6.9.1 Rechtslage in den Jahren bis 2008 (vor Abgeltungsteuer)
Tz. 635
Stand: EL 88 – ET: 01/2017
Nach § 43 Abs 1 Nr 1 EStG unterlagen Kap-Erträge iSv § 20 Abs 1 Nr 1 EStG dem KapSt-Abzug (ab 2009: 25 %; bis 2008: 20 %). Darunter fallen nach dem Gesetzeswortlaut grds auch vGA, da es sich auch bei einer vGA um einen Kap-Ertrag iSv § 20 Abs 1 Nr 1 EStG handelt (s § 20 Abs 1 Nr 1 S 2 EStG). Die einbehaltene KapSt wird – zumindest bis zum Jahr 2008 – bei der Veranlagung des Gesellschafters zur ESt oder KSt auf die St-Schuld angerechnet (s §§ 36 Abs 2 Nr 2 EStG, § 31 KStG). Für die Anmeldung und Bescheinigung der KapSt gilt § 45a EStG.
VGA werden jedoch in der Praxis selten freiwillig erklärt, so dass ein von vornherein vorgenommener KapSt-Abzug idR nicht erfolgt. Das FA hat dann entweder die Möglichkeit, einen KapSt-Nachforderungsbescheid (s § 167 Abs 1 S 1 AO) gegen den bzw die begünstigten Gesellschafter oder einen Haftungsbescheid (s § 44 Abs 5 EStG, § 73g EStDV, § 191 AO) gegen die Kap-Ges zu erlassen. In der Vergangenheit wurde darauf jedoch regelmäßig verzichtet, da die KapSt bei nachträglicher Aufdeckung einer vGA beim Empfänger sofort wieder hätte angerechnet werden müssen ("Vorrang des Veranlagungs- vor dem Abzugsverfahren"); dazu s Urt des BFH v 28.11.1961 (BStBl III 1962, 107) und v 03.07.1968 (BStBl II 1969, 4); s Kohlhepp (in Schn/F, § 8 KStG Rn 231); s Voßkuhl/Klemke (DB 2012, 2248); auch s Vfg der OFD Münster vom 07.11.2007 (DB 2008, 204; die Aussagen in dieser Vfg sind allerdings ausdrücklich auf die Zeit "bis zur Einführung der Abgeltung-St" begrenzt); auch s Urt des BGH v 03.03.1993 (HFR 1994, 41).
Ausnahmen galten allerdings bereits in der Vergangenheit
Tz. 636
Stand: EL 88 – ET: 01/2017
Nach Auff des BFH bestand allerdings auch in den übrigen Fällen kein Rechtsanspruch auf den Vorrang des Veranlagungs- vor dem Abzugsverfahren; s Urt des BFH v 26.02.2003 (BFH/NV 2003, 1301). Eine Haftungsinanspruchnahme des Schuldners der Kap-Erträge ist deshalb nicht dadurch ausgeschlossen, dass eine Versteuerung der Kap-Erträge auch iR einer Veranlagung erfolgen kann oder hätte erfolgen können. Eine allgemeine Abkehr des Vorrangs des Veranlagungsverfahrens wollte der BFH mit diesem Urt uE aber nicht einleiten; die Abgrenzung gegenüber der früheren Rspr (s Urt des BFH v 03.07.1968, BStBl II 1969, 4) betrifft vor allem die Aussage, dass der Ges-GF einer GmbH als Haftungsschuldner für von der GmbH nicht abgeführte KapSt auch insoweit in Anspruch genommen werden kann, als die St auf seine eigenen Kap-Eink entfällt.
Tz. 637
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Andererseits hat der Gläubiger der Kap-Erträge aber auch keinen einklagbaren Anspruch darauf, dass das FA gegen den KapSt-Schuldner einen Haftungsbescheid erlässt, wenn dieser keine KapSt abgeführt hat; s Urt des BFH v 15.12.2004 (BFH/NV 2005, 1073). Ein Gesellschafter kann sich damit gegen die Besteuerung einer erhaltenen Ausschüttung iR seiner Veranlagung – zumindest nach der bis 2008 geltenden Gesetzeslage – nicht wehren.
6.9.2 Fortführung auch bei der Abgeltungsteuer
Tz. 638
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Die Besteuerung einer vGA auf Ebene des AE kann auch ab dem Jahr 2009 unzweifelhaft weiterhin iR einer Veranlagung erfolgen, wenn eine Einbeziehung in die Veranlagung sowieso ges vorgesehen ist. Betroffen hiervon sind
In diesen Fällen ist ab dem Jahr 2009 keine systematische Änderung eingetreten (nur Teil- statt Halbeink-Verfahren), so dass hier der Vorrang des Veranlagungs- vor dem Abzugsverfahren weiterhin anwendbar ist.
Tz. 639
Stand: EL 88 – ET: 01/2017
Fraglich ist aber, ob dies auch gilt, wenn der KapSt-Abzug nach § 43 Abs 5 EStG abgeltende Wirkung hat (also für Anteile im PV ohne Option nach § 32d Abs 2 Nr 3 EStG). UE ist dies aufgrund der Regelung in § 32d Abs 3 EStG zu bejahen. Nach § 32d Abs 3 EStG hat der Stpfl Kap-Erträge, die nicht der KapSt unterlegen haben, in seiner ESt-Erklärung anzugeben. Für diese Kap-Erträge erhöht sich die tarifliche ESt dann um 25 % aus diesen Kap-Erträgen (ggf noch korrigiert um die KiSt).
Tz. 640
Stand: EL 88 – ET: 01/2017
Allerdings ist die ges Formulierung hinsichtlich der Besteuerung einer vGA nicht unproblematisch. Die vGA "unterliegt" nämlich eigentlich – rein rechtlich gesehen – nach § 43 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG der KapSt. Tats wurde aber ein Abzug der KapSt nicht vorgenommen. Entscheidend ist also, ob man § 32d Abs 3 EStG in Richtung eines rechtlichen oder eines tats "Unterliegens" auslegt. UE ist der Auslegung der Vorzug zu geben, nach der eine Einbeziehung in die Veranlagung in allen Fällen e...