-Ges gegenüber "seiner" Gesellschaft den Untreuetatbestand verwirklichen kann. Tendenziell wird hier die Auff vertreten, dass der alleinige AE idR keine Untreue gegenüber seiner Gesellschaft begehen kann, weil ihm der Gewinn der Kap-Ges sowieso zusteht. Eine Ausnahme gilt allerdings dann, wenn die Existenz der Gesellschaft durch seine Handlung gefährdet wird (also zB bei Entzug des St-Kap); s Wagner/Hermann (BB 1999, 608); s Gehrlein (NJW 2000, 1098). Zu Untreuehandlung bei einer mehrgliedrigen GmbH s Beschl des FG Berlin-Brdbg v 02.07.2015 (DStRE 2015, 333). Das FG hält es dabei für ernstlich zweifelhaft, ob bei einer mehrgliedrigen GmbH eine dem Gesellschafter zuzurechnende vGA vorliegt, wenn die Untreuehandlungen durch einen nicht beteiligten GF ohne das Wissen des Ges-GF zulasten der GmbH begangen wurden.
Tz. 691–699
Stan...