Ass. jur. Viola C. Didier
Leitsatz
Wesentlich für eine Qualifizierung als Zweithaushalt ist, ob die Unterkunft sich qualitativ vom Haupthaushalt unterscheidet und ausschließlich Erwerbszwecken dient. Gründe für die Wahl des Ortes des Haupthausstands spielen für die berufliche Veranlassung der doppelten Haushaltsführung hingegen keine Rolle.
Sachverhalt
Das Finanzgericht des Saarlands hatte darüber zu befinden, unter welchen Voraussetzungen eine doppelte Haushaltsführung anerkannt werden kann. In dem Fall lebten die Eheleute in einer Eigentumswohnung mit 6 Zimmern. Als der Familienvater in eine andere Stadt versetzt wurde, mieteten sie dort ein Haus mit ebenfalls 6 Zimmern an. Die Eigentumswohnung wurde zunächst vermietet, dann verkauft. Später trennten sich die Eheleute, die Frau mietete alleine eine 3-Zimmer-Wohnung am ursprünglichen Wohnort für sich und ihre Tochter an. Im Mietvertrag war geregelt, dass nur "2 Personen in die Mietsache einziehen". Der Mann machte indes in seiner Einkommensteuererklärung Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung geltend, denn er habe seinen Wohnsitz zurückverlegt und wohne im Wesentlichen bei seiner Familie. Ob die Eheleute getrennt lebten oder noch an der Ehe fest hielten, blieb unklar. Das Finanzamt jedenfalls erkannte die Kosten nicht als Werbungskosten an.
Entscheidung
Das Finanzgericht gab dem Finanzamt Recht. Der Ehemann habe keinen doppelten Haushalt i. S. des § 9 Abs. 1 EStG geführt; er und die Ehefrau hätten jeweils eigene Haushalte unterhalten, urteilten die Richter. Ob eine doppelte Haushaltsführung vorliegt, ist anhand aller Umstände des Einzelfalles zu entscheiden. Die Begriffe des "sozialen Getrenntlebens" und des "Getrenntlebens im Familienrecht" spielen für die steuerrechtliche Abgrenzung keine Rolle. Entscheidend sei, dass das Ehepaar nicht - was zur Anerkennung einer doppelten Haushaltsführung erforderlich gewesen wäre - ihren gemeinsamen Haupthaushalt verlegt und das Haus nur als zweiten Haushalt am Beschäftigungsort des Mannes beibehalten hatten. Der Ehemann war nach den Feststellungen des Gerichts vielmehr nur zeitweise Gast der Wohnung, die mit 3 ZKB wesentlich kleiner gewesen ist als das Haus mit Garten. Der Umzug war auch nicht durch eine berufliche Tätigkeit der Frau veranlasst. Die gemeinhin bestehende Vermutung, dass die Familienwohnung für den auswärtig tätigen Ehepartner dessen Lebensmittelpunkt und dessen Haupthaushalt ist, wurde im Entscheidungsfalle durch zahlreiche Indizien widerlegt. Entscheidend war unter anderem, dass der Mietvertrag, den allein die Ehefrau abgeschlossen hatte, eindeutig auf 2 Personen - Mutter und Tochter - begrenzt war. Es gab auch nur 2 Wohnungsschlüssel. Überdies war nicht nachvollziehbar, dass der Mann das große, wesentlich besser ausgestattete und kostspielige Haus beibehalten hätte, wenn er es lediglich als Unterkunft zur Anfahrt der Arbeitsstelle genutzt hätte.
Hinweis
Eine doppelte Haushaltsführung setzt nicht voraus, dass ein einheitlicher Haushalt in 2 Haushalte "aufgespalten" wird. Vielmehr muss zum ohnehin vorhandenen Haupthaushalt ein Zweithaushalt hinzukommen. Die Motive für die Wahl des Ortes des Haupthausstands spielen für die berufliche Veranlassung der doppelten Haushaltsführung keine Rolle. Wesentlich ist, ob ein ausschließlich zu Erwerbszwecken dienender, sich qualitativ vom Haupthausstand unterscheidender Zweithaushalt begründet wird. Dieser erfordert einen Wohnungszuschnitt, wie er für einen Steuerpflichtigen als Einzelperson notwendig ist, der von dort seiner Arbeit nachgeht, aber an einem anderen Ort seinen Lebensmittelpunkt hat und dort seinen Haupthausstand unterhält. Ein solcher Zweithaushalt kann sowohl durch Bezug einer neuen Wohnung als auch durch Umwidmung der bisherigen Hauptwohnung begründet werden.
Link zur Entscheidung
FG des Saarlandes, Urteil vom 05.05.2011, 1 K 1112/07