Tz. 67
Stand: EL 92 – ET: 03/2018
Mit der erst zum 01.01.1999 in Kraft getretenen Insolvenzordnung v 05.10.1994 (BGBl I 1994, 2866; zuletzt geändert durch Art 24 Abs. 3 des Gesetzes v 23.06.2017 (BGBl I 2017, 1693) und dem Einführungsgesetz dazu (ebenfalls v 05.10.1994, BGB I 1994, 2911) hatte der Gesetzgeber in erster Linie das Ziel verbunden, die recht antiquierten Regelungen der früheren Konkursordnung, die noch aus dem Jahr 1977 stammten, und der alten Vergleichsordnung aus dem Jahre 1935 im Rahmen einer grundlegenden Neuordnung zu reformieren. Dabei ist Grundprinzip dieser Reform, den Eröffnungszeitpunkt eines Verfahrens bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung zeitlich vorzuverlegen, um damit letztlich einerseits zu massehaltigeren Verfahren zu kommen, damit aber gleichzeitig auch etwaige Sanierungsmöglichkeiten zu verbessern. Während das frühere Konkursrecht faktisch in erster Linie auf eine Zerschlagung eines Unternehmens mit Verwertung der Vermögensgegenstände zur Befriedigung der Gläubiger ausgerichtet war, dient das Insolvenzverfahren nach seinem eigenen Selbstverständnis (s § 1 InsO) dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbes zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird. Dem "redlichen Schuldner" soll die Gelegenheit gegeben werden, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien.
Die Durchführung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Kap-Ges, Erwerbs- oder Wirtschaftsgenossenschaft oder eines VVaG ist danach gekennzeichnet durch einen sog Insolvenzplan, der – bei hinreichenden unternehmerischen Grundlagen (und positiver Fortführungsprognose)– eine Fortführung des Unternehmens zum Ziel haben soll. Wird somit über das Vermögen einer Kap-Ges, Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft oder VVaG das Insolvenzverfahren eröffnet, so führt dies zwar stets zur Auflösung, eine Abwicklung (Liquidation mit Auskehrung) im eigentlichen Sinne erfolgt aber nicht zwingend. Wird das Unternehmen nicht fortgeführt, hat der Insolvenzverwalter vielmehr das Vermögen zu verwerten (§ 159 InsO) und die Erlöse zur Befriedigung der Gläubiger einzusetzen.
Tz. 68
Stand: EL 92 – ET: 03/2018
Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens tritt die zivilrechtl Auflösung ein (s § 60 Abs 1 Nr 4 GmbHG, § 262 Abs 1 Nr 3 AktG, § 101 GenG u § 198 Nr 3 VAG). Nicht ausreichend ist zB die bloße Stilllegung durch einen vorläufigen Insolvenzverwalter (s Stalbold, in Gosch, Rn 96 zu § 11 KStG). Es erfolgt keine Abwicklung nach allg gesellschaftsrechtl Vorschriften, weswegen § 11 Abs 7 KStG von einer "unterbleibenden Abwicklung" spricht.
Es fehlt hier somit also formal an dem für die Liquidationsbesteuerung nach § 11 Abs 1 KStG eigentlich erforderlichen Merkmal der "Abwicklung" nach Auflösung. Über § 11 Abs 7 KStG soll daher sichergestellt werden, dass auch in Insolvenzfällen § 11 Abs 1 bis 6 KStG sinngemäß gelten.
Die Begründung zum KStG 1977 (s BT-Drs 7/1470, damals gab es noch das Konkursverfahren) nimmt in diesem Zusammenhang ausdrücklich Bezug auf die Rspr des RFH (Hinw auf das Urt des RFH v 05.03.1940, RStBl 1940, 715) und führt aus, dass insoweit der Fortbestand der Rechtslage gesichert wird. In dem zitierten Urt hatte der RFH entschieden, dass durch die Eröffnung eines Konkursverfahrens allein noch nicht die Liquidationsbesteuerung ausgelöst wird, sondern erst wenn "mit der Flüssigmachung des Gesellschaftsvermögens und seiner Verteilung an die Rechtsgläubiger begonnen wird".
Tz. 69
Stand: EL 92 – ET: 03/2018
Wenn aber beim Konkursverfahren, das seinerzeit allein auf Zerschlagung des Unternehmens ausgerichtet war (s Tz 67), die Liquidationsbesteuerung erst vom tats Beginn der Verwertungshandlungen abhängig gemacht wurde, dann lässt es sich nicht begründen, warum beim Insolvenzverfahren bereits allein dessen Eröffnung ausreichend sein sollte, um die Liquidationsbesteuerung in Gang zu setzen, wie es in der Lit zT vertreten wird (s Lenz in E/S, Rn 65 zu § 11 KStG).
Der frühere Begriff "Konkurs" in § 11 Abs 7 KStG wurde durch das EGInsOÄndG v 19.12.1998 (s BGBl I 1998, 3840) durch den Begriff "Insolvenzverfahren" ersetzt. In den Gesetzesmaterialien dazu (s BT-Drs 958/58) wird diese Anpassung ausdrücklich als "redaktionelle Anpassung" an die InsVO v 05.10.1994 bezeichnet, dh eine grundlegende Neuausrichtung der Besteuerung im Insolvenzverfahren gegenüber der vorherigen Besteuerung im Konkursverfahren sollte damit nicht verbunden sein. Wenn der Insolvenzverwalter das Unternehmen (zunächst) fortführt, ist demnach uE (noch) keine Liquidationsbesteuerung vorzunehmen (so auch Micker, in H/H/R, Rn 65 zu § 11 KStG; s Stalbold, in Gosch, Rn 96 zu § 11 KStG; s Moritz, in Sch/F, Rn 196 zu § 11 KStG; s Urt d FG Köln v 13.11.2014, EFG 2015, 673, rkr).
Nur wenn der Geschäftsbetrieb (unmittelbar oder später) eingestellt wird, der Insolvenzverwalter mit der Verwertung tats beginnt oder ein Insolvenzp...