Tz. 103
Stand: EL 108 – ET: 12/2022
Nach derzeitiger vorherrschender Verw-Auff begründen Tätigkeiten, die bei einer jur Pers d öff Rechts selbst als hoheitlich oder als dem hoheitlichen Bereich dienende Hilfstätigkeiten anzusehen sind, nicht allein durch Auslagerung auf eine andere jur Pers d öff Rechts einen BgA. Soweit also zB ein in eine andere jur Pers d öff Rechts ausgelagertes Rechenzentrum lediglich Leistungen gegenüber dem Hoheitsbereich der auslagernden jur Pers d öff Rechts erbringt oder eine jur Pers d öff Rechts einer anderen Beistand bei der Abfall- oder Abwasserbeseitigung leistet, gelten diese als nicht stbare Amtshilfe (hierzu s BT-Drs 15/60 Rn 77). Leistungen ggü einem anderen BgA begründen dagegen auch bei der diese Leistungen ausführenden jur Pers d öff Rechts einen BgA. Insoweit stellt die Fin-Verw bezüglich der Frage, ob Amtshilfe vorliegt, auf den "Charakter der (übernommenen) Tätigkeit" ab. Die Wahrnehmung von wirtsch Aufgaben einer andere jur Pers d öff Rechts durch eine jur Pers d öff Rechts im Wege der Beistandsleistung ist bei der Beistand leistenden jur Pers d öff Rechts als wirtsch Tätigkeit und damit als BgA anzusehen. Hierzu s Vfg der OFD Rostock v 21.11.2002 (DStZ 2003, 129) und s Erl des Hess Fin-Min v 13.12.2006 (ZKF 2007, 276). Krit hierzu s Müller-Gatermann (FR 2009, 314).
Die vorstehenden Abgrenzungskriterien sind auf alle hoheitlichen Tätigkeiten anzuwenden, nicht jedoch auf die Vermögensverwaltung der jur Pers d öff Rechts, die zwar ebenfalls stlich unbeachtlich, jedoch keine hoheitliche Tätigkeit ist. Die entgeltliche Vermögensverwaltung durch eine jur Pers d öff Rechts für eine andere jur Pers d öff Rechts begründet deshalb einen BgA (s Leippe/Baldauf, DStZ 2012, 283).
Tz. 104
Stand: EL 108 – ET: 12/2022
Daneben wird jedoch auch die sog "isolierende Betrachtungsweise" diskutiert, nach der nur eine qualitativ hoheitliche Tätigkeit (zB Abfall- oder Abwasserbeseitigung) selbst Gegenstand einer (hoheitlichen) Beistandsleistung sein kann, nicht jedoch eine Tätigkeit (wie zB Datenverarbeitung), die ohne weiteres auch fremde Dritte ausüben können. Nach dieser Rechts-Auff verliert eine solche, ihrer Natur nach nicht hoheitliche Tätigkeit mit der Auslagerung auf eine andere jur Pers d öff Rechts die Zuordnung als Hilfsgeschäft zum hoheitlichen Bereich und begründet bei der übernehmenden jur Pers d öff Rechts einen BgA. Diese isolierende Betrachtungsweise wird von der Fin-Verw abgelehnt (s Vfg der OFD Rostock v 21.11.2002, DStZ 2003, 129).
Tz. 105–107
Stand: EL 108 – ET: 12/2022
vorläufig frei
6.7 Exkurs: abweichende Entwicklungen hinsichtlich der Voraussetzungen für die Annahme eines BgA im Umsatzsteuerrecht
6.7.1 Rechtslage bis einschließlich Besteuerungszeitraum 2016
Tz. 108
Stand: EL 108 – ET: 12/2022
Das UStG in der bis einschl Besteuerungszeitraum (= Kj) 2016 geltenden Fassung stellte hinsichtlich der Voraussetzungen zur Annahme eines BgA auf die kstliche Definition ab: nach § 2 Abs 3 UStG in dieser Fassung des Gesetzes "sind die jur Pers d öff Rechts nur im Rahmen ihrer BgA (s § 1 Abs 1 Nr 6, § 4 KStG) und ihrer L + F-Betriebe gew oder beruflich tätig". Hierzu ebenso s UStAE zu § 2, Nr 2.11 (4), der für die ustliche Beurteilung des Vorliegens eines BgA auch auf die KStR – insbes R 4.1 KStR 2015 – verwies, einschl der Anwendung der dort genannten Umsatzgrenzen von (früher) 35 000 EUR (s Tz 32) und 130 000 EUR (s Tz 28). Daneben wurden in § 2 Abs 3 S 2 UStG, auch wenn die kstlichen Voraussetzungen nicht gegeben waren, einige Tätigkeiten von jur Pers d öff Rechts – nur für USt-Zwecke – als gew oder beruflich definiert.
Für USt-Zwecke war bei der Prüfung, ob ein BgA vorlag, daneben jedoch stets noch die "Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem" (MwStSystRL; ABl der Europäischen Gemeinschaften 2006 Nr L 347, 1), die zum 01.01.2007 in Kraft getreten ist, zu beachten, die gegenüber den kstlichen Kriterien zur Annahme von BgA gravierende Unterschiede aufweist:
- Die UStPflicht knüpft nicht an das Vorliegen einer Einrichtung (s Tz 26ff) an, sondern nur an bestimmte Tätigkeiten oder erbrachte Leistungen (s Urt des BFH v 17.03.2010, BStBl II 2017, 828).
- Die Abgrenzung zwischen hoheitlicher Tätigkeit und einem BgA ist danach vorzunehmen, ob die jur Pers d öff Rechts die betreffende Tätigkeit nach Maßgabe einer öff-rechtlichen Sonderregelung erbringt, also iRe eigens für sie geltenden rechtlichen Regelung und nicht unter den gleichen rechtlichen Bestimmungen wie private Wirtschaftsteilnehmer. Gegenstand oder Zielsetzung der Tätigkeit sind dagegen unerheblich.
- Auch die Vermögensverwaltung gehört grds zu den "wirtsch Tätigkeiten" iSd MwStSystRL.
- Die Tätigkeiten oder Leistungen, die den jur Pers d öff Rechts iRd öff Gewalt obliegen, werden nur dann von der Besteuerung ausgenommen, wenn eine Behandlung als Nicht-Stpfl nicht zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde.
Ausführlich zu den unterschiedlichen Ansätzen zur Abgrenzung zwischen BgA und Hoheitsbetrieb im KSt- und im UStR s Seer/Klemke (BB 2010, 2015).
Diese EU-rechtlichen Grundlagen hat der BFH einer ganzen Reihe von Entsch zugrunde gelegt; eine Auflistung dieser Ur...