Joachim Patt, Fabian Bernhagen
Tz. 121
Stand: EL 96 – ET: 06/2019
§ 22 Abs 8 S 1 UmwStG bestimmt, dass bei in Großbritannien und Nordirland ansässigen AE sperrfristverhafteter Anteile (Vorgänge s Tz 118) der Austritt dieser Staaten aus der EU mit Wirksamkeit des Brexit nicht zum Verlust der Voraussetzungen des § 1 Abs 4 UmwStG für Zwecke des § 22 Abs 1 S 6 Nr 6 und Abs 2 Nr 6 UmwStG führt. Durch den Rechtsvorgang des Brexit als solchen kommt es also (trotz dem Grunde nach gegebener passiver Sperrfristverletzung, s Tz 50g) nicht zu einer nachträglichen Einbringungsgewinnbesteuerung. Ablauf und Dauer der Sperrfrist bleiben hiervon unberührt.
Fraglich ist die Reichweite dieser Regelung für die Fälle, in denen der AE sperrfristverhafteter Anteile nach dem Brexit und vor Ablauf der Sperrfrist innerhalb Großbritanniens oder Nordirlands umzieht. Die Rechtsfolge für den AE wird vom Ges-Geber so beschrieben, dass "das Vereinigte Königreich insoweit nach wie vor wie ein Mitgliedstaat der EU behandelt wird" (s Tz 114). Hieraus kann uE geschlossen werden, dass es solange nicht zu einer aktiven Sperrfristverletzung mangels "Wegfall" der Ansässigkeitsvoraussetzungen kommt, wie der Einbringende (oder die übernehmende Gesellschaft) sich mit der (Wohn-)Sitzverlegung innerhalb der Grenzen des Vereinigten Königreichs bewegt (zum grenzüberschreitenden Wegzug in einen Drittstaat, s Tz 122). Gleiches gilt (nach dem Rechtsnachfolgeprinzip des § 22 Abs 6 UmwStG), wenn der in Großbritannien oder Nordirland ansässige AE sperrfristverhafteter Anteile die Beteiligung unentgeltlich an einen Angehörigen überträgt, der ebenfalls im Vereinigten Königreich wohnt. Anders ist hingegen der Vorgang zu beurteilen, wenn ein AE außerhalb des Vereinigten Königreichs seine Beteiligung an einen britischen Angehörigen verschenkt/vererbt. Denn der zum Zeitpunkt des Brexit nicht in Großbritannien oder Nordirland ansässige Schenker/Erblasser wird nicht durch § 22 Abs 8 UmwStG "geschützt" (s Tz 117).
Tz. 122
Stand: EL 96 – ET: 06/2019
"Allein" der Austritt des Vereinigten Königreichs soll gem § 22 Abs 8 S 1 UmwStG nicht zur nachträglichen Einbringungsgewinnbesteuerung führen. Andere sperrfristverletzende Vorgänge nach § 22 Abs 1 S 1 und S 6 Nr 1 bis 5 bzw Abs 2 S 1 und S 6 UmwStG (Anteilsveräußerung und Ersatztatbestände) bis zum Ende der Sperrfrist bleiben hiervon unberührt. Dazu gehört auch der Wegfall der pers Anwendungsvoraussetzungen iSd § 22 Abs 1 S 6 Nr 6 UmwStG beim in Großbritannien oder Nordirland ansässigen AE nach dem Brexit durch aktive Sperrfristverletzung (zB Wegzug aus Großbritannien in ein Drittland, wenn kein unbeschr inl Besteuerungsrecht für die stillen Reserven der erhaltenen Anteile besteht; ebenso s Holle/Weis, IWB 2018, 800/804 mit Bsp).
Bringt der AE nach dem Brexit die erhaltenen Anteile gegen Gewährung neuer Gesellschaftsrechte in eine Kap-Ges/Genossenschaft aus Großbritannien oder Nordirland ein, liegt uE ebenfalls eine Sperrfristverletzung vor (s § 22 Abs 1 S 6 Nr 2 UmwStG; der Nachw eines vergleichbaren ausl Einbringungsvorgangs zu Bw kann nicht geführt werden, da die übernehmende Gesellschaft außerhalb der EU/EWR ansässig ist, s Tz 42). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 22 Abs 8 S 1 UmwStG. Der Wirkungsbereich der Vorschrift geht nicht so weit, dass neben der Pers, die zum Zeitpunkt des Brexit AE der sperrfristverhafteten Anteile war (s Tz 121), auch weitere Pers aus dem vereinigten Königreich (die nicht Rechtsnachfolger sind) begünstigt werden.