Lars Leibner, Ewald Dötsch
Tz. 265
Stand: EL 116 – ET: 12/2024
§ 8c Abs 1 S 6 KStG fingiert, dass der Kaufpreis der Beteiligung an der Verlust-Kö dem (anteiligen oder gesamten) gW des BV der Verlust-Kö entspricht. Nach dem Gesetzeswortlaut werden nicht (auch nicht alternativ) die tats stillen Reserven im BV der Verlust-Kö ermittelt, sondern die aus dem Kaufpreis der erworbenen Beteiligung abgeleiteten (s Tz 257). Im Kaufpreis der Beteiligung schlagen sich neben den materiellen und immateriellen Vermögenswerten aber insbes die zukünftigen Gewinnaussichten des Unternehmens nieder.
Nach Auff des FG Köln (s rkr Urt des FG Köln v 17.05.2018, EFG 2020, 732 mit Urt-Anm Hollatz und s Hennigfeld, DB 2020, 1148) ist im Hinblick auf das Gebot der Folgerichtigkeit der Besteuerung eine großzügige Auslegung der Stille-Reserven-Klausel geboten. Zur Bestimmung der Vergleichswerte orientiert sich das FG daher an der Differenz zwischen dem Nennwert der übertragenen Geschäftsanteile und dem Kaufpreis. Damit sind im Ergebnis auch selbst geschaffene immaterielle WG, ein selbst geschaffener Firmenwert und etwaige künftige Ertragsaussichten zu berücksichtigen.
Die Einbeziehung von nicht bilanzierungsfähigen WG ebenfalls bejahend s Neufeld/Mößinger (StStud 2018, 479, 485). Auch schlagen sich im Kaufpreis Verbindlichkeiten, insbes Pensionsrückstellungen, nicht mit dem Wert nach § 6a EStG, sondern mit ihrem gW nieder (dazu s auch Neumann, GmbHR 2014, 673, 679). Zudem sind auch Paketzuschläge im Kaufpreis enthalten und führen zu stillen Reserven iSd § 8c Abs 1 S 6 KStG (s Micker/L'habitant, BB 2016, 602, 603).
Tz. 266
Stand: EL 116 – ET: 12/2024
Dadurch, dass bei einem fremdüblichen Kaufpreis ein gW des BV der Verlust-Kö iHd Erwerbspreises für die Beteiligung vom Ges-Geber unterstellt wird, gehen Gründungsverluste einer Vorrats-Gesellschaft in aller Regel nicht unter, wenn die Anteile an der Vorrats-Gesellschaft veräußert werden (s Temme/Richter, NWB 2015, 1631). Obwohl das BV einer Vorrats-Gesellschaft idR nur ein Nennkap iHd Bareinzahlung, aber keine stillen Reserven ausweist, werden im Kaufpreis für die Beteiligung die Gründungskosten mitbezahlt, die sich bei der Vorrats-Gesellschaft in einem Verlustvortrag niederschlagen.
Tz. 267
Stand: EL 116 – ET: 12/2024
Dass die ges-geberische Unterstellung, wonach die in der Kap-Beteiligung ruhenden stillen Reserven den im BV der Kö tats vorhandenen stillen Reserven entspr, nicht den tats Verhältnissen entspr, wird an Folgendem deutlich:
- Insbes bei börsennotierten Aktien beeinflussen spekulative Einflüsse den Kaufpreis der Anteile, dh der gW der Beteiligung kann deutlich (nach oben oder unten) von dem gW des betreffenden Unternehmens abweichen.
- Im Kaufpreis der Anteile schlagen sich auch Komponenten nieder, die im gW des BV nicht repräsentiert sind, zB ein St-Vorteil aus einem nicht untergehenden Verlustabzug. Dass dies so ist, zeigt sich deutlich an dem typischen Fall des sog Mantelkaufs, bei dem die Beteiligung an einer völlig überschuldeten GmbH (negatives BV, meist keinerlei stille Reserven) zB für 1 EUR erworben wird. Für diesen Fall führte die Stille-Reserven-Klausel idF vor dem JStG 2010 – völlig widersinnig – zu einem Erhalt des Verlustabzugs iHd "stillen Reserven" (Differenz zwischen 1 EUR Kaufpreis und dem Negativsaldo des BV lt St-Bil; s Eisgruber/Schaden, Ubg 2010, 73, 76).
In der Praxis hat die vorhin beschriebene Wirkung aber zumindest bei inl Anteilsveräußerern wohl nicht zu einer Renaissance der Mantelkaufmodelle geführt, weil zum BV der Verlust-Kö die Verbindlichkeiten gehören (s Eisgruber/Schaden, Ubg 2010, 73, 76). Bei einer Mitveräußerung seiner wertlosen Gesellschafterforderung für 1 EUR kann der Veräußerer bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 8b Abs 3 S 4ff KStG bzw des § 3c Abs 2 EStG seinen Verlust nicht bzw nur zu 60 % stlich geltend machen. Ein Erwerber der Forderung müsste, wenn die miterworbene Forderung wieder werthaltig würde und die Verlust-Kö diese an den Anteilserwerber auszahlt, die Differenz zwischen dem Forderungskaufpreis und dem von der Kö an den Gesellschafter ausgezahlten Betrag nach § 20 Abs 2 S 2 iVm § 20 Abs 2 S 1 Nr 7 EStG der ESt unterwerfen, wobei die St-Belastung idR den St-Vorteil des gekauften Verlustvortrags übersteigt.
Eisgruber/Schaden (Ubg 2010, 73, 75) ist darin zuzustimmen, dass es für einen inl Anteilserwerber wirtsch keinen Sinn ergibt, für den Verlustvortrag der Kö 100 % zu zahlen, denn dessen St-Wirkung macht nur etwa 30 % aus. Anders sieht es uE bei einem Ausländer aus, der die Anteile zuz einer Darlehensforderung für zB 1 EUR erwirbt und nach Wiedergesundung der Verlust-Kö den Nennwert der erworbenen Forderung ausgezahlt erhält (s Wagner, DB 2010, 2751, 2753).