Ewald Dötsch, Torsten Werner
Tz. 248
Stand: EL 84 – ET: 08/2015
§ 20 Abs 2 S 1 Nr 2 Buchst a S 1 EStG regelt die stlichen Folgen für den AE, der seinen (noch nicht entstandenen) Gewinnanspruch aus Aktien, GmbH-Anteilen oder aus Genossenschaftsanteilen ohne das Stammrecht veräußert. Nach der BFH-Rspr (s Urt des BFH v 11.12.1968, BStBl II 1969, 188) steht in diesen Fällen die Vereinnahmung des Veräußerungserlöses für den Dividendenschein wirtsch der vorweggenommenen Vereinnahmung der Dividende gleich. Weil er das Stammrecht noch besitzt, bleibt der Veräußerer des Dividendenscheins AE. Er muss den Veräußerungserlös gem § 20 Abs 2 S 1 Nr 2 Buchst a S 1 EStG als Kap-Ertrag versteuern. Wegen der Frage, ob auf den Veräußerungserlös KapSt einzubehalten ist, s Tz 258 ff.
Tz. 249
Stand: EL 84 – ET: 08/2015
Als Kaufpreis wird der Erwerber dem Dividendenscheinveräußerer den Betrag der zu erwartenden Dividende zahlen; bei der Kaufpreisbemessung werden in aller Regel auch ein Zinsabschlag (weil der Erwerber mit der Dividendenzahlung in Vorlage tritt) und ein Risikoabschlag (bei noch nicht feststehender Dividende) berechnet.
Tz. 250
Stand: EL 84 – ET: 08/2015
Eine weitere Frage ist, ob mit dem Kaufpreis der Gewinnanspruch für das gesamte oder nur (zeitanteilig) für die Zeit vom Beginn des betr Geschäftsjahrs bis zum Zeitpunkt der Veräußerung der Dividendenscheine abgegolten ist ("Besitzzeit"). Im Regelfall, in dem der Dividendenschein nach Ablauf des Geschäftsjahrs der ausschüttenden Kö, aber vor dem Gewinnverteilungsbeschl, veräußert wird, ist es unstr, dass der Gewinnanspruch für das gesamte Jahr verkauft wurde.
UE gilt das aber auch, wenn der vom Stammrecht losgelöste Dividendenanspruch vor dem Ablauf des Geschäftsjahrs der Kö, zB am 01.10. (Geschäftsjahr = Kj) veräußert wird. Gläubiger des Gewinnbezugsanspruchs gegenüber der Kö ist in diesem Fall gem § 60 AktG bzw § 29 GmbHG allein der Erwerber des Dividendenscheins, und zwar für das gesamte Geschäftsjahr. Dass § 101 Nr 2, 2. Alt BGB hier einen schuldrechtlichen Ausgleichsanspruch zwischen den Vertragsparteien begründet (der Veräußerer hat gegenüber dem Erwerber einen Anspruch auf die zeitanteilig auf seine "Besitzzeit" entfallende Dividende), ändert nichts daran, dass der Dividendenscheinerwerber dinglich das Gewinnbezugsrecht in vollem Umfang erworben hat. Hinzu kommt, dass die Regelung des § 101 Nr 2, 2. Alt BGB in aller Regel vertraglich abbedungen wird (s Tz 212). Sie spielt uE insbes in den Fällen des § 20 Abs 2 S 1 Nr 2 Buchst a S 1 EStG keine Rolle, weil es hier gerade um die Veräußerung des vollen und nicht des zeitanteiligen Gewinnanspruchs geht. Wegen der Frage, ob eine von dem Grundsatz des § 101 Nr 2, 2. Alt BGB abw zivilrechtliche Vereinbarung der Besteuerung zugrunde zu legen ist, s Tz 215.
Tz. 251
Stand: EL 84 – ET: 08/2015
Kraft der Sonderbestimmung des § 20 Abs 2 S 1 Nr 2 Buchst a S 1 EStG muss der Dividendenscheinveräußerer den vollen Veräußerungserlös für den Dividendenschein versteuern. Der Erwerber hat insoweit keinen stpfl Kap-Ertrag, auch nicht für die eigene "Besitzzeit"(01.10.–31.12. = 3/12); er zieht bei der späteren Auszahlung der Dividende lediglich eine Forderung ein (dazu im Einzelnen s Tz 257).
Eine zeitanteilige Aufteilung auf den Dividendenscheinveräußerer und -erwerber, wie sie Voß im Grünen Brief des Instituts FSt (AbschnB II 2 d) und wohl auch Sommer (GmbHR 1985, 224) bejahen, kommt – außer in den unten genannten Sonderfällen (s Tz 268) – nicht in Betracht. Voß, der dem Dividendenscheinerwerber für die eigene "Besitzzeit" die zeitanteilige Dividende als Kap-Ertrag nach § 20 Abs 1 Nr 1 EStG zurechnet, übersieht uE, dass der Dividendenscheinerwerber im maßgeblichen Zeitpunkt des Gewinnverwendungsbeschl nicht Besitzer des Stammrechts und damit nicht AE ist. Er kann somit nur eine Forderung einziehen, die aus dem erworbenen Dividendenschein entstanden ist. Die Stellung des Dividendenscheinerwerbers verschafft kein Mitgliedschaftsrecht an der Kö und reicht für die Zurechnung von Kap-Erträgen nicht aus.
Sommer (aaO) will uE – für uns unverständlich – die Fälle so lösen, dass die zeitanteilig auf die Besitzzeit des Veräußerers entfallende Dividende bei diesem nach § 20 Abs 2 S 1 Nr 3 EStG aF und beim Erwerber nach § 20 Abs 1 Nr 1 EStG (negativer Kap-Ertrag, soweit Weitergabe an den Veräußerer) versteuert wird. Das gibt das Gesetz nicht her.
Tz. 252
Stand: EL 84 – ET: 08/2015
Wird der Dividendenschein vor der Auszahlung der Dividende mehrmals ohne das Stammrecht weiterveräußert, hat nur der erste Veräußerer Kap-Erträge nach § 20 Abs 2 S 1 Nr 2 Buchst a S 1 EStG.
Tz. 253
Stand: EL 84 – ET: 08/2015
Das EStG äußert sich nicht ausdrücklich dazu, wie zu verfahren ist, wenn von dem Veräußerungserlös für einen Dividendenschein auch ein Teilbetrag auf eine zu erwartende Ausschüttung aus dem stlichen Einlagekonto der Kap-Ges entfällt. Zwar enthält § 20 Abs 2 S 1 Nr 2 Buchst a S 1 EStG die in § 20 Abs 1 Nr 1 S 3 EStG ausdrücklich genannte Einschränkung nicht; andererseits ist aus den Eingangsw...