Ewald Dötsch, Torsten Werner
8.2.2.2.1 Rechtslage ab Inkrafttreten des BilMoG
Tz. 117
Stand: EL 109 – ET: 03/2023
Hinsichtlich der handelsbilanziellen Darstellung des Erwerbs eigener Anteile brachte das Inkrafttreten des § 272 Abs 1a und 1b HGB (bei gleichzeitigem Wegfall des § 272 Abs 4 HGB aF) für nach dem 31.12.2009 (bzw wahlweise nach dem 31.12.2008) beginnende Wj (s Art 66 Abs 3 S 1 und 6 EGHGB) eine grundlegende Vereinfachung und Vereinheitlichung mit sich. Durch das BilMoG wurden im HGB die Bilanzierungsregeln betr eigene Anteile denen der IFRS angepasst (s Hüttemann, FS Herzig [2010], 595, 600).
Tz. 118
Stand: EL 109 – ET: 03/2023
Mit Einfügung des § 272 Abs 1a und 1b HGB durch das BilMoG wurde eine rechtsformunabhängige Vorschrift zur handelsbilanziellen Darstellung des Erwerbs eigener Anteile geschaffen. Danach ist der Nennbetrag (bzw der rechnerische Wert) von erworbenen eigenen Anteilen in der Vorspalte offen von dem Posten "Gezeichnetes Kap" abzusetzen. Der Vorspaltenposten kann bspw "Nennbetrag/rechnerischer Wert eigener Anteile" und der verbleibende Betrag in der Hauptspalte als "Ausgegebenes Kap" bezeichnet werden (s Seidler/Thiere, BB 2019, 2091). Der Erwerb von eigenen Anteilen führt damit hr-lich stets zu einer Kürzung beim EK. Dies gilt unabhängig davon, ob die Anteile zwecks Weiterveräußerung oder Einziehung erworben werden. Eine Aktivierung der eigenen Anteile bei gleichzeitiger Bildung einer entspr Rücklage kommt nicht mehr in Betracht. Der Unterschiedsbetrag zwischen dem Nennbetrag (bzw dem rechnerischen Wert) und den AK der eigenen Anteile ist mit den "frei verfügbaren" Rücklagen zu verrechnen. Was unter den frei verfügbaren Rücklagen zu verstehen ist, ergibt sich nicht aus dem Ges-Wortlaut, sondern erst im Zusammenspiel mit der Ges-Begr: Hiernach enthalten die frei verfügbaren Rücklagen neben den anderen Gewinnrücklagen auch die frei verfügbaren Kapitalrücklagen (s BT-Drs 16/10067, 66). Bei dem Erwerb eigener Anteile handelt es sich wirtsch betrachtet nicht um einen Anschaffungsvorgang, sondern um eine Kap-Herabsetzung (s Schr des BMF v 27.11.2013, BStBl I 2013, 1615, Rn 1ff). Zur hr-lichen Behandlung auch s Müller/Reinke (DStR 2015, 1127) und s Seidler/Thiere (BB 2019, 2058).
Beispiel:
Die A-GmbH weist vor dem Erwerb eigener Anteile die folgende vorläufige Bilanz (vor Ergebnisverwendung) aus:
Bilanz A-GmbH (vor Erwerb eigener Anteile) |
Aktiva |
400 000 |
Stamm-Kap |
100 000 |
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Kap-Rücklage |
75 000 |
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Gewinnrücklagen |
200 000 |
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Jahresüberschuss |
25 000 |
Die A-GmbH erwirbt eigene Anteile iHv nominal 25 000 EUR zu einem Preis von 50 000 EUR. Der Unterschiedsbetrag zwischen Nennbetrag und den AK der eigenen Anteile (= 25 000 EUR) soll mit der Kap-Rücklage verrechnet werden.
Bilanz A-GmbH (nach Erwerb eigener Anteile) |
Aktiva |
350 000 |
Stamm-Kap |
100 000 |
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./. Nennbetrag eigene Anteile |
25 000 |
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Ausgegebenes Kap |
75 000 |
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Kap-Rücklage |
50 000 |
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Gewinnrücklagen |
200 000 |
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Jahresüberschuss |
25 000 |
Der Erwerb eigener Anteile ist wie folgt zu buchen: |
Stamm-Kap |
25 000 |
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Kap-Rücklage |
25 000 |
an Geld |
50 000 |
Tz. 119
Stand: EL 109 – ET: 03/2023
Von dieser Verrechnung sind solche Aufwendungen ausgenommen, die gem § 255 Abs 1 S 2 HGB als Anschaffungsnebenkosten zu klassifizieren sind. Diese Aufwendungen sind gem § 272 Abs 1a S 3 HGB als Aufwand des Wj zu berücksichtigen (s Schr des BMF v 27.11.2013, BStBl I 2013, 1615, Rn 3). Weiter s § 8b KStG Tz 175.
Tz. 120
Stand: EL 109 – ET: 03/2023
Der Erwerb eigener Anteile zu einem angemessenen Kaufpreis unterhalb des Nennbetrags wird im HR nicht ausdrücklich geregelt. Allerdings findet sich in § 272 Abs 1a HGB auch keine Ausnahme für den vollständigen Abzug iHd Nennbetrags für den Fall, dass der Kaufpreis niedriger ist. UE ist auch in diesem Fall das Nenn-Kap lt H-Bil iHd vollen Nennbetrags der erworbenen eigenen Anteile zu verringern (glA s Bruckmeier/Zwirner/Künkele, DStR 2010, 1640). Nach § 272 Abs 1a S 2 HGB ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Nennbetrag oder dem rechnerischen Wert und den AK der eigenen Anteile mit den frei verfügbaren Rücklagen zu verrechnen. Danach wäre im Fall eines Kaufpreises unter dem Nennbetrag bzw dem rechnerischen Wert in der H-Bil, wie bei einer Kap-Herabsetzung ohne Auszahlung an die AE, die Kap-Rücklage um den Differenzbetrag zu erhöhen. Zur entspr Anwendung des § 28 Abs 2 S 1 KStG s § 28 KStG Tz 109. Weiter s Schr des BMF v 27.11.2013 (BStBl I 2013, 1615, Rn 4).
Tz. 121
Stand: EL 109 – ET: 03/2023
Zum Erwerb der Anteile zu einem unangemessen hohen Kaufpreis s § 8 Abs 3 KStG Anh "Eigene Anteile" Tz 6ff.
Tz. 122
Stand: EL 109 – ET: 03/2023
Mit der Verwendung des Begriffs der "frei verfügbaren Rücklagen" anstelle des Begriffs der "anderen Gewinnrücklagen iSd § 266 Abs 3 A III 4 HGB" wird der Handhabung in der Praxis Rechnung getragen. Trotz der bisherigen begrifflichen Beschränkung auf "Gewinnrücklagen iSd § 266 Abs 3 A III 4 HGB" ist nach nahezu einhelliger Auff auch eine Verrechnung mit den frei verfügbaren Kap-Rücklagen iSd § 272 Abs 2 Nr 4 HGB zulässig, und zwar gleichrangig im Verhältnis zu den "Gewinnr...