Tz. 631
Stand: EL 114 – ET: 06/2024
Nach § 42 Abs 1 AO kann das StR durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts nicht umgangen werden. Ein Missbrauch liegt vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Stpfl oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem ges nicht vorgesehenen St-Vorteil führt (s § 42 Abs 2 AO). Dies gilt allerdings dann nicht, wenn der Stpfl für die gewählte Gestaltung außerstliche Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind.
Auch bei einer vGA liegt – bei einer weiten Betrachtung – ein Umgehungstatbestand vor. So wird zB durch eine überhöhte Vergütung an einen Gesellschafter, deren Vereinbarung zivilrechtlich natürlich möglich ist, die Nichtabzugsfähigkeit von Ausschüttungen "umgangen". Es stellt sich also die Frage, nach welcher Korrekturnorm ein solcher Sachverhalt vorrangig zu korrigieren ist.
Nach § 42 Abs 1 S 2 AO bestimmen sich die Rechtsfolgen nach der Vorschrift in einem EinzelSt-Ges, wenn der Sachverhalt – neben denjenigen des § 42 AO – (auch) den Besteuerungstatbestand des EinzelSt-Ges erfüllt.
Tz. 632
Stand: EL 88 – ET: 01/2017
Fraglich ist, welches Verhältnis die beiden Rechtsinstitute haben. Höchstrichterliche Rspr liegt hierzu bisher nicht vor. In einigen Urt hat der BFH – eher am Rande – angedeutet, dass die beiden Vorschriften nebeneinander anwendbar sein könnten und sich nicht gegenseitig ausschließen. Die vGA ist jedenfalls kein Unterfall des § 42 AO; s Urt des BFH v 18.05.1999 (BFH/NV 1999, 1516). Danach ist eine vGA auch dann anzunehmen, wenn der Gesellschafter sich einer "Gewinnabsaugung" nicht bewusst war (dazu auch s Tz 164ff). Demgegenüber hat § 42 AO eine gewisse subjektive Komponente; es muss auf die Umgehung des St-Rechts hin gestaltet worden sein.
Tz. 633
Stand: EL 88 – ET: 01/2017
Eine gewisse Prüfungsreihenfolge lässt sich aus der Rspr aber erkennen: Zunächst ist § 42 AO anzuwenden; anschließend wird für den unter Anwendung des § 42 AO zugrunde zu legenden Sachverhalt geprüft, ob eine Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis vorliegt. Der vGA-Prüfung wird also der ggf nach § 42 AO korrigierte (Teil-)Sachverhalt zugrunde gelegt. ZB s Beschl des BFH v 14.08.1991 (BStBl II 1991, 35: "Der Vorgang kann – vorbehaltlich eines Gestaltungsmissbrauchs iSv § 42 AO – als vGA behandelt werden, wenn …" Im entschiedenen Sachverhalt ging es um Darlehenszinsen, die eine inl Kap-Ges an ihren ausl AE gezahlt hatte. Ebenso auch s Urt des FG Köln v 11.03.1999 (EFG 1999, 922). Diese Entsch des FG Köln ist sehr instruktiv für das Verhältnis vGA zu § 42 AO (unabhängig davon, dass der BFH die Entsch hinsichtlich der Anwendung von § 42 AO aufgehoben hat; s Urt des BFH v 20.03.2002 (BStBl II 2003, 50; zum Verhältnis § 42 AO zur vGA musste der BFH folglich nicht Stellung nehmen). Im Urt-Fall ging es um grenzüberschreitende Darlehen, die von einer SchwGes einer Zwischengesellschaft gewährt wurden. Die ausl Gesellschaft wurde zwischengeschaltet, um in den Vorteil des Schachtelprivilegs nach dem DBA zu gelangen. Dies sah das FG als rechtsmissbräuchlich iSv § 42 AO an. Die Darlehensgewährung an die ausl Gesellschaft sei also "wegzudenken" und eine unmittelbare Darlehensgewährung an die MG anzunehmen. Die vereinbarten Darlehenskonditionen hielten jedoch dem Fremdvergleich nicht stand, so dass das FG in der Folge eine vGA an die inl MG annahm. Dazu auch s Neumann (in R/H/N, § 8 KStG Rn 178). Krit zu diesen Urt allerdings s Hoffmann (GmbHR 2002, 1077).
Tz. 634
Stand: EL 88 – ET: 01/2017
Die Annahme eines Gestaltungsmissbrauchs führt nach Auff des BFH allerdings nicht zu einem "Ersatzsachverhalt"; s Urt des BFH v 19.08.1999 (BStBl II 2001, 43; ergangen zu sog inkongruenten GA; hinsichtlich der Auff der Fin-Verw zur Anerkennung inkongruenter GA auch s Schr des BMF v 17.12.2013, BStBl I 2014, 63). Es wird lediglich die missbräuchliche Handlung umqualifiziert; die übrigen verwirklichten Sachverhaltskomponenten sind der Besteuerung zugrunde zu legen. Auch hieraus können sich dann noch vGA ergeben, wenn diese Komponenten im Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind.